Wir leben in einer schnellen, volatilen und super dynamischen Welt. Menschen fühlen, dass sich die Aufgabe beschleunigt und der Arbeitstag hoch verdichtet hat. Die Vorzüge der schnellen digitalen Kommunikation nehmen einige als Belastung wahr. Doch häufiger als die Generationen unserer Eltern und Großeltern die Perspektive zu wechseln, kann helfen, die stark angestiegene Lernkurve auch anzuwenden. Viele Menschen lernen jeden Tag aufs Neue hinzu. Doch in der eigenen Rolle, im eigenen Habitat das Erlernte auch sinnvoll gewinnbringend anzuwenden, mag oftmals nicht gelingen. Menschen schauen durch ihre Filter und lassen aufgrund der Verdichtung wenig gelten, was schon ordentlich durch einen Filter kategorisiert wurde. Deshalb ist das ein wichtiges Argument, um häufiger zu wechseln als dies bspw. mein Vater tat. Der wechselte nicht.
“Mein Sohn, in deinem ersten Job musst du mindestens sieben Jahre bleiben, sonst versaust du dir deinen Lebenslauf”
Vielen aus meiner Generation wurde mit der Sozialisierung ihrer Eltern – mein Papa war klassische Generation Baby Boomer – ihr Wertefundament gefestigt. Und etliche aus meiner Generation kennen den vorgenannten Ratschlag. Doch sind die Karrierepfade der Generation Baby Boomer, deren Werte- und Kulturverständnis eins zu eins auf die Generation ihrer Kinder oder deren Kinder übertragbar? Nein. Sichtweisen und Perspektiven verbreiten sich meist innerhalb von Generationen im weitesten Sinne. Viele der Werte, Überzeugungen und Glaubenssätze werden auch an nachfolgende Generationen weitergegeben. Eine typische Form der Sozialisierung, wie sie in Systemen und Organisationen geschieht. Wir beobachten die Wirkung aus dieser Ursache bei der Personalauswahl, bei der Führung, der gelebten Kultur, bei Fragen, wie man Leistung beurteilt und Potenzial einschätzt.
Die Väter der Generation Baby Boomer, die Veteranen, hatten im Schnitt 1,3 Arbeitgeber. Sie wechselten also so gut wie nie ihren Arbeitgeber. Blieben vermutlich sehr lange auf den entsprechenden Rollen, meist 10-15 Jahre oder länger. Das sind unsere Großeltern und Eltern, die für Jubiläen geehrt werden, die unsereins vermutlich nie erleben werden. Eine heute typischen Dynamik in der Ausgestaltung von Arbeitsbereichen und der eigenen Aufgabe waren wenig vorhanden. Die Generation Baby Boomer blieben also fast den ganzen Teil ihrer rund 45-jährigen beruflichen Praxis ihrem Arbeitgeber treu. Das Lebensmotto dieser Generation war “Leben, um zu arbeiten”.
Viele aus dieser Generation haben die letzten 30 Jahren maßgeblich die Kulturen in Deutschlands Unternehmen geprägt. Keine andere Generation war dermaßen Kultur-prägend, wie diese wenigen Damen und deutlich mehr Herren der Baby Boomer. Die ehemalige Deutschland-AG ist eben deshalb eine männerdominierte Monokultur, die wenig Vielfalt und kulturellen Spielraum zuließ. Aus dieser Zeit entstammt das Erfolgsprinzip Ähnlichkeit, welches wir Personaler als homosoziale Reproduktion mit den allseits bekannten Übertragungseffekten und Filtern kennen. Die daraus entstandene fixe Idee des Idealkandidaten beschäftigt uns Personaler bis heute quasi täglich.
Meine Großeltern sind also dort in Rente gegangen, wo sie ihren Job begannen. Meine Eltern hatten 2-3 Arbeitgeber. Meine Generation statistisch gesehen acht Arbeitgeber. Die Gen Y wird wohl bei rund einem dutzend Arbeitgebern liegen. Und die Gen Z? Diese Generation dreht diese Logik um. Die Fokussierung auf Arbeitgeber dreht sich hin zur eigenen Expertise und Kompetenz. Der Job wird eher als Projekt gesehen vs. der gefühlten Lebensentscheidung der Großeltern. Manche Studien prognostizieren bis zu 20 Arbeitgeber für die Gen Z. Wie immer bei Prognosen halte ich es für schwierig, dieser Alterskohorte nun eine Werteerwartung mit auf die Reise zu geben, die sich doch vermutlich ganz anders darstellen wird.
Gehen wir mal auf die Generationen-Mottos ein:
- Generation Z definiert Leben und Arbeiten als fließenden Prozess
- Generation Y lebt zuerst und arbeitet im entgrenzten Gleichklang
- Generation X arbeitet, um zu leben
- Generation Baby Boomer lebt, um zu arbeiten
Generationen
Jetzt sind wir wieder bei den Generationen. Darstellungen von Generationen wohnt immer ein hohes Maß an Pauschalierung inne. Und das ist auch korrekt so, denn über Generationen sprechen heißt, in Teilen unzulässig zu verallgemeinern. Dennoch ist es aus HR-Sicht eingängig, sich mit Blick über diese Generationenkategorisierung ans Werk einer guten Personalpolitik zu machen. Die statistische Anzahl der Arbeitgeber der Generationen und dass sich dieser Wert der Arbeitnehmerloyalität über die Zeit sehr stark verkürzt hat zeigt doch, dass dies ein praxisnahes Instrument ist. Immer eingebettet in wissenschaftliche und praxistaugliche Elemente der Personalstrategie.
