Auf einer Party samstagsabends lernen Sie jemanden kennen. Sie unterhalten sich gut. Und innerhalb der ersten 15 Minuten kommt doch meist zur Sprache, wo man arbeitet. Aussagen sind zu hören, wie “Ich bin beim Daimler”, “Ich arbeite bei McKinsey” oder “Ich bin bei einer Bank”. Das sind exemplarische Aussagen, wie das Gespräch läuft. Im Vergleich zu den angelsächsischen Kulturen ist aus meiner Beobachtung sehr auffällig, dass wir uns über den Arbeitgeber und den Job definieren. In den USA sind allerdings mehr die Tätigkeit und Erfolge im Vordergrund, weniger der Job oder Arbeitgeber selbst. Sie treffen dort viel mehr auf Aussagen, wie: “Die Zufriedenheit meiner Kunden steht im Vordergrund. Das Service-Management, in dem ich arbeite, ist die entscheidende Gruppe in meiner Firma”. Stellen Sie sich auch die Frage, wieso wir Deutschen eher technisch in Jobtiteln und Arbeitgebern denken, die angelsächsischen Kulturen aber mehr über die Tätigkeit und den Gestaltungsraum sprechen?
Sie kennen diese Stereotypen. Für viele in Deutschland ist der Job der Sinn des Lebens. Blicken wir noch mal auf die verschiedenen Generation zurück (ich weiß, das ist einigen zu pauschal). Die Baby-Boomer agierten nach dem Prinzip “leben um zu arbeiten”, die Generation X nach dem Prinzip “arbeiten um zu leben” und die Generation Y nach dem Prinzip “Leben und Arbeit im fließenden Übergang”. Das gibt so ein wenig die Faktenlage, weshalb wir als Sinn in der Arbeit oftmals den Beruf selbst sahen. Weil wir zum einen in der Familie erzogen wurden und unsere Eltern und Großeltern dabei eine essenzielle Rolle spielen und zum anderen, weil die Führungskräfte entsprechend sozialisiert wurden und dies auch an uns weitergaben.
Arbeit wandelt sich. Wie ein Brennglas wirkt die Corona-Pandemie auf die Unternehmen. Trotz jahrzehntelangem Beharren auf der Präsenz als Führungsgrundlage, denn “die Schäfchen sind um einen herum”, weicht dieses Dogma nun einer Führung auf Distanz. Menschen arbeiten im Home-Office und genießen die Vorteile davon. Bequeme Zeiteinteilung, hohe Flexibilität, kein Pendeln. Die Nachteile, bspw. die soziale Isolation, informelle Netzwerke sind eingeschränkt, die Konzentration mangelt und die Arbeitsorganisation diszipliniert nicht mehr, werden wir aber sicherlich noch auf eine produktive Art regeln (müssen). Die Zukunft, so viel mag heute schon sicher sein, wird nicht mehr die alte Normalität sein. Führungskräfte müssen sich darauf einstellen, dass niemals mehr alle Mitarbeiter zur gleichen Zeit im Büro sein werden. Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort hat gewonnen!
Führungskräfte müssen sich darauf einstellen, dass niemals mehr alle Mitarbeiter zur gleichen Zeit im Büro sein werden. Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort hat gewonnen! Share on XSinn bei der Arbeit
Die Definition und der Wert “Arbeit” wandeln sich. Wir definieren uns nicht mehr einzig und allein über unsere Arbeit, sondern suchen nach einem (tieferen) Sinn bei der Arbeit. Wenn man so will, ist der Wert “Arbeit” mit Sinn höher als der Arbeitsinhalt an sich. Wir wissen ja alle, woher unsere Wertschätzung kommt. Die soziale Einbindung durch unsere Arbeit ist der gesellschaftlich wichtigste Aspekt für Wertschätzung. Man spricht hierbei auch von den psychosozialen Sinnfaktoren der Arbeit.
Arbeitswelt im Wandel
Wegen der Corona-Pandemie hat die Digitalisierung einen Raketenstart hingelegt. In atemberaubender Geschwindigkeit mussten sich Führungskräfte an die Führung auf Distanz anpassen, große Mitarbeiterpopulationen wechselten von heute auf morgen ins Homeoffice. Das Ganze hat natürlich zwei Seiten der Medaille. Das Für und Wider brauchen wir heute nicht thematisieren. Nicht alles ist perfekt, wenn man im Homeoffice arbeiten kann. Deshalb heißt es während der Pandemie auch Pandemie-Office. Den ganzen Tag auf das Notebook oder Duo-Bildschirme schauen, ist auch nicht eine besonders erstrebenswerte Perspektive auf die Arbeit der Zukunft. Also wie sollte sich denn die Arbeitswelt wandeln, gerade mit Blick auf die Phase nach COVID-19, damit wir mehr Sinn in unserer Tätigkeit, eine stärkere Balance unserer Arbeitszeit, ein deutliches Plus an Wertschöpfung für unseren Arbeitgeber und Zufriedenheit auf beiden Seiten erreichen?
Aufstieg gelingt nur durch Bewegung
Früher konnte man aufsteigen, ohne sich permanent anzupassen und dazuzulernen. Die Zeit brachte so manches mal die Karriere, weil man eben dran war. Das geht nicht mehr. In dieser bewegten Welt mit so viel Unplanbarkeit, Volatilität und Dynamik muss jeder einzelne bereit sein für eine Karriere im permanenten Wandel, mit lebenslangem Lernen und sich stetig verändernden Richtungen, Geschwindigkeiten und Rahmenbedingungen. Qualifikationen und Kompetenzen tragen nicht mehr jahrelang. Schon gar nicht eine ganze Karriere lang.
