Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Quereinsteiger sind nicht besonders hoch im Kurs bei deutschen Unternehmen. Zum einen folgen wir immer noch einem zu fixen Bild des Idealkandidaten, zum anderen haben wir einen ausgeprägten Stringenzfetisch mit Blick auf den Lebenslauf und selektieren immer noch nach biografischen Stereotypen und nicht nach Potenzial und Talent. Und eben genau diese beiden Elemente stehen dem Idealbild entgegen. Personaler beschreiben dies als homosoziale Reproduktion oder auch als das Erfolgsprinzip Ähnlichkeit der Generation Babyboomer. Recruiter sprechen auch gerne vom Mini-Me-Effekt.

Übrigens, Vielfalt gelingt nur, wenn wir das fixe Idealbild fallen lassen. Wir müssen die alte Küchenweisheit “Gleich und gleich gesellt sich gern” ad acta legen. Das Thema Pinguine rekrutieren Pinguine habe ich oft beleuchtet hier auf meinem Blog. Aber weshalb ist die Homosozialität denn problematisch? Wir schauen alle durch Filter auf die Welt. So bei der Personalauswahl, bei der Beurteilung von Leistung sowie bei Beförderungsentscheidungen bei Potenzial. Zu viel des Gleichen kostet uns am Ende wirklich notwendige Innovationsfähigkeit. Wenn alle gleich denken und ähnlich handeln, wie soll da Neues entstehen? Statt Vielfalt bleibt Einfalt. Kreativität und unterschiedliche Perspektiven bleiben auf einem niedrigen Niveau.


Das fixe Idealbild, Stringenzfetisch und der Hang zu Stereotypen hindert uns, Fortschritte bei Diversity, Kultur, Führung und besserer Personalauswahl zu erlangen Klick um zu Tweeten

McKinsey hatte mal vor ein paar Jahren eine tolle Werbung im Hochschulmarketing:

Treffen sich ein Naturwissenschaftler, ein Theologe und ein BWLer am Coffeepoint. Kein Witz!

Werbung im Hochschulmarketing von McKinsey, ca. 2006. Aus der Erinnerung zitiert.

Karrieren haben sich gewandelt

Die Megatrends demografischer Wandel, Technologisierung und Digitalisierung sowie Wertewandel der Generationen führten zu mehreren Effekten, die wir als People-Manager beobachten. Beispielsweise hat sich aufgrund dieser Megatrends der Arbeitsmarkt gewandelt vom Arbeitgebermarkt hin zum konzentrischen Arbeitnehmermarkt. Mitarbeiter sind heute ihre eigene Gewerkschaft, weil sie mit den beiden wichtigsten Instrumenten reagieren können: innere und faktische Kündigung. Wir messen also nebst vielen anderen Dingen in der Fluktuation, wie sich der Arbeitsmarkt für Mitarbeiter veränderte. Und Fluktuation änderte faktisch eine ganze Menge in Unternehmen.

Einige dieser Auswirkungen sind: die Recruiting-Abteilung wird gestärkt, Bonus wird erhöht, weil sonst die besten Mitarbeiter gehen und wir bauen Brücken und Umgehungsstraßen um toxische Führungskräfte und inhärente Probleme. Viel besser wäre es doch, wir würden mal die einfache Frage stellen: Wieso kündigen die Mitarbeiter? Lesen Sie hier über unseren Wahrnehmungsfehler bei Kündigungen: Kündigungen – wir vertauschen Ursache und Wirkung und analysieren falsch

Gelernt haben wir nun, dass sich Karrieren veränderten. Kaum jemand strebt noch an, bei seinem Unternehmen 45 Jahre am Stück zu arbeiten. Hier eine Darstellung:

Darstellung der Karrieren zu Zeiten des Diploms in der präbolognareformierten Zeit, in der Planung der Bologna-Reform sowie der heutigen Realität.

Die Portfolio- oder Mosaikkarriere ist der neue geradlinige Karrierepfad

Wieso mussten Sie beim Lesen durch die homosoziale Reproduktion durch? Weil wir eine Attitüde entwickelt haben, wo der Kandidat ins Raster passen muss. Und wenn er das tut, aber nicht durch jeden Reifen springt, wir ihn aussortieren. Die Megatrends haben eine Menge dazu beigetragen, dass wir People-Manager anders auf Kandidaten schauen. Wir bemühen uns mehr, sind generöser geworden was Auffälligkeiten in Lebensläufen angeht. Der Sprung zum Quereinsteiger ist nur noch ein kleiner. Lassen Sie uns mal springen!

