Seit 20 Jahren arbeite ich im People-Management. Ich war Anfang 2020 erst wenige Wochen in meiner Bank als Personalleiter tätig. Im Februar war ich für gut 10 Tage in die Konzernzentrale in Seoul eingeladen. Wir sprachen im Januar über die Ziele für das Jahr. Ende Januar kam die Frage auf, ob man wegen COVID-19 die Reise wirklich antreten sollte. Hier in Deutschland gab es eine infizierte Person zum damaligen Zeitpunkt. Aus meiner Sicht war das kein Hinderungsgrund. Gesagt, getan. Ich war anderthalb Wochen in Seoul. Die Flugverbindungen waren nicht sehr familienfreundlich. Samstagmittag Hinflug, um Montag im Büro zu sein. Niemand hatte für das Jahr 2020 die Bewältigung einer globaler Pandemie auf der Balanced Scorecard. Und wie wir nun alle wissen, es kam gänzlich anders.
Das Jahr 2020 war für Personaler ebenso reich an ungeplanten Ereignissen, wie das für alle anderen Unternehmensfunktionen war. Kein Stein blieb auf dem anderen. Drastische Verschiebungen waren ebenso zu beobachten, wie manche Prozesse, die einfach normal weiterliefen. Recruiting wurde ebenso wie das Employer-Branding und Hochschulmarketing runtergefahren. Themen, wie OPEX-Management, zu dem nicht nur Kurzarbeit, sondern bspw. auch die Verschiebungen von Belegschaftspopulationen aus unterausgelasteten Bereichen in überausgelastete sowie leider auch Personalabbau gehören. Personaler arbeiten gerne in der Sonne, was meint, wir freuen uns auf die Gewinnung, Betreuung und Entwicklung der Menschen. Personalabbau gehört auf die Schattenseite, doch auch diese Prozesse müssen gemacht werden und das ebenfalls so gut wie möglich.
2020er Lernkurve
Was hat das Jahr 2020 für uns an Erkenntnissen gebracht? In welchen Dingen waren wir gut, wo eher nicht? An welchen Dingen sollten und müssten wir was tun?
- Kompetenzlücken bei der Belegschaft wurden offenkundig
- Digitalisierungsgrad der Prozesse und Systeme ist unzulänglich
- Unzulänglichkeiten innerhalb der Personalabteilung treten offen zu Tage
- Krisenmanagement wurde in der Theorie entwickelt, erwies sich als praxisuntauglich
- Führungskräfte nicht genug vorbereitet auf virtuelle Führung ihrer Teams
- Personalentwicklung im Themenbereich Learning & Development viel zu wenig auf virtuelle Trainings ausgerichtet, sondern auf Klassenraumfortbildungen, die durch die notwendige Präsenz undurchführbar sind
- Zielvereinbarungs- und Performance-Management-Systeme erwiesen sich dysfunktional, weil in zu langen Linien ausgerichtet
- zukunftsorientierte Konzepte fehlen
- Führungskräfte im Micromanagement sind ausgebrannt, weil deren Bedürfnisse virtuell kaum bedient werden konnten
- HRler haben in der Breite die Chance durch die Krise nutzen können
- Kommunikation musste deutlich verbessert werden. Mitarbeiter brauchen Orientierung und Richtung!
Was müssen wir weiterhin tun?
Wir haben so viel Gutes beobachten können, allerdings auch viele zu eingeschliffene Dinge erkannt, die aus der Zeit gefallen sind. Deren Wirksamkeit hinter der Gegenwart zurückgefallen ist. Prozesse, die einfach dysfunktional sind. Mein Lieblingsthema sind Jahreszielvereinbarungen mit Justierungsgesprächen zur Mitte und finalen Gesprächen am Ende.
Arbeiten Sie sich durch diese Themenpakete durch:
- In welchem Organisationsmodell arbeitet das People-Management künftig? Der HR-Business-Partner funktioniert so nicht.
- Ist das Personalwesen, ob nun Human Resources, HR, People-Management oder wie auch immer, als Funktion in Ihrem Unternehmen anerkannt? Oder gelten Sie nur als die operative Arbeitsdrohne?
- Angebote zur Mitarbeiterbetreuung digitalisieren und zwar schnell.
