Zukunft der Arbeitswelt
Seit einigen Jahren suche auch ich die Antwort auf die Frage, wie die Zukunft der Arbeit ausschaut. Letztens wurde ich in einer internen Präsentation gefragt, wie ich denn die Zukunft der HR-Arbeit sehe. Auch hier gebe ich gern meinen Senf dazu. Hatte ja einige Beiträge schon gepostet, beispielsweise Die Zukunft der Arbeitswelt. Auf dem Weg ins Jahr 2030!, Studie Talent & Karriere 2025: Arbeitswelt im Wandel – von der Leiter- zur Mosaikkarriere und Zukünftige und bessere Arbeitswelt durch Wissen und Kultur, denn Kultur isst Strategie zum Frühstück. Weitere unter dem Suchbegriff “Arbeitswelt”.
Also, auf geht’s ins Kaffeesatzlesen und ins Kristallkugelblicken.
Wie schaut sie aus, die Zukunft der Arbeit?
Viel über die künftige Arbeitswelt wird mit der Perspektive auf die Generation Y beschrieben. Das ist mehr als richtig, ist sie doch die Generation, die maßgeblich die Arbeitswelt der Zukunft bestimmen wird. Das ist keine Ansichtssache, sondern reine Statistik. Die letzten der Generation Baby-Boomer feiern dieses Jahr ihren 50. Geburtstag. Die 1964 Geborenen gehören zum letzten Jahrgang vor dem Pillenknick und sind der letzte Jahrgang, bei dem mehr neue Kräfte in den Arbeitsmarkt einstiegen, als verdiente Veteranen in Rente gingen. Statistisch gesehen haben wir also seit 50 Jahren einen stetig zunehmenden Fach- und Führungskräftemangel. Dass erst in diesen Jahren darüber so viel geschrieben wird, liegt eben auch daran, dass die Alterskohorte der Arbeitsfähigen gerade unlängst empfindlich kleiner wird. Wir messen übrigens dieser Tage eine der statistisch geringsten Quoten an Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Das ist nur auf der einen Seite ein Zeichen von Wirtschaftsprosperität, denn die andere Seite ist die kleiner werdende Kohorte der Arbeitsfähigen.
Halten wir also fest:
Demografischer Wandel ist eine zentrale Herausforderung für Arbeitgeber – War for Talent is over – Talent has won!
Natürlich ist der demografische Wandel einer der Elemente, weshalb so viele Unternehmen in Employer-Branding und Candidate-Experience investieren. Mittlerweile ist die Employability der eigenen Workforce strategisch entscheidender als die Produkte und Services! Doch die Wirklichkeit in den Unternehmen und gerade den Top-Führungskräften könnte ambivalenter nicht sein. Lese ich Sattelberger, ändert sich alles grundlegend. Lese ich CEO-Berichte aus Davos, ist jeder Manager überaus dankbar über das geringste Maß an Veränderung und deutlich mehr Konstante. Sattelberger ist nicht nur der Meinung, dass sich alles grundlegend ändern muss, er beschreibt den notwendigen Umbruch aufgrund des deutlich zunehmenden Fachkräftemangels, dem Führungsversagen, der technologischen Entwicklung, u. a. durch Social-Media, “Burnout”, Wertewandel und Diversion. Da teile ich seine Auffassung vollumfänglich!
Der Arbeitsmarkt wird enger, die Talente, Fach- und Führungskräfte deutlich knapper. Was ist die strategische Antwort auf diese Entwicklung? Produktivitätszunahme, Effizienzgewinn, Zuwanderung, Förderung von Teilzeit-Jobs und verstärkte Integration von Eltern (weiblich und männlich) zurück in den Job, Inklusion und zielgerichtete Bildungsstrategie. Doch diese Maßnahmen an sich werden die Fachkräftelücke nicht völlig schließen.
Eine sehr spannende Diskussion der letzten Wochen aus mehreren Unterhaltungen zeigt, dass auch die über 40-Jährigen vom Status-Symbol des Autos Abstand nehmen. Sie sind noch nicht so mutig wie die Gen Y oder Gen Z, für die Carsharing kein modischer Schnickschnack, sondern eine bequeme Form der Mobilität ist, aber auch hier sieht man, dass gestandene Führungskräfte vom X5 oder Porsche auf deutlich kleinere, praktischere Fahrzeuge umsatteln. Meist begleitet von der Aussage: “das brauche ich echt nicht mehr” – bezogen auf das Statussymbol.
