Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Bei einem meiner alten Arbeitgeber, eine sehr große Unternehmensberatung, galt der Tag, an dem die Performance-Ratings verkündet wurden, als der “long face day”. Lange Gesichter gab es natürlich, denn die so genannte “forced distribution” sorgte für eine mathematische Verteilung der Leistungskategorien. Und natürlich sorgt das dafür, dass Leistung nicht immer fair beurteilt werden kann. Es wird Zeit, dass wir die tradierten Zyklen der Mitarbeiterbeurteilung aufbrechen und das neu gestalten.

Das Modell des Performance-Managements

Durch Jack Welch bekam HR seinen Namen. Und unter Human Resources kam das Low-Performer-Management seine Bedeutung. Um zu erkennen, wer denn die “faulen Low-Performer” sind, wurde das Performance-Management ins Leben gerufen. Ich bin ziemlich sicher, dass schlechte Leistung zum einen objektiv kaum messbar ist und oftmals mit der direkten Führung, Kollegen oder Tätigkeitszuschnitt korreliert, weniger mit der Kompetenz. Um die Leistung der Mitarbeiter korrekt zu messen, wurden Zielvereinbarungen eingeführt. Auf Basis dieser Zielvereinbarungen – meist in einem Sektor von operativen, persönlichen, business- und teamorientierten Zielen formuliert – wurde zur Hälfte des Beurteilungszeitraums ein Gespräch zur Einschätzung vorgenommen und zum Ende hin das “Annual Review” gepackt. Damit haben wir die Unternehmen für einen längeren Zeitraum hinweg mit internen Abläufen beschäftigt. Führungskräfte waren gebunden in hoch operativen und kleinteiligen Performance-Management-Prozessen, wir hielten sie stundenlang in Roundtables gefangen und sie kamen nicht zur eigentlichen Arbeit.

Das Prinzip eines Annual-Reviews über Performance, meist gepaart mit einem Mid-Year-Review, wird eigentlich der Dynamik unserer Arbeitgeber, deren Absatzmärkte und der Agilität im Alltag nicht gerecht. Wir leben oft noch in dem Blick, dass bisherige Kompetenzmodelle auch künftig gut passen (müssen). Leistungsbeurteilung ist ein viel zu starrer Prozess, wenig beweglich, kann nicht auf die hektischen Veränderungen angewendet werden. Wir sind in einer hyperflexiblen Arbeitswelt, die Märkte total dynamisch – und dann messen wir Leistung in einem starren System. Bei der Personalauswahl schauen wir weiterhin darauf, dass sich Kandidaten bei uns bewerben, diese müssen dann auch durch den Reifen springen oder besser gesagt, in die tradierten Kompetenzmodelle passen. Das kann im Jahr 2019 ff. nicht mehr ernsthaft Realität sein, oder?

Der Jahresturnus überfordert die meisten Führungskräfte in der objektiven Beurteilung von Leistung und Potenzial. Gemessen werden eigentlich rein kognitiv nur die letzten 3-4 Monate, zu mehr reicht das Erinnerungsvermögen nicht aus. Hinzu kommt der Effekt, dass die Fehler eine höhere Halbwertszeit in der Erinnerung haben, als gute oder sehr gute Leistung. Die Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie, dass unser Gehirn gerade in Beurteilungsfragen sehr subjektiv ist und bei der Analyse fast nur kurzfristige und leicht verfügbare Daten und Eindrücke verarbeitet, führt dazu, dass nicht die komplette Leistung im betrachteten Jahr bewertet werden kann.