Die größte Gefahr in Zeiten des Umbruchs ist nicht der Umbruch selbst, es ist das Handeln mit der Logik von gestern.
Peter F. Drucker, Ökonom
Bedeutung der Büro-Zeit
Heute ist auch die Wohnsituation so prekär, weil arbeitsplatznah nach Wohnungen und Häusern geschaut wird. Wird in einer Post-Corona-Phase allerdings nur eine Arbeitswoche aus ein oder zwei Bürotagen bestehen, sieht die investierte Wegzeit fürs Pendeln schon wieder ganz anders aus. Sollte es sich in dieser Form weiter verstetigen, wird das auch eine Entlastung der Wohnsituation in den Städten zur Folge haben mit hoffentlich sinkenden Immobilienpreisen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden sich bewusst für ihr “Zuhause” entscheiden. Ländlich, im Wald, in den Bergen, am Meer oder am See. Das dürfte spannend werden. Gerade auch, weil die Immobilienpreise astronomische Höhen erreichten und die Finanzierung mittlerweile einen deutlich höheren Eigenkapitalanteil erfordert. Die Büros werden künftig mehr Begegnungs- als Arbeitsstätte sein. Der Schwerpunkt dient dem Austausch und der Kommunikation, der Interaktion und dem persönlichen Miteinander.
Wie immer im Leben: es kommt auf die individuellen Bedürfnisse an. Jemand, der den täglichen Austausch im Büro schätzt, wird tendenziell mehr ins Office gehen als jemand, der die konzentrierte Arbeit von zu Hause aus lieber mag. Wir Personaler sehen eine steigende Gefahr sozialer Ungerechtigkeit. Wieso? Schreibtischjobs sind einfach zu digitalisieren, Remote-Work kein Problem. Schwieriger wird es bei Jobs, die eine Anwesenheit an einem Ort erfordern. Vom Bus- und Bahnfahrer über den Handwerker bis hin zum Einzelhandel wird uns eine Scherenbewegung zwischen neuer Normalität und tradierten Arbeitsmodellen erwarten.
Wir gestalten die neue Normalität!
Was auch immer das sein wird. Jeder versteht darunter etwas anderes. Wir werden eine neue Art und Form von Führung erleben. Die Kontrollfetischisten werden in der Führung immer mehr ins Hintertreffen geraten. Vertrauensbasierte Führung und diese auf Distanz werden ein wesentlicher Teil der Führung in einer neuen Normalität sein. Präsenzorientierung wird vollständig aufgelöst werden und überall dort, wo alte Führung auf Büropräsenz pocht, wird die Fluktuation steigen. Und jeder, der sich beim Lesen dieses Aspekts gleichgültig zeigt, ist Teil des nötigen Veränderungsprozesses.
Entkopplung von Arbeitszeit und Gehalt wird weiter fortschreiten. In Deutschland folgt der Arbeitsvertrag noch dem Tausch von Arbeitszeit gegen Geld. Wir Personaler kennen das ja, wenn Führungskräfte von uns verlangen, dass wir wegen Minderleistung oder schlechter Performance kündigen sollen. Geht ja gar nicht, weil dies eben kein formaler Kündigungsgrund ist. Der Vertrag ist immer noch der Tausch aus Zeit gegen Geld. Und das ist irgendwie aus der Zeit gefallen, weil sich die Gehaltsentwicklung doch auch sehr an die Performance anlehnt.
Softskills werden viel wichtiger werden und virtuelle Arbeit bleibt. In typischen Kompetenzmodellen versuchen wir Personaler eine Mischung aus verschiedenen Skills zusammenzustellen, die dienlich und wichtig für eine gute Karriereentwicklung sind. Die fachlichen Kompetenzen rücken in diesen Zeiten ein wenig mehr in den Hintergrund. Recruiter proklamieren ja schon seit Jahren: “Hire character, train skills”, denn in diesen Zeiten zählen Kommunikationsfähigkeit, Ausstrahlung, Mut, Empathievermögen, Achtsamkeit, Konfliktmanagement, aber auch interkulturelle Kompetenz, Adaptionsfähigkeit und Selbstorganisation.
meine Thesen
Für eine Arbeit mit Sinn und Selbststeuerung!
- Arbeit ist nicht mehr der Ort, zu dem ich gehe, sondern das, was ich tue
- Großraumbüros sterben aus. Dies ist das Ende von Openspace
- Distanz prägt die Arbeitswelt (Mindestabstände werden uns noch lange begleiten)
- Arbeitskultur des Micromanagements dankt ab
- Empathie wird wichtiger in der Führung, wenn nicht elementar
- Kommunikation und Interaktionen sind elementar, wir müssen dies unter dem Abstandsgebot ermöglichen
- der eigene Arbeitsplatz stirbt aus
- Smartoffice ist eine Mischung aus Präsenzarbeit und von zu Hause, aus Remote-Leadership und digitaler Zusammenarbeit
- jeder Ablauf, jeder Prozess wird vollständig digitalisiert
- der Sinn der Tätigkeit steht über allem!
Beste Grüße