Die meisten Unternehmen kämpfen mit den Preissteigerungen, den Auswirkungen der Inflation und einer Rezension. Die Zeitungen sind voller Berichte, dass Unternehmen im großen Stil Kosten senken und oftmals auch Personal abbauen. Für HR bedeutet das in der Innensicht, dass das OPEX stärker gewachsen ist als die Top-Line und die Unternehmensführung die Organisation auf Rendite und Profitabilität trimmen will. Je größer eine Firma von Fremdkapital der Investoren abhängig ist bis hin zur Börsennotierung, desto härter schlägt dieses Pendel aus. Die Reaktion auf diese Entwicklung ist überall gleich. OPEX-Management, Kostensenkungsprogramme, Workforce-Management, Personalabbau, Erhöhung des Drucks auf die Belegschaft. Das ist eine echte Bewährungsprobe für HR, denn die mühsam in Zeiten der Talenteknappheit aufgebaute Maßnahmen und Programme werden schnell geopfert. Was juckt denn die teuren Einstellungen exzellenter Leute, wenn heute gespart werden muss? Dann streichen wir doch gleich noch für das nächste Jahr das Trainingsbudget und ein paar Benefits mit.
Wieso sehe ich den Personalabbau kritisch?
Es gibt ja Gründe, wieso das Personal aufgebaut wurde. Die Märkte sind jeher zyklisch unterwegs. Gute Führungskräfte des Unternehmens berücksichtigen das. Wenn nun die Märkte nachgeben, die Preise eine negative Elastizität zeigen und der Absatz stagniert, so verstehe ich zwar das Reaktionsmuster, dass “wir die Payroll ausdünnen müssen”, aber ist das nachhaltig?
Ich möchte jetzt gar nicht den Bogen über die Gesamtkosten der Fluktuation spannen, das können Sie hier nachlesen: kennen Sie Ihre Kosten für Fluktuation? Kurzum: die Kosten für einen sozialverträglichen Personalabbau sind extrem hoch. Ein Freiwilligenprogramm ebenso, weil hier mit Faktoren zum Teil deutlich über einem Jahresgehalt gearbeitet wird. Nehmen wir die Vakanzkosten (Cost of vacancy) noch hinzu, die aufgerundet bei 200 % des Jahresgehalts liegen, wird der Irrsinn des Geldverbrennens deutlich. In einem an Talenten und Arbeitskräften engen Markt ist der Personalabbau als kurzfristiges OPEX-Management absoluter Irrsinn. Sie verbrennen nur gutes Geld!
Halten jetzt unsere Employer-Branding-Versprechen?
Nein. Ich erlebe Führungskräfte, die ihr Führungsprinzip “Command & Control” recht ohne Widerspruch ausleben können. Mitarbeiter werden aus der Remote-Work zurück in die Büros geholt, es werden Überstunden und Mehrarbeit verlangt, Minderleister werden kujoniert, Flexibilität wird eingeschränkt und vieles mehr. Die Versprechen aus der gewünschten Arbeitgeberattraktivität mit Freiraum in der Arbeit, Selbststeuerung und Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort werden geschliffen.
Und es geht munter weiter. Die Welt steht nicht still. Globalisierung, demografischer Wandel, Wertewandel der Generationen, Corona-Pandemie, Kriege und Konflikte, Preissteigerungen und nun auch noch die künstliche Intelligenz. Der Mensch als Mitarbeiter sucht in diesem Chaos seinen Platz. Und das beinhaltet auch die Frage, welche Skills brauche ich eigentlich heute und insbesondere morgen? Wir können diese eklatanten Skill-Gaps bei der Belegschaft nicht mehr ignorieren. Und dann kürzt man HR noch die Budgets für Weiterbildungen? Absurd. Die ganze Organisation ist erschöpft vom Wandel, ausgebrannt von Krisen und Konflikten, vom Leben an sich. Investition in Mental Health? Gekürzt. OPEX-Management first.
Kosten- und Spardruck trifft Investitionstau
Die unternehmensinterne Wirklichkeit, gepaart aus Sparmaßnahmen und Kontrolle, trifft auf nicht weiterentwickelter Systeme, Prozesse und Strukturen. Der Investitionsstau wird größer. Viele Prozesse finden auf Excel statt, Analytics wird mit der Hand am Arm erledigt, keine tief verbundenen IT-Systeme, die die Arbeit erleichtern. Das ist der Einstieg in eine Unternehmensführung, die Entscheidungen aufgrund von Bauchgefühl und unzureichenden Daten trifft. Das kostet bares Geld!
Bleibt die Frage, wo steht HR?
Sicht auf HR
- HR kann doch jeder
- HR hat keine Ahnung
- HR ist zu langsam
- HR hat keine Ahnung vom Geschäft
- HR ist zu bürokratisch
Sicht von HR
- HR ist nicht auf der obersten Führungsebene eingebunden
- HR ist unterfinanziert
- HR ertrinkt in Compliance und Richtlinien
- HR fehlt es an Anerkennung
- HR hat keinen Rückhalt und kann nicht entscheiden
HR sollte für People & Culture zuständig sein. In Krisenzeiten werden wir eingedampft auf die transaktional geprägten operativen People-Themen, wie Personalbetreuung, Payroll und Dokumentenmanagement für Zeugnisse, Korrespondenz etc. Cultur und die prägenden Elemente, wie Recruiting, Employer-Branding, Analytics, werden getrimmt. Keine gute Perspektive! Machen wir es besser.
Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit!
Mit meinen besten Grüßen
Ihr Marcus K. Reif