- Bereiten Sie Ihre Unternehmenskultur, die Führungskräfte und die Arbeitsorganisation auf die Phase nach der Pandemie vor. Sie brauchen Betriebsvereinbarungen bzw. Unternehmensrichtlinien zur Arbeit “remote”. Klären Sie, wie umfassend Sie Arbeitsausstattung für das Remote-Office finanzieren. Und sorgen Sie für die nötigen digitalen Plattformen für die Zusammenarbeit. Derzeit findet das Pandemie-Office noch in einem unsicheren arbeitsrechtlichen Rahmen statt.
- Stellen Sie die Führung um vom tradierten Micromanagement und transaktionalem Fokus auf modernes Leadership mit transformationalem Schwerpunkt
- Können Führungskräfte die Leistung ihrer Mitarbeiter auf Distanz richtig einschätzen und deren Leistung ordentlich bemessen? Wie vereinbaren Sie Ziele und wie messen Sie die? Das ist ein guter Moment, um über die Einführung von OKRs zu sprechen.
- Geben Sie der Karriere in Ihrem Unternehmen und Ihrer Unternehmenskultur mehr Sinn!
- Passen Ihre Kompetenzmodelle noch zur Gegenwart? Entwickeln Sie neue Kompetenzmodelle und geben Sie den Softskills eine höhere Bedeutung als den Hardskills. Softkills entscheiden über die Karriere.
- Investieren Sie in ein vernünftiges Gesundheitsmanagement und optimieren Sie Ihre Unternehmenskultur. Die Pandemie zeigte die Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit unserer Mitarbeiter. Zu den typisch-tradierten Kulturen, dass Karriere weh tun muss, gehört die Erwartung nach Leiden und Quälen. Schaffen Sie das ab. Je mehr Druck Sie geben, desto weniger innovativ und motiviert sind Ihre Leute. Sorgen Sie für Ausgleich der hohen emotionalen Belastung, insb. für die Kollegen, die mit der sozialen Isolation ihren Kampf haben.
- Eigentlich überflüssig zu erwähnen, aber ein modernes, zeitgemäßes Recruiting mit Eignungsdiagnostik und bester Candidate-Experience braucht jedes Unternehmen. Egal, ob Sie nur fünf oder 5.000 neue Kollegen im Jahr einstellen. Achten Sie auf die Art und Weise Ihrer virtuellen Einstellungsgespräche.
- wie begleiten Sie Ihre neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Vertragsunterzeichnung? Haben Sie ein Onboarding-Programm?
- Welche Arbeitsmodelle bieten Sie künftig an? Stellen Sie um auf ein 2-3-5-Modell oder bieten Sie maximale oder skalierte Flexibilität? Lösen Sie sich auf jeden Fall von der Lüge der Work-Life-Balance. Arbeit und Leben konkurrieren nicht miteinander. Flexibilität ist das einzige was wirklich zählt.
- und natürlich eine Reihe an Standards: Digitale Personalwirtschaft, digitale und belegfreie Reisekostenabrechnung, digitale Unterschrift bei Arbeitsverträgen, Zeugnissen, Zertifikaten, Austritts– und Kündigungsbestätigungen sowie Zeiterfassung- und Abrechnungssysteme oder auch Arbeitszeugnisse. Wenn wir unsere Standards nicht in höherer Qualität, maximalem Standard und auf digitalen Plattformen haben, wird die Arbeit für uns schwierig. Unsere Anerkennung erhalten wir aus der operativen Exzellenz der Standards!
Diese Liste ist und wird unvollständig bleiben, weil sich viele Ihrer Arbeitspakete aus Ihrer individuellen Unternehmenskonstellation ergeben. Also wo brauchen Sie nun einen innovativen Schritt nach vorne, wo können Sie welche Optimierungen wie priorisieren etc.
Die typischen Risiken aus der Perspektive des People-Managements: Fluktuation, Mittel- und Langzeiterkrankungen, schwierige Nachbesetzung, insbesondere bei Engpassvakanzen, fehlende mitarbeiterzentrierte Führung und zu schlechte Personalentwicklung
– Marcus K. Reif
Wir People-Manager machen den Unterschied. Unsere Arbeit gibt dem Business Zeit für deren Aufgaben. Gehen wir es an!
Beste Grüße
Ihr Marcus K. Reif