Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Im Jahr 1930 prognostizierte der Ökonom John Maynard Keynes seinen Enkeln, sie würden in einigen Jahren nur noch 15 Stunden in der Woche mit der Arbeit verbringen müssen. Mehr wäre nicht nötig. Und es kam anders! Schauen wir, was derzeit geschieht: Gewerkschaften streiten wahlweise für mehr Geld oder weniger Wochenarbeitszeit. Ende 2017 forderten sie die 28 Stundenwoche unter dem Motto “endlich mehr Life als Work“; zumindest temporär als Teil der Forderung nach einer 35-Stundenwoche. Aktuell streiten die Gewerkschaften für die reguläre Woche mit 35 Stunden anstelle der allgemein gültigen 40 Stunden und will so die Wünsche junger Menschen durchsetzen. Viele Tarifverträge sehen heute schon eine 35-Stundenwoche als Standard an und preisen das als Beitrag für die Wünsche der nachfolgenden Generationen. Doch ist weniger Arbeit der Kernwunsch der Generation Y und Z? Verwechseln die Gewerkschaften dabei nicht Ursache und Wirkung? Geht es wirklich nur um die Adjustierung der Wochenarbeitszeit? Natürlich nicht. Es geht nicht um Symbolpolitik mit ein paar Stunden mehr oder weniger die Woche. Das geht an der Realität der Tätigkeiten sowieso weitestgehend vorbei. Die Wünsche drehen sich um New Work!

Wir organisieren Arbeit immer noch wie vor 60 Jahren. Abschied vom 8-Stunden-Tag, der 40-Stundenwoche und Command & Control #NewWork

New Work ist was ich wirklich, wirklich will

Nicht nur die jüngeren Kollegen wünschen sich zukunftsweisende und sinnstiftende Arbeit. Dabei müssen wir uns lösen von der Metaebene, die sich um den Begriff “New Work” gebildet hat. Wir müssen über die Frage sprechen, wie wir Arbeit im Einklang mit der Digitalisierung und dem Wertewandel organisieren! Im Zuge des vielschichtigen Wandels der Arbeitswelt geht es um die Frage, wie wir die Arbeit innovativ definieren und so organisieren, um weiterhin einen steigenden Beitrag zur Unternehmensstrategie zu liefern. Dabei geht es nicht um Verkürzung von Hierarchien, agilen, holokraten oder ambidextren Organisationsformen, es geht nicht um Homeoffice, Vertrauensarbeitszeit und eben nicht um weniger Wochenarbeitsstunden! Wir reden über moderne Führung, Digitalisierung, wie wir hochautomatisierte Arbeit organisieren, Freiraum und Teilhabe gewähren und Menschen einen Sinn für ihre Aufgabe geben.

Arbeitspsychologisch ist es übrigens erwiesen, dass ein hochproduktiver Arbeitstag bei sechs Stunden liegt. Die Konzentration lässt bereits nach acht Stunden merklich nach. Arbeitstage von mehr als 12 Stunden lassen die Risiken für Fehler, Stressentscheidungen und die Gesundheit exorbitant steigen. Die Kultur, Menschen über mehr als 12 Stunden am Tag  am Arbeitsplatz präsent zu halten, ist medizinisch und arbeitspsychologisch erwiesenermaßen dysfunktional. Und dennoch ist dies in etlichen Unternehmen bis heute der Weg zur Karriere.

In Deutschland gehört es immer noch zur Kultur und zum guten Ton, permanent gestresst zu sein. Ein Beweis, ein Hochleister zu sein.

Henry Ford führte die 40-Stundenwoche ein

Und dabei brach Ford über Dekaden hinweg gelebte Traditionen! Seit Henry Ford hat sich am Ansatz, wie wir Arbeit organisieren, wenig getan. Die Technologisierung brachte uns das Internet, Mobiltelefone und Notebooks, zunehmende Automatisierung und Steuerung durch prozessbegleitende IT. Eine Errungenschaft daraus ist räumliche Flexibilität “wo wir arbeiten” und zeitliche Flexibilität “wann wir arbeiten”. Denn der Charakter der Tätigkeit ist schon seit Jahren nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden. Arbeit ist das, was wir tun. Nicht der Ort, zu dem wir gehen. Hundert Jahre später gehört das Modell, welches Ford populär machte, in vielen Ländern zum Alltag: acht Stunden Arbeit, acht Stunden Leben, acht Stunden Schlaf. Die Arbeitswelt beschäftigt alle – Personaler, Unternehmen, Gewerkschaften und Arbeitnehmer. Deshalb ist die Forderung nach Anpassung der Wochenarbeitszeit keine falsche. Es gilt, eine Balance zu finden zwischen angemessener Bezahlung und verdienter Freizeit. Denn unser Arbeitstag ist hoch verdichtet, deutlich komplexer noch als zu Zeiten meines Vaters beispielsweise und nochmals deutlich komplexer als zu Zeiten von Henry Ford. Das führt natürlich immer häufiger zu Belastungssituationen, die an die individuellen kognitiven Leistungsgrenze stoßen lassen. Dabei lassen wir auch völlig außer Acht, wie sehr sich die Arbeit für das Gros der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer gewandelt hat. Als Henry Ford seine 40-Stundenwoche einführte, galt diese noch einer körperlich anstrengenden Tätigkeit. Heute sitzen viele am Schreibtisch. Der “Blaumann” wandelte sich zum Wissensarbeiter. Die physische Beanspruchung wandelte sich zu einer psychischen.