Stringenzfetisch

Sie erleben das sicher auch ab und an. Hiring-Manager beschweren sich über nicht lineare Lebensläufe. Über Sprünge, Auszeiten oder schlechte Noten. Schlechte Arbeitszeugnisse, dämliche Postings in sozialen Netzwerken und vieles dieser Kategorie mehr. Man sieht, dass es eine vorgefertigte Schablone des Idealkandidaten gibt, durch die Bewerber gepresst werden. Die Perspektive auf Kandidaten beginnt schon subjektiv, bevor das Interview stattfindet. Wir geben damit viel Raum auf, um Kandidaten mit ihren Stärken wirken zu lassen, einen Blick auf ihr Potenzial und Talent zu erhalten.

Schauen Sie auf einhundert Bewerbungen von akademischen Bachelor-Absolventen und Sie erkennen, es wird immer schwieriger, aus den doch zunehmend homogenen Biografien irgendwas Verlässliches herauszulesen. Aus der Masse heben sich Bewerber am besten ab durch praktische Erfahrungen. Das können Praktika sein, aber auch ehrenamtliches Engagement, außeruniversitäre Tätigkeiten oder Mitarbeit am Campus, gerne auch in einer studentischen Unternehmensberatungen. Bewerbungsunterlagen lassen auch leider keinen Blick auf Softskills zu. Softskills sind die entscheidenden Treiber für eine gute Karriere und Performance in den Unternehmen.

Plädoyer für Quereinsteiger

Auswahlmethode Bauchgefühl ist dysfunktional. Unsere Einstellungsentscheidungen sind zur Hälfte falsch. Viele Studien gehen davon aus, dass sich rund 50 % aller Neueinstellungen in den ersten 18 Monaten als Fehlentscheidung erweisen. Hören Sie also auf mit der Interview-Scharade, die Kandidaten aufgrund des Bauchgefühls der Hiring-Manager selektiert. Mehr dazu unter Recruiting-Mythen: Potenzial erkenne ich in zwei Minuten (und weitere)

Im Spiel um Wahrnehmung ist der Lebenslauf leider tot. Der Lebenslauf ist ein historisches Artefakt. Der Lebenslauf lebt nicht. Der Lebenslauf ist eine starre Darstellung, wo Sie in Ihrem Leben waren. Interessant ist doch, was Sie geleistet haben, was Sie erreicht haben, was Sie relevant macht für Ihren gewünschten Arbeitgeber, welches Potenzial und Talent in Ihnen wohnt, um die Aufgabe für die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Dazu steht in einem Lebenslauf leider wenig bis nichts. Deshalb sollten wir den Lebenslauf weiterentwickeln. Er ist Teil der Bewerbung, nicht die Bewerbung selbst. Heute geht es viel mehr darum, aus der Menge hervorzustechen. Ihre Bewerbung muss für den Recruiter und für den Fachbereich relevant sein. Erzählen Sie nicht nur wo Sie waren, erzählen Sie was Sie machten und machen. Erzählen Sie, warum Sie das taten, was Sie taten. Erzählen Sie eine Geschichte! Erklären Sie, wieso Sie relevant sind für den Arbeitgeber und die Aufgabe. Bedauerlicherweise rekrutieren die meisten hiesigen Unternehmen immer noch nach Biografie und Noten und damit völlig an einem guten Ergebnis vorbei. Denn Noten haben keinerlei Aussagefähigkeit zu möglicher Leistung und Performance!

Durch den Bologna-Prozess sind die Bachelor-Absolventen von heute biografisch nahezu unvergleichbar. Aber die Personen hinter dem Bachelor sind höchst heterogen! Auch die Noten als selektionsrelevantes Kriterium sollte man nicht mehr singulär heranziehen, da die Noten der Hochschulen eher unvergleichbar sind und wenig über Potenzial und Talent aussagen, sondern eher über den Umgang mit theoretischem Wissen. Ergo wird Eignungsdiagnostik als HR-Instrumentarium einen viel höheren Stellenwert einnehmen. Bei Großunternehmen und Beratungen ist dies heute schon der Fall. 

Was sind denn die Effekte, die das Erkennen von Potenzial und Talent so erschweren? Lesen Sie hierzu meinen separaten Blog-Beitrag: Übertragungseffekte/Partizipationseffekte. Oder meinen Beitrag in der Süddeutschen: “Menschen mit dem größten Potenzial fallen durchs Raster”

Denken Sie für ihren künftigen Karriereweg an diese nachfolgenden Punkte: 

  • ohne Softskills keine Karriere 
  • akademische Leistung nicht überbewerten 
  • eine Karriere entscheidet sich stets an der Leistung, nicht an der akademischen Biografie 
  • akademische Abschlüsse sind Türöffner für bestimmte Berufe und Arbeitgeber,
  • bieten mithin das gebotene theoretische und wissenschaftliche Rüstzeug 
  • Erfahrung schlägt allerdings immer Schul- und Studienleistungen
  • und seien Sie relevant!!! 