Linksschiefe (oder rechtsschiefe) Leistungsbeurteilung

Auch der steigende Qualifizierungsbedarf unserer Workforce unter dem Stichwort “lebenslanges Lernen” passt so gar nicht mehr zu einer starren Routine der Leistungsbeurteilung mit Verteilungskurve. Die Bell-Curve spielt immer nur dort eine Rolle, wo Führung in der fairen Einhaltung kläglich scheitert. Personaler sprechen gerne von der rechtsschiefen Leistungsbeurteilungen. Hier mal ein Beispiel, wo die Reihenfolge gedreht ist, also linksschief. Die Beurteilung 1 ist die beste, die 5 die schlechteste.

typische rechtsschiefe Leistungsbeurteilung mit Verschiebung zur besseren Seite (hier linksschief)

Führungskräfte sitzen im Sandwich zwischen Mitarbeitern und Führungslinien darüber. Sie haben natürlich einen hohen Respekt als Bewertender vor der direkten Rückmeldung der eigenen Einschätzung der Leistung ihrer Mitarbeiter. “Man” spricht leichter über positive Einschätzungen und entzieht sich einem energieraubenden Gespräch mit einer über der Norm liegenden Beurteilung der Leistung. Denn die Führungskraft ist in der Zusammenarbeit an einem guten Klima interessiert und vermeidet grundsätzlich kritische Bewertungen.

Viele betrachten 100 % Erfüllung der Erwartung, der Rolle und des Anspruchs als „gut“ und eine Zielerreichung im Sinne von „100 %“ erscheint oftmals als nicht gut genug, woraus auch eine Verschiebung resultiert. Im Ergebnis bedeutet die „rechtsschiefe“ bzw. bei uns „linksschiefe“ Leistungsbeurteilung, dass eine Differenzierung der individuellen Leistung sowie die Handhabung der Vergütungskosten nicht mehr effizient funktionieren. Darüber hinaus führen die verzerrten Bewertungen (Rechtsschiefe) am unteren Ende der Leistungsskala dazu, dass notwendige Verbesserungen weder erkannt, noch dokumentiert, noch operationalisiert werden. Leistungsschwache Mitarbeiter erhalten somit keine faire Rückmeldung zu ihren Defiziten und Entwicklungsbereichen. Am oberen Ende der Leistungsskala erhalten echte Top-Performer keine herausragende Bewertung. Sie lernen, dass sich herausragende Leistung nicht lohnt.

Wie wirkte das auf der anderen Seite? Die “forced distribution” – also die erzwungene Verteilungskurve, um die rechtsschiefe Leistungseinwertung zu vermeiden – führte dazu, dass auch sehr gute Leistungen in einer Rangreihe dazu führen konnten, dass man eben nicht “above the peergroup” landete, sondern “consistent with peergroup”. Das sind demotivierende Faktoren in einem Leistungsbeurteilungsprozess. Aber nur selten wachsen Organisationen in einen Freiheitsgrad hinein, wo man ohne “forced distribution” arbeiten kann. Zukunft hat Herkunft, wie es so schön heißt. Lesen Sie gerne mehr unter HR im Wandel – wie wandelt sich Performance-Management?

9-Box-Model

Die typische Vorgehensweise eines Leistungsbeurteilungsprozesses liegt in der rückseitigen Perspektive auf erbrachte Leistung und der nach vorne gerichteten Perspektive auf hebbares Potenzial. Typischerweise werden hierzu 9-Box-Models genutzt. Eins, welches mir gut gefällt, ist von HR-Pepper hier gut beschrieben.

Quelle: HR-Pepper, Link: https://hrpepper.de/…Gefangen-in-der-Matrix.pdf

Wie werden Sie ein guter Leader?

Wieder zurück zu einem modernen Leistungsbeurteilungsprozess. Wie werden Sie eine moderne Führungskraft und ein guter Leader? Gerade im Kontext des Leistungsbeurteilungsprozesses gibt es sehr gute Möglichkeiten, bei Ihren Mitarbeitern zu punkten. Zwei Mal im Jahr zu Stichtagen Feedback zu geben, ist übrigens schlechter Führungsstil. Feedback hat anlassbezogen und umgehend zu erfolgen. Dennoch spielen Leistungsbeurteilungsprozesse eine herausgehobene Rolle und da wir sie tun, können wir sie auch gut, wertschätzend, motivierend und nachhaltig gestalten.

meine Empfehlung

Feedback ist immer dann gut, wenn es so weit wie möglich objektiv, fair und nach vorne gerichtet ist. Sie müssen klar sein in Ihren Rückmeldungen. Bereiten Sie die klaren Aussagen zu Ihrem Feedback sorgfältig vor.