Arbeit ist das, was wir tun. Nicht mehr der Ort, zu dem wir gehen #NewWork

Seit 100 Jahren nun haben wir in Deutschland den 8-Stunden-Arbeitstag und seit den Sechzigern eine fünf-Tage-Arbeitswoche. Die seitdem gültige Regelung besteht aus 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Freizeit und 8 Stunden Schlaf. Realistisch gilt dieser Dreiklang kaum noch. Das Pendeln zum Arbeitsort wurde intensiviert, der Verkehr ist so verdichtet, dass selbst Kurzstrecken von 20 km in der Rushhour locker eine Dreiviertelstunde Zeit kosten. Pausen werden geschliffen und die Präsenzzeit hält sich nicht wesentlich an die 8 Stundengrenze. Was dazu führt, dass wir “für den Job” eher 11-12 Stunden unterwegs sind, keine 8 Stunden Schlaf erhalten und der Rest maximal verdichtet das Leben, die Familie, die Kinder, häusliche Verpflichtungen und ein paar Freizeitaktivitäten absorbiert.

Wie schnell wird sich die Arbeitswelt verändern?

Die Arbeitswelt ändert sich zäh und langsam. Wir halten nicht Schritt mit der hohen Dynamik und Volatilität der Geschäftsmodelle im Wandel. Was passierte die letzten 10 Jahre in der Arbeitswelt? Homeoffice gab es schon 2008. Das iPhone startete seinen technologisch-disruptiven Siegeszug ein Jahr vorher. Flexible Arbeitszeitmodelle gab es vor zehn Jahren ebenfalls schon. Also was haben wir eigentlich erreicht?

Wir haben eine Vorstellung davon, wie sich unsere Geschäftsmodelle ändern. Aber haben wir eine konkrete Idee, mit welchem Modell wir die Arbeit organisieren wollen? Personaler diskutieren über “dysfunctional HR” und die populären Unzulänglichkeiten des Dave-Ulrich-Modells aus deren Sicht. Wir machen uns viel zu wenig strategische Gedanken dazu, wie Arbeit der Zukunft und insbesondere Personalarbeit der Zukunft aussehen muss. 37 Prozent der Millennials befürchten laut einer Gallup-Studie, ihren Job in den nächsten 20 Jahren durch künstliche Intelligenz zu verlieren. Und ich bin sicher, dass ⅔ unserer Kinder Jobs haben werden, die es heute noch nicht gibt. All das zeigt auf, wie sich die Arbeitswelt und deren Organisation ändern muss.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter

Und es geht weniger um das Managen der Arbeitszeit oder in vielen Fällen der Präsenzzeit als Simulation von Beschäftigung. Es geht in der Wissensgesellschaft vielmehr um Energiemanagement. Der Blog arbeit-abc.de hat einen sehr guten Beitrag hierzu verfasst: “Wir leben in Zeiten, in welchen der Arbeitsalltag immer schneller und komplexer wird. Die Arbeitstage werden zwar nicht länger, dafür aber kompakter. Luft zum Durchatmen bleibt da häufig keine mehr.” – Zeitmanagement ist „out“ – Energiemanagement ist „in“!

Kontrollfanatiker torpedieren die Produktivität, das hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie beschrieben. Der digitale Wandel führt in vielen Unternehmen zu neuen, flexiblen Arbeitszeitmodellen. Homeoffice und Teilzeit sind immer öfter möglich und nötig. Dafür ist Vertrauen unerlässlich. Vertrauen fördert die Produktivität und kann ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein.

Mehr Homeoffice und flexible Arbeitszeiten – die Digitalisierung macht es möglich. Chefs stellt das jedoch vor ein Problem: Die direkte Kontrolle über die Mitarbeiter wird schwieriger. Doch wer sein Team weniger stark kontrolliert, kann die Zufriedenheit und Produktivität der Angestellten langfristig steigern, zeigt die IW-Studie.

Quelle: iwkoeln.de/…/…-vertrauen-ist-gut-kontrolle-ist-schlechter

Was wir erreichen müssen

Unser strategischer Wertbeitrag des Personalwesens ist gering, deshalb gibt es auch so wenig Personalvorstände. Wir liefern nicht die Relevanz, die uns berechtigen würde, mit am Tisch zu sitzen. Wir müssen Augenhöhe mit dem Business erreichen. Das Klischee von „zu bürokratisch, zu langsam, keine Ahnung vom Geschäft“ trifft uns ja ins Mark. Walter Jochmann hatte in seiner 2018er Keynote in Ehreshoven sehr intellektuell und treffend beschrieben, dass mehr als ⅔ unserer Arbeit aus rein personaladministrativen Prozessen besteht und wir deshalb nicht strategisch wahrgenommen werden (können). Für die Transformation in den Unternehmen sehen uns weniger als 10 % der Unternehmenslenker als den richtigen Ansprechpartner. Wir konzentrieren uns heute auf Steuerung, Organisation, Administration. Und das erbringen wir in einer Form von HR als Expertenfunktion, dienend und mit hoher Ausprägung an Kunden- und Serviceorientierung.