Hire character, train skills

Rekrutieren Sie Haltung und Persönlichkeit, trainieren Sie die Fähigkeiten im Nachgang. Was heute wie eine einfache Empfehlung klingt, ist real betrachtet ein Paradigmenwechsel in der Personalauswahl. Sind doch heute die Hiring-Manager immer noch biografie- und abschlussorientiert unterwegs, vermissen die Recruiter eine stärkere Sensibilität für Potenzial und Talent.

Rekrutieren Sie Haltung und Persönlichkeit, trainieren Sie die Fähigkeiten. Paradigmenwechsel in Personalauswahl. Hiring-Manager immer noch biografie- und abschlussorientiert, stärkere Sensibilität für Potenzial und Talent nötig. Klick um zu Tweeten

Wir geben rund 30 % des Jahresgehalts für eine Neueinstellung aus. Und das in einer Zeit, wo uns die indirekten Kosten sowieso davon laufen. Wir müssten als Unternehmen insgesamt viel sensibler sein für die vermeidbaren Kosten. Alleine in Deutschland werden deutlich über eine Milliarde Euro für die Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgewendet, alleine der Umsatz in der Personalberatungsbranche im Jahr 2016 belief sich auf 1,99 Milliarden Euro. 2018 verzeichnete die Branche bereits 2,19 Mrd. Euro. Ein unglaubliches Wachstum, was einen guten Indikator für die Auswirkungen aus dem Fachkräftemangel ergibt. Weitere Steigerungen sind prognostiziert. Wenn alleine die Personalberater ihre >2 Mrd. Euro Umsatz im Jahr generieren, gibt das ein Gefühl dafür, welche Kostentreiber der Fach- und Führungskräftebedarf noch für uns in petto haben wird. Und dabei sprechen wir nur von den Kosten für die aktive Personalsuche. Die passiven Kanäle, zu denen Plattformen, wie Xing, Linkedin, die Online-Stellenmärkte und viele andere Plattformen gehören, sind ebenso noch hinzu zu addieren, wie alle Media-Aktivitäten, das Hochschulmarketing und Kampagnen. 

Hinter der Floskel “Rekrutiere Haltung, trainiere Fähigkeit” steckt also keine Mystik, sondern das Konzept, die Persönlichkeit, Verhaltensweisen, die Adaptionsfähigkeit, Analyse-Kompetenz, Diagrammatik und Kreativität in Einklang zu bringen mit der fachlichen Kompetenz, den Erfahrungen und Wissen. Und speisen Sie bitte nicht nur Absolventen oder Praktikanten mit diesem Selektionsprozess ab. Gerade die Berufserfahrenen kommen in den Auswahlprozessen regelmäßig zu schlecht weg, weil wir von einem strukturierten Auswahlprozess zu oft übergehen zu einem netten Smalltalk bei Kaffee und Gebäck mit anschließendem Vertragsangebot. 

Kennen Sie eigentlich Ihre Mitarbeiter? Wissen Sie, welche Aspekte Ihre High-Performer ausmachen? Was sind die Kriterien, die Ihre Top-Leute kennzeichnen? Und haben Sie Techniken, Instrumente der Prozesse etabliert, um diese Stereotypen in ein Anforderungsprofil zu übersetzen? Dabei können Sie auch die Frage stellen, ob der Weg, wie Sie heute Personal suchen, beurteilen und finden, auch geeignet wäre, Ihre heutigen Top-Leute erneut einzustellen? 

Sie können Haltung, Attitüde und Persönlichkeit zwar prägen, aber den Leuten nicht beibringen. Für jede Aufgabe gibt es ein ideales Maß an Haltung, die erforderlich ist, um in der Rolle zu bestehen. Fähigkeiten, Talent und Kompetenzen sind nicht das Gleiche, wie Haltung, Persönlichkeit und das eigene Wertegerüst. Über eine Karriere entscheiden mehr und mehr Haltung, Persönlichkeit, Werte vor Fachlichkeit. Und dabei erlaube ich mir den Hinweis auf die toxischen Führungskräfte – und die Frage, wie wir damit umgehen sollten?

Fazit (tl;dr)

lösen Sie sich von der biografie- und lebenslauforientierten Einstellungslogik

Abschlussorientierung hat nichts mit Performance zu tun

stellen Sie um auf Rekrutierung nach Potenzial und Talent

stellen Sie Softskills und Attitüde über die Abschlüsse und Biografie-Erwartungen

erstellen Sie ein Kompetenzmodell, was die Zukunftsfähigkeit Ihres Geschäftsmodell unterstützt

Und am Ende brauchen Sie eine moderne Personalabteilung mit einem People-Leader, der diese Dinge versteht und umsetzen kann.

Beste Grüße

Ihr Marcus K. Reif

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