Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Wir gehen in den zweiten Corona-Winter und in Gesprächen mit Kollegen, Freunden und Bekannten wird eine gewisse Resignation spürbar. Ich bin sicher, wir stehen vor einer großen Kündigungswelle. Wie ich zu dieser These komme? Bauchgefühl. Aber auch einige Studien und Statistiken stützen dies. Viele Mitarbeiter haben die letzten 18 Monate abgeschottet zu Hause gearbeitet, der Austausch war größtenteils virtuell und auf Distanz, selten physisch im Office. Das Gefühl der sozialen Isolierung nahm von Beginn an zu, was wir “Zoom Fatique” nennen, angelehnt an das populäre Videokonferenzsystem Zoom. Schauen wir uns doch mal ein paar Argumente gemeinsam an.

Loyalität zum Arbeitgeber sinkt

Kaum noch jemand plant seinen Renteneinstieg bei seinem ersten Arbeitgeber. In allen Branchen lässt sich beobachten, dass Menschen in einem Arbeitgeberwechsel eine Chance sehen; und diesen eben häufiger vornehmen als dies noch die Generation ihrer Eltern oder Großeltern tat. Fluktuation ist heutzutage ein normaler Aspekt unserer Arbeitskultur. Menschen gehen, viele deutlich früher als geplant, erhofft oder erwartet. Andere kommen. In beidem gibt es Chancen.

Stellenausschreibungen steigen

Annina Hering hat auf Twitter die nachfolgende Grafik geteilt. Im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie sind die Stellenausschreibungen auf Indeed um fast 35 % gestiegen.

Darüber hinaus bot sicherlich die Pandemie genügend Anlass, das eigene Wirken zu hinterfragen und sich die New-Work-Frage zu stellen, was ich wirklich, wirklich will. Dazu kommen natürlich noch die Erfahrungen mit dem aktuellen Arbeitgeber. Kurzarbeit, schlechte Führungsentscheidungen, Führungskräfte, die aus der Distanz nicht empathisch genug, sondern mit Druck führten und viele Eindrücke mehr. Mangelnde Wertschätzung kann ein signifikanter Treiber für die Wechselbereitschaft sein.

Wechselbereitschaft steigt in den USA

Millionen Amerikaner haben die Pandemie zum Wendepunkt in ihrem Leben gemacht. Sie lassen ungeliebte Jobs hinter sich und verwirklichen neue Ideen oder lang gehegte Träume. Oder sie suchen sich einfach ein Unternehmen, das besser zahlt, oder einen Chef, der sich besser benimmt

Quelle: Spiegel.de – Kündigungswelle in den USA. Warum Amerikas Arbeitgebern die Beschäftigten weglaufen

Wechselbereitschaft fällt hier auf noch fruchtbareren Boden

Wir können davon ausgehen, dass der Trend der USA auch hierzulande kommen wird. Allerdings wird dieser in Deutschland auf einen anderen Arbeitsmarkt fallen. Der demografische Wandel fällt auf den Wertewandel der nachkommenden Generationen und wird durch die schleppende Digitalisierung ergänzt. Kurzum: die Wechselbereitschaft fällt hier auf noch fruchtbareren Boden, da wir einen ausgeprägten Arbeitnehmermarkt mit breiten Engpassvakanzen und Talenteknappheit haben.

Schauen wir uns die Treiber der Wechselbereitschaft an.

Treiber für Wechselbereitschaft

Aus meiner Sicht bewegen wir uns in einem Mehrklang verschiedener Aspekte:

  • aufgeschobene Arbeitgeberwechsel
  • Stagnation/Resignation im Job/der Karriere durch die Pandemie
  • fehlender Sinn und mangelnde Wertschätzung
  • soziale Isolation durch Pandemie begünstigt Wechselbereitschaft

aufgeschobene Arbeitgeberwechsel

Analog der Inflationsrate, die dieses Jahr auf seltene Höhen schnellt und durch “Nachholeffekte” durch die Pandemie erklärt werden, kann man auch die aufgeschobene Fluktuation erklären. Auch auf Unternehmensseite wird das Thema angeschoben: Die Unternehmen haben zu Beginn der Pandemie Open-Management betrieben. Viele angedachte Investitionen wurden aufgeschoben, Einstellungen wurden auf die lange Bank geschoben, fluktuationsbedingte Vakanzen wurden nur im nötigsten Fall durch eine Einstellung ersetzt. Wir sehen viele Arbeitgeber vor einem Investitionsstau und hier gilt natürlich auch die alte Regel: jeder neu besetzte Stuhl macht irgendwo einen anderen frei. Das wird ein Recruiting-Kreislauf auslösen.

Viele von Mitarbeitern beabsichtigte Arbeitgeberwechsel sind aufgrund der Risikoabwägung – will ich mir jetzt eine Probezeit antun? – und deutlich gesunkenen Vakanzen bei den Arbeitgebern aufgeschoben. Diese werden in der nun abklingenden Pandemie und Normalisierung des Angebots und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nachgeholt. Den Scheitelpunkt der Pandemie haben wir hinter uns, die Unternehmen stellen wieder verstärkt ein und suchen nach neuen Mitarbeitern.

Schauen wir uns die Gründe für die von mir prognostizierte Kündigungswelle aus Sicht der Arbeitnehmer an:

Stagnation der Karriere

Natürlich hat die COVID-19-Pandemie auch viele natürliche Promotionzyklen in den Unternehmen übersprungen. Geplante Beförderungen fanden nicht statt, die Karriere und die Gehaltsentwicklung stagnierten. Mancher war dankbar, dass sein Job oder gar der Arbeitgeber noch existierten, andere sind frustriert, weil die Beförderung ausblieb. Dankbarkeit gibt es im Kontext der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nun mal nicht.

Arbeitnehmer ziehen einen Arbeitsplatzwechsel aus vielen Gründen in Betracht. Der Dreiklang “Menschen kommen wegen des Brandings, sie bleiben wegen der Kollegen und Inhalte und sie verlassen ihre Führungskräfte” (Beitrag: Talente kommen wegen der Reputation, sie bleiben wegen der Aufgabe und sie gehen wegen Führung) gilt natürlich auch hier, doch differenzieren wir. Das Gefühl, ich möchte wechseln, entsteht natürlich aus verschiedenen Treiben. Der Wunsch nach anderen Arbeitsbedingungen, ein Sprung in der Gehaltsentwicklung, mehr Chancen oder andere, weitere Tätigkeitsfelder, mehr Teamverantwortung. Übrigens: wer für Geld kommt, geht für Geld. Wer für Geld bleibt, wird für Geld dennoch gehen.

fehlender Sinn und mangelnde Wertschätzung

Purpose-driven Organization ist ein Schlagwort, welches Personaler seit Jahren verwenden, um den nötigen Kulturwandel in den Unternehmen zu beschreiben. Der fehlende Sinn in der Tätigkeit ist vielen Arbeitnehmern durch die Pandemie erst entmantelt worden. Was vorher in Routinen und Abläufen versteckt war, ist durch die Arbeit nahe an der Leistungsgrenze offen zu Tage getreten. Menschen wünschen einen Sinn in ihrer Tätigkeit. Und fehlt dieser, steigt die Wechselbereitschaft.

Und hier fällt natürlich noch ein Aspekt mit rein. Manche Unternehmen wollen unbedingt die Mitarbeiter wieder im Büro sehen. Die Wünsche gehen allerdings mit großer Mehrheit auf ein hybrides Modell mit 2-3 Tagen flexibler Arbeit von zu Hause. Werden diese Wünsche nicht bedient, steigt die Wechselbereitschaft. Das ist auch eine Sinnfrage: welchen Sinn hat es, im Büro zu arbeiten, außer, dass man da “unter den Augen des Herrn” hockt?

Wenn uns die vergangenen 18 Monate etwas gelehrt haben, dann, dass sich die Beschäftigten nach Investitionen in den menschlichen Aspekt der Arbeit sehnen. 40 Prozent der rund 6.000 Befragten halten demnach einen Wechsel in den kommenden Monaten für mehr oder weniger wahrscheinlich

Quelle: Studie von McKinsey

soziale Isolation begünstigt Wechselbereitschaft

Wer fühlt sich nicht total gestresst durch die Arbeitssituation während der Pandemie? Wir dürfen nicht unterschätzen, dass der Druck, nun auf Distanz die gleiche Performance zu erreichen, uns alle an die kognitive Leistungsgrenze brachte. Und manche eben darüber hinaus. Das Gefühl, einen Neustart zu brauchen, wird die Wechselbereitschaft befeuern. Denn Empathie, Achtsamkeit, Resilienz, Balance sind essenzielle Bestandteile in der Führung und werden doch traurigerweise zu oft ignoriert.

Burnout-Fälle steigen, titeln viele Medien. Nun ist ein Burnout erst einmal kein Verwundetenabzeichen, nichts, auf was man stolz sein sollte. Burnout wird aus meiner Beobachtung teils falsch verstanden. Zum einen ist es keine Modekrankheit, sondern existiert seit 150 Jahren. Der IC-Code der Krankheit Burnout ist die gleiche medizinische Kodierung wie für die Erschöpfungsdepression. Und nennen Sie mir Menschen, die gerade nicht erschöpft sind!

Die soziale Isolation ist ein wichtiger Faktor. Ich habe meine Kolleginnen und Kollegen ebenfalls befragt, was ihnen derzeit am meisten fehlt: Der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen. “Jeder Stoff ist giftig, es kommt nur auf die Dosis an“, sagte mein alter Chemielehrer gerne. Und so ist es bei der Organisation der Arbeit ebenso. Wir dürfen nicht von dem einen Extrem – 100 % Büropräsenz – ins andere rutschen – 100 % Remote-Arbeit. Beides ist schlecht. Die ideale Lösung ist eine Steigerung der Arbeitsortflexibilität. Hier eignet sich das oben erwähnte hybride Modell mit 2-3 Tagen flexibler Arbeit. Bieten Sie hier nicht mitarbeiterorientierte und adäquate Arbeitsmodelle an, wird die Wechselbereitschaft steigen.

Umbruch am Arbeitsmarkt – Bis 2030 droht bis zu vier Millionen Deutschen Jobwechsel

Quelle: mckinsey.de/…/mckinsey-global-institute-future-of-work-after-covid-19

Corona-Pandemie beschleunigt Trends in Arbeitswelt und Gesellschaft

COVID-19 hat insbesondere drei Trends beschleunigt, analysierte das McKinsey Global Institute:

  • den Trend zum mobilen Arbeiten,
  • zu eCommerce und virtuellen Interaktionen sowie
  • zur Automatisierung von Produktion und Prozessen und dem Einsatz von KI-Technologien

„Diese Trends werden die Umwälzungen und Veränderungen von Arbeitsplätzen in den nächsten zehn Jahren weiter beschleunigen“, stellt McKinsey-Partner Tilman Tacke fest. Weltweit dürften über 100 Millionen Arbeitnehmer betroffen sein – von Umschulungen und Weiterbildungen oder gar von Jobwechseln.

Wie sollten Unternehmen auf diese Prognose reagieren?

Recruiting arbeitet meist sehr reaktiv, das Personalwesen ebenfalls. Wir sind selten agierend, haben wenig das Heft des Handelns in der Hand. Wir agieren leider in weiten Teilen fremdgesteuert durch das Business, was auch erst einmal nicht verwerflich ist. Doch richtig ist das nicht, nur weil es die Mehrheit so geschehen lässt. Wir können Fluktuation vorhersehen! Und wir können uns so aufstellen, dass eine Kündigungswelle nicht den ganzen Laden lahm legt.

Bleiben Sie realistisch. Sie können Kündigungen Ihrer Mitarbeiter nicht vermeiden. Sie können aber vorbereitet sein, schnell in der Nachbesetzung zu sein und wertschätzend mit der Kollegin/dem Kollegen, der sich für einen anderen Weg entschied.

  • Identifizieren Sie Ihre Schlüsselmitarbeiterinnen und -mitarbeiter
  • führen Sie gute Personalgespräche mit diesen Kollegen
  • vertiefen Sie die gemeinsame Karriereplanung, geben Sie eine Perspektive
  • verdeutlichen Sie den Sinn in der Fortführung der Karriere bei Ihnen
  • überprüfen Sie die Leaving-Kultur Ihrer Firma. Werden Mitarbeiter, die kündigen, behandelt wie Aussätzige?
  • sprechen Sie mit Ihren Führungskräften. Sie sind diejenigen, die Ihre Leaving-Kultur umsetzen müssen. Sie müssen vorbereitet sein, wenn Kollegen anfangen, zu kündigen
  • sollte eine der Schlüsselkollegen kündigen, unterbreiten Sie ein Konterangebot
  • die Führungskräfte sind hierfür zuständig
  • investieren Sie in Weiterbildung. Ihr Bereich Learning & Development ist ein Schlüssel zu weniger Fluktuation
  • überlegen Sie bei der Rekrutierung, wie wichtig Ihnen noch die Präsenz ist. Talente sind weniger mobil, die Pandemie zeigt, dass es auch mit hohem Remote-Anteil gelingen kann
  • auch die Einführung von flexiblen Arbeitsmodellen sind für Ihre Mitarbeiter ein echter Benefit. Je flexibler ihre Kollegen arbeiten dürfen – hybrid, von zu Hause, aus dem Büro, zeitlich nicht an Kernzeiten gebunden –, desto höher die Zufriedenheit und desto geringer die Fluktuation
  • nutzen Sie Ihre Mitarbeiter als Botschafter und etablieren Sie ein Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programm
  • stellen Sie Ihre Recruiting-Abteilung für die Zukunft auf. Noah hat die Arche auch vor der Flut gebaut
  • stellen Sie das nötige Budget für Personalmarketing-