Die Menschen sind anspruchsvoller geworden. Gleichwohl nimmt das Gefühl zu, dass sich Arbeit und Leben fortlaufend entgrenzen. Die Digitalisierung mit Smartphone- und Tablet-Durchdringung der Mitarbeiterschaft leistet hier einen Beitrag zu einem zunehmenden Gefühl der Hektik, des getrieben seins. Das Bedürfnis, sich vom normalen 8-Stunden-Tag zu verabschieden, lieber mal private Bedürfnisse in den Tag einbauen, dafür abends und am Wochenende ein paar Stunden Zeit für den Job investieren, steigt. Und das Arbeitsschutzgesetz sieht dafür kaum Spielraum. Auch auf EU-Ebene gibt es keine Öffnung für die flexible Arbeitszeitgestaltung. Dies ist vornehmlich noch individuelle Verhandlungsarbeit innerhalb der mitbestimmten Unternehmen oder Tarifpolitik.

Die Menschen sind anspruchsvoller geworden. Gleichwohl nimmt das Gefühl zu, dass sich Arbeit und Leben entgrenzt. Die Digitalisierung mit Smartphone- und Tablet-Durchdringung der Mitarbeiterschaft leistet hier einen Beitrag zu einem zunehmenden Gefühl der Hektik, des getrieben seins.

Komplexität der Gegenwart ist mit dem Arbeitsschutzgesetz nicht mehr zu regeln

Das Arbeitsschutzgesetz regelt beispielsweise, dass wir am Tag 8 Stunden arbeiten, aber höchstens 10 Stunden, und das bei einem 24-Wochen-Schnitt. Darauf folgen Ruhezeiten zur Erholung von 11 Stunden und eingebettet in ein Pausenmodell. All das gilt der Erholung und war adressiert an die hart arbeitende Belegschaft, die Henry Ford im Sinne hatte. Die Komplexität und Verdichtung der heutigen Arbeitstage lassen sich mit diesem Modell nicht mehr verlässlich regeln.

8-Stunden-Arbeitstag abschaffen

Wir müssen den 8-Stunden-Arbeitstag abschaffen. Nur beschäftigt zu sein reicht nicht, um erfolgreich zu sein. Wir müssen viel deutlicher den Wertbeitrag messen, nicht die Zeit des Rumhockens. Nur präsent zu sein macht noch keine herausragenden Resultate! Wir klammern uns immer noch an Kontrolle – Command & Control ist das vorherrschende Führungsprinzip – und heben dabei keinerlei kreatives Potenzial, geschweige denn, wir würden Leidenschaft und Motivation hebeln. Wir lassen damit ungehobenes Potenzial liegen.

Variabilität – Flexibilität – Vertrauen – Verantwortung!

Wir führen derzeit viele Diskussionen darüber, was für die Arbeitswelt 4.0 nun richtig ist. Die einen sprechen über skalierte Agilität, die anderen über Ambidextrie, andere über Holokratie. Personaler halten sich mit Mikromanagement-Gejammer über Funktionalität oder Dysfunktionalität des Dave-Ulrich-Modells auf. Wichtig ist, dass wir die konventionelle Organisation weiterentwickeln. Die Attribute hierfür sind Variabilität der Organisation, Flexibilität des Arbeitsmodells, Vertrauen der Führungskräfte und damit Abschied von “Command & Control” und deutlich mehr Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um sich eigenverantwortlich selbst zu organisieren. Wir brauchen neue Spielregeln, wie wir Arbeit organisieren. Das umfasst Führung, Organisation und die Messbarkeit unseres Wertbeitrags. Mitarbeiter müssen motiviert wirken dürfen, maximale Handlungsspielräume und Verantwortungsbereiche haben.

Führung muss näher an das Problem heran. Nehmen wir mal das Beispiel der Feuerwehr und der Polizei. Die Feuerwehr führt ihre Einsätze von vorne – direkt an der Einsatzstelle. Die Polizei führt von hinten – aus einem Lagezentrum heraus. Führung in Unternehmen muss agieren wie die Feuerwehr. Wir müssen sehen, was passiert, Probleme beobachten, mittendrin in der Diskussion sein und als Teil eines eingespielten Teams führen. Das ist Leadership!

Lassen wir die Arbeitszeit fallen. Denken wir drüber nach, vom Resultat her zu führen. Machen wir unsere Mitarbeiter verantwortlich. Das entspricht den Wünschen der Menschen. Weniger Arbeit steht nicht oben auf der Agenda!

Beste Grüße

Ihr Marcus Reif

Print-Veröffentlichung

Magazin Diamond Business 2/2020

Magazin HR-Performance 5/2018

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Quelle: HR Performance 5/2018, www.hrperformance-online.de.

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