Idealerweise machen Sie sich Gedanken, wie Ihr Feedback relevant werden kann. Beispielsweise orientieren Sie sich an einem Setup, welches die folgenden Kategorien bedient:

  • Fachkompetenz
  • Methodenkompetenz
  • Persönliche Kompetenz
  • Sozialkompetenz
  • und wo notwendig Führung

darüber hinaus schadet es nicht, auf die zeitgemäßen Kompetenzen zu schauen, also ergänzen Sie Ihr Feedback und Ihre Leistungsbeurteilung auf die weiteren Kategorien:

  • neue Dimension (Digitalkompetenz, Business acumen, strategisches Denken, kognitive Flexibilität und Change)
  • Werteorientierung
  • Attitüde
  • Sprachen

Hier mal ein Muster für Sie

nehmen Sie sich Zeit und bereiten Sie sich vor

Nichts ist schlimmer, als unvorbereitet in diese Gespräche zu gehen. Sie haben 45 Minuten Zeit, eine wertschätzende, motivierende und veränderungsauslösende Rückmeldung zu geben. Deshalb nutzen Sie die wenigen Minuten notwendiger Vorbereitung, um diese Gespräche gut durchzuführen. Sie wirken damit auf mittel- und langfristige Sicht deutlich besser.

Fragen Sie hierzu Peer-Feedback ab, fragen Sie andere Vorgesetzte und ggf. Mitarbeiter. Nur mit Ihrer Sicht alleine sollten Sie nicht in das Gespräch gehen.

hören Sie zu

Zu oft teilen Manager direkt mit, was sie denken, was zu tun ist, und lassen zu wenig Raum für Gespräche. Führungskräfte möchten stark aussehen und sind oft unsicher, ob sie Anzeichen von Unrecht zeigen. Ein effektiver Leistungsentwicklungsprozess ist eine gegenseitige Verpflichtung zu Wachstum und Lernen, die wechselseitige Kommunikation und Rechenschaftspflicht erfordert.

werden Sie inhaltlich

Wenn Feedback nur zwei Mal im Jahr erfolgt, geschieht dies meist aus einer distanzierten Flughöhe, die wenig konkret und nicht inhaltlich im Detail ist. Geben Sie Feedback anhand konkreter Beispiele und inhaltlicher Natur.

nehmen Sie das Feedback ernst

Feedback wird gerne als 360°-Ansatz verstanden, was natürlich auch die Perspektive externer Kunden, Lieferanten und Servicepartner einschließen sollte. Üblicherweise werden diese Feedbacks aber nicht eingeholt, wonach der Ansatz auf irgendwas zwischen 180-270° schrumpft. Aber auch damit kann man viel erreichen. Fragen Sie die direkten Kollegen nach Peer-Feedback, Kollegen aus anderen Abteilungen usw. Sie bekommen wertvolle Rückmeldungen, die näher an einer objektiven Sicht liegen.

Und was sollten Sie überhaupt gar nicht tun?

  • unvorbereitet sein
  • wenn Sie da sind, seien Sie da. Nicht kurz angebunden sein, sondern konzentriert
  • keine Vorwürfe, keine Du-Botschaften
  • seien Sie nicht unkonkret
  • Desinteresse killt die Beziehung zu Ihrem Kollegen

Meine Sicht auf modernes Performance-Management

Es gibt vier Bestandteile, die Sie bei der Gestaltung eines Performance Management Prozesses beachten sollten.

Kultur

Offene Kommunikation

Gute Führung

Einsatz nach Fähigkeiten und Interessen

Viel Erfolg bei Ihren künftigen Gesprächen über Leistung und Potenzial!

Beste Grüße

Ihr Marcus K. Reif

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