Zeit ist das neue Statussymbol
Weshalb geht man arbeiten? Der tradierte Zweck von “Arbeit” ist schlicht, das eigene Überleben zu sichern. Die Nachkriegsgeneration der Baby-Boomer verfolgte das Prinzip “leben, um zu arbeiten” und war in ihrem ganzen Habitus geprägt davon. Der Mensch muss essen, trinken, wohnen, will materiellen Bedürfnissen nachkommen und konsumieren. Die Generation X, von Florian Illies auch Generation Golf genannt – hatte mit dem Prinzip “arbeiten, um zu leben” schon eine deutlich andere Ausprägung, insbesondere was das Konsumverhalten anging. Luxus, Genuss und sich auch mal was gönnen waren auf einmal die wichtigen Leitlinien des Lebens. Die Gen Y lässt sich von einem sehr ausgeprägten Bedürfnis nach Flexibilität leiten und folgt dem Prinzip “Leben und Arbeit in einem fließenden Übergang”. Deshalb greift auch der Begriff “Work-Life-Balance” nicht mehr, weil diese Generation und die darauf folgende nicht mehr zwischen “Work” und “Life” trennen. Das ist das Leben. Mancher HR-Prophet und Vordenker spricht dann auch richtigerweise von der Lebensbalance.
Was möchte die künftige Generation?
Die Gen Y will schnell vorankommen. Sie will Arbeit und Leben in einem fließenden Prozess und Übergang verstehen. Aus diesem Grund ist “Flexibilität” so wichtig als Nachfolge-Instrument der Work-Life-Balance (Das Ende der Work-Life-Balance). Die Generationen davor – X und Baby Boomer – verstanden Arbeit als Lebensinhalt bzw. wollten arbeiten, um zu leben. Die Biografie wird andere Aspekte aufzeigen und sicherlich deutlich umfassender sein.
Die Generation Y wird die Kultur in den Unternehmen stark beeinflussen und mithin verändern. Weshalb? Die Gen Y ist häufig materiell vollversorgt und überbehütet, aufgewachsen in Wohlstand und Frieden. Sie setzt ihr Prinzip nach einer völlig neuen Priorität: Erfüllung und Selbstverwirklichung.
Generation Baby-Boomer |
Generation X |
Generation Y |
Prinzip “leben um zu arbeiten” | Prinzip “arbeiten um zu leben” | Prinzip “Leben und Arbeit im fließenden Übergang” |
Mehr dazu auch im Beitrag “Generation Ladekabel” mit vielen Aspekten und Attributen rund um die Generationen.
Die Megatrends haben wir alle schon durch und besprochen. Nun müssen die Unternehmen an die eigene Kultur ran. Verständnis aufbauen für immer unterschiedlichere und selbstbewusstere Generationen, die aber die künftigen Führungskräfte werden und deshalb deren Bedürfnisse ein wichtiger Schritt in die Zukunft bedeuten. Und alles dreht sich um die Gen Y, die aber stand heute schon nominell 33/34 Jahre alt ist, ergo die nächste Generation – die Gen Z – schon mit den ersten Bewerbungen auf sich aufmerksam macht.
Gestiegene Ansprüche
Schauen wir unsere Gesellschaft an, dann erkennen wir, dass die den Baby-Boomern nachfolgenden Generationen deutlich gestiegene Ansprüche haben. Man kann unken, dass dies aus der Perspektive der ersten Nachkriegsgeneration auch nicht sonderlich schwer ist. Doch schauen wir mal auf ein paar Beispiele.
Früher wurde in Fahrgemeinschaften oder mit dem “Werksbus” der Weg zur Arbeitsstelle geregelt. Bis tief in die achtziger Jahre hinein galt ein Zweitauto für eine normale Familie noch als absoluter Luxus. Oder Urlaube in spannende Länder fernab von unserer Heimat. Früher galen das Zelt, der Wohnwagen oder der heimische Schwarzwald als Urlaubsziele Nr. 1.
Arbeitsvolumen pro Woche
Das Arbeitsvolumen der Deutschen ist in den vergangenen Jahrzehnten permanent gesunken. Nach den Niederländern leisten die Deutschen je Kopf am wenigsten Arbeitsstunden im Jahr, was allerdings mit der hohen Teilzeitquote in beiden Ländern zusammenhängt. Schaut man sich nur die Vollzeitkräfte an, liegen wir mit rund 1.900 Stunden per annum allerdings schon im oberen Sektor der europäischen Nachbarn. Dennoch muss das Ziel sein, einen Produktivitätsgewinn durch eine Wochenarbeitszeit von >38 Stunden zu erreichen. Diskussionen über eine Arbeitszeit unterhalb 40 Stunden im Mittel wird zu einer dauerhaften Beschädigung unserer Wettbewerbssituation führen.
Erfolgsprinzipien der Generationen evolutionieren
Eine aus meiner Sicht sehr treffende Beschreibung traf Holm Friebe in einem Gastbeitrag auf spielraum.xing.com:
Der die gesamte Nachkriegszeit über gültige Deal, für den Autonomieverzicht mit Zukunftssicherheit und Planbarkeit einer Karriere entschädigt zu werden – “loyality for security” –, wurde beidseitig aufgekündigt, weil er einfach nicht mehr in die Zeit passt. Die Arbeitgeber forderten mit Verweis die Globalisierung und volatile Marktumfelder mehr Flexibilität ein. Arbeitnehmer nehmen sich dafür die Freiheit heraus, zu allererst sich selbst gegenüber loyal zu sein. Dabei verlangen die als aufmüpfig, arrogant und verweichlicht apostrophierten Angehörigen der Generation Y von ihren Arbeitgebern oft nicht mehr, als dass sie deren Zeit und Arbeitskraft nicht mit bürokratischem Überaufwand vergeuden. Ihre Unduldsamkeit bezieht sich nicht auf die Arbeit selbst – da sind sie so protestantisch wie ihre Eltern – sondern auf die Zumutungen einer anachronistischen Arbeitsorganisation im Korsett der Industriegesellschaft.
Quelle: spielraum.xing.com/…/arbeit-in-zukunft-ein-gastbeitrag-von-holm-friebe
Zukunft der Arbeitswelt im Umbruch
Ich bemühe zur Beschreibung des Umbruchs mal wieder den geschätzten Drucker.
Ein Zitat von Peter Drucker:
In circa fünf Jahren wird es zwei Arten von Unternehmenslenkern geben: solche, die global denken und solche, die arbeitslos sind. (In about five years there will be two types of CEO’s; those who think globally and those who are unemployed.)
Ich stelle mal einige Thesen für den Kulturwandel der Arbeitgeber auf. Aus meiner persönlichen Berufserfahrung sind genau dies die Knackpunkte, um den Blickwinkel auf den nötigen Wandel zu ändern.
Ende der Personalauswahl nach Biografie. Selektieren wir nach Potenzial und Talent!
Der nicht stromlinienförmige Lebenslauf ist der neue Idealkandidat!
Ende des Präsenzdenkens. Messen wir Output!
Kultur des Ergebnisses: Ende der Input-Orientierung, Fokus auf den Output!
Diversity ist mehr als das weibliche Merkmal. Ermöglichen wir Vielfalt!
Fluktuation ist normal. Kollegen kündigen
gewöhnen wir uns an dynamische Karriereformen und -wege!
Good bye Work-Life-Balance. Welcome Flexibility
Das Ende der Work-Life-Balance!
“Die Grenze aus Arbeitszeit und Freizeit ist bei dieser Gruppe der arbeitenden Menschen so weit verschwommen und inneinander verwoben, dass die Balance dazwischen sinnentleert ist.” M.R.
Egal welche Medien man liest, die nachfolgenden Trends werden einem stets begegnen, zumindest in Auszügen. Also was ist nun Trend? Kultur steht mit Sicherheit an Nr. 1 der Prioritätenlisten. Nicht immer explizit, aber implizit. Das ist gelebter Nonkonformismus gg. die Leitbilder und Überzeugungen vieler Führungskulturen, aber dringend notwendig in einem von gewichtigen Megatrends behafteten Arbeitsmarkt im Wandel.
Zukunft der Arbeit im Einklang mit der Digitalisierung
Also was genau sind nun die Trends, mit denen wir die Zukunft gestalten dürfen?
demokratisch gewählte Chefs
unternehmensbeteiligte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Arbeitszeittreue
starre Hierarchien vs. Demokratisierung der Führung
Einführung der Frauenquote
Souveränität in der Arbeitswelt und autonome Flexibilisierung
fortschreitende Digitalisierung führt zu neuen Arbeits- und Lernwelten
zunehmende Automatisierung
Gesundheitsmanagement und Employability
Kooperation und Vernetzung
monotone Tätigkeit vs. sinnstiftender Aufgabe
kein talentorientiertes, sondern ein abschlussorientiertes Bildungssystem
gesellschaftlicher Wert der arbeitenden Individuen
Agilität und Vernetzung
Man muss ja zwangsläufig eine Meinung zu diesen Themen haben. Ich glaube an den größten Teil dieser Trends. Was ich nicht sehe, sind demokratisch gewählte Chefs. Führung wird auf Vertrauen und miteinander ausgelegt. Führungskräfte suchen sich ihre Führungskräfte unterhalb aus. Dass wir auch hier aus dem Erfolgsprinzip Ähnlichkeit herauskommen müssen, ist evident. Dass aber die teilautonome Gruppe der Mitarbeiterschaft ihre Führungskräfte selbst wählt, erwarte ich in den nächsten zehn Jahren nicht.
Dass man Mitarbeiter (als Sammelbegriff) in die Pflicht nehmen sollte, sie dafür auch am Erfolg (und Misserfolg) partizipieren lassen sollte, ist heute schon Usus in einigen Branchen und wird sich verstetigen. Daran glaube ich. Ebenso an die nicht gesetzlich bestimmte Frauenquote, die Flexibilisierung in einer modernen Unternehmenskultur mit Souveränität des Individuums über die eigene Arbeitswelt.
Die Frage, wie und vorallem wo denn Arbeit im Einklang mit der Digitalisierung stattfinden wird, ist eine sehr spannende Frage. Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilisierung werden ein wichtiger Teil davon sein. Darauf müssen sich alle Unternehmen heute schon einrichten, beispielsweise mit einer Regelung, wie man auch außerhalb des Büros produktiv und technisch optimal wirken kann.
HR der Zukunft
Und nun zur Eingangs gestellten Frage, wo findet die HR-Arbeit der Zukunft statt? Vor Ort beim Kunden!
Mein Plädoyer für mehr Wertschöpfung und einem erkenntbaren Wertbeitrag der HR-Arbeit zur Geschäftsstrategie kennen Sie ja (Workshop mit Prof. Dave Ulrich – HR from the outside in!). Wenn wir aus der verwaltenden und reaktiven Rolle rauskommen wollen in eine gestaltende und aktive Rolle eines vitalen Business-Partnerings, dann müssen wir alles, was HR tut, in den direkten Kontext der Geschäftsstrategie stellen. Nur wenn HR nicht mehr als “Kostenblock” und “notwendiges Übel” angesehen wird, manchmal auch tituliert als “Abteilung, die anderen bei der Arbeit zuschaut”, wird sich die Wertschätzung für unsere Arbeit ändern.
Aber wir sind selbst dran Schuld (Das Ende von HR! HR ist grandios gescheitert)! Mit der HR-Arbeit, die sich in unlesbare Richtlinien und polyseitige Guidelines in Beamtendeutsch definiert, können wir nicht erfolgreich sein. Wir fallen doch aus der Zeit, wenn wir dem Business nicht helfen, ihre Arbeit sinnvoll und effektiv zu erledigen, ohne sich mit komplizierten Performance- oder Benefits-Dokumentationen auseinander zu setzen. Wir müssen einfach sein, simple und effektiv. Erst wenn unsere Kunden das Gefühl haben, dass die Herausforderungen und Aufgaben auf ihrer Seite nach einem guten Dialog mit HR klarer, kleiner und managebar geworden sind, haben wir es geschafft!
Unsere Arbeit wird in Zukunft deutlich näher an unseren Kunden stattfinden. Das meine ich in erster Linie strategisch, nicht nur ideologisch, aber auch räumlich. HR wird dort sein, wo unsere Kunden sind und unseren Service brauchen. HR ist also aus dem Silo raus und mittendrin im Geschehen. Meine Sicht auf die Zukunft der HR-Arbeit!
Beste Grüße
Marcus Reif
Hallo Herr Reif,
ein ganz hervorragender Beitrag! Dazu habe ich eine Ergänzung und eine Frage.
Die Ergänzung: „Was ich nicht sehe, sind demokratisch gewählte Chefs.“ Auf der Personal Nord 2014 hielt Marc Stoffel, CEO von Haufe Umantis, einen Vortrag „Mehr Demokratie wagen: Vom Mitarbeiter zum Mitentscheider“. Stoffel ist durch die Belegschaft gewählt – und kann abgewählt werden. Sie hätten einmal die großen Augen der anwesenden Personaler sehen sollen.
Die Frage: In der 2. HR-Berufsfeldstudie des Bundesverbandes der Personalmanager wurde verkündet, dass sich 71 Prozent der Personalmanager als Business oder Strategic Partner betrachten. Wie sehen Sie das? Realität oder das alte Problem HR-Selbstbild vs. Fremdbild?
Beste Grüße, Helge Weinberg
Lieber Herr Weinberg,
das ist ein gutes Beispiel. Ich sehe einige Unternehmen, die maximal mitbestimmt agieren. Aber in der Breite glaube ich nicht daran. Das lässt sich nur unschwer in der Fläche umsetzen. 90 % der deutschen Unternehmen sind Mittelständler von klein bis mittelgroß. Da kocht der Chef selbst.
Dass Personaler selbstbewusst die Rolle des strategischen Partners ihrer Kunden einnehmen wollen, halte ich für essenziell und sehr erfreulich. Doch in der Wirklichkeit ist die Rolle nicht so wahrgenommen. Wir HRler müssen das zum Leben bringen! Die einzige Chance ;)
Ihr Marcus Reif