lebenslange Karriere hat ausgedient
Die lebenslange Karriere bei einem Arbeitgeber hat ausgedient. Waren unsere Großeltern aus der Generation Baby Boomer ihrem Arbeitgeber statistisch gesehen noch sehr treu, sie wechselten in der Regel nicht oder einmal ihren Arbeitgeber, sind die Generationen Y und Z doch eher zunehmend in einer Projektorientierung unterwegs. Manche prognostizieren ein Dutzend Arbeitgeber für die Gen Y, manche Studien prognostizieren, dass die Gen Z wieder deutlich treuer sein wird. So ist es mit dem Blick in die Zukunft – ihm wohnt ein hohes Maß an Prognoseunzuverlässigkeit inne. Beobachten und messen können wir allerdings eine über die letzten Jahrzehnte hinweg kontinuierlich gestiegene Fluktuation, gerade bei der Frühfluktuation gibt es große Sprünge. Diese werden oft mit der Gen Y verbunden, die als wenig geduldig und wenig kompromissbereit für Kultur und Führungsthemen gilt. Die Karriere wird nicht mehr als Lebensentscheidung betrachtet. Die Angst vor der Berufswahl beim Berufseinstieg, man würde hier nun die Weichen für die nächsten 45 Jahre stellen, hat sich bei den jüngeren Generationen vollständig aufgelöst. Nur die älteren Generationen betrachten noch einen nicht hygienisch keimfreien Lebenslauf für einen Frevel des Lebens.
Sie dürfen die Chance einer neuen Aufgabe nutzen: sich häufig in eine neue Rolle einzufinden, sich ins Team/der Abteilung einzufügen, ihre Stärken einzubringen, Ihr Erlerntes und Ihr Wissen weiterzugeben.
Vorteile von Arbeitgeberwechseln
mit einer neuen Aufgabe steigt die Entwicklungskurve an. Sie wenden Energie auf, um in die neue Rolle, ggf. auch bei einem neuen Arbeitgeber zu finden. Das ruft Ihre komplette Leistungsmöglichkeit ab, erhöht dabei aber auch ihre kognitive Leistungsfähigkeit über den Zeitraum.
üblicherweise brauchen Sie 8-16 Monate, um eine neue Aufgabe vollständig auszufüllen und zu einem 100 %igen Leistungsniveau Ihres Wertbeitrags zu kommen. Darauf folgt allerdings ein Routineplateau – ein Abflachen Ihrer Lernkurve -, auf dem Sie – in Sicherheit Ihres Wertbeitrags – lange Zeit verharren. Dieses Plateau erreichen Sie ungefähr nach fünf bis sieben Jahren.
neue Rollen bringen neue Anforderungen mit sich. Sie sind durch den Rollenwechsel offen, um sich neue Kompetenzen anzueignen. Ihre persönliche Entwicklungskurve steigt dadurch an. Sie eignen sich neue Fähigkeiten an, können bereits erlernte in neuem Umfeld anwenden.
Mittlerweile herrscht in der Personalerwelt, zu denen ich nun auch die Personalberatungen als verlängerte Werkbank des Recruitings zähle, die Auffassung, dass zu wenig Wechsel in einer beruflichen Karriere als eher negatives Attribut für das Kompetenzset einer Person zu werten sind. Mangelnder Ehrgeiz, zu wenig Perspektiven, zu wenig unterschiedliche Systeme, zu wenig “Stretch”, zu wenig strategische Relevanz. Das sind die Kriterien auf der negativen Seite. Und natürlich springt das Gehalt bei jeden Wechsel, das ist für mich aber kein gutes Argument, deshalb nur der dezente Hinweis hier darauf.
Auf Unternehmensseite entsteht bei vielen Arbeitgebern Skepsis am Lebenslauf. Wen hole ich mir hier an Bord und für wie lange eigentlich? Lohnt sich der Aufwand, denn Rekrutierung ist teuer. Es gibt immer zwei Seiten der Medaille und diese hier ist nicht von der Hand zu weisen. Personaler auf Unternehmensseite streben den “Perfect Match” an. Also die Einstellung einer Bewerberin oder eines Bewerbers, der von den Kompetenzen, den Hard- und Softskills ideal zum Anforderungsprofil passt. Begleitet wird dies, neben den obligatorischen Aspekten der Fachlichkeit, von einer Einschätzung der Persönlichkeit, der kulturellen Passung und dem soziokulturellen Fit bzw. der Umfeld-Kompatibilität sowie der Wahrnehmung des kognitiven Leistungspotenzials. Und sind wir mal ehrlich – den Ausschlag am Ende des Selektionsprozesses gibt das Bauchgefühl. Und wenn das immer noch an der Anzahl der Arbeitgeber im Lebenslauf skeptisch ist, wird das nichts.
Ihre Karriere kommt nicht zu Ihnen!
Sie müssen schon zu Ihrer Karriere kommen. Das meint, wenn Sie nicht die Chance zur kontinuierlichen Arbeit an Ihrer Karriere ergreifen, dann geschieht das nicht von alleine. Ein Jobwechsel und auch ein Arbeitgeberwechsel sind Elemente der kontinuierlichen Arbeit, genauso wie lebenslanges Lernen und gutes Networking. Bleiben Sie dran! Und wenn Sie immer noch Totschlagargumente sehen, ignorieren Sie sie!
Beste Grüße
Ihr Marcus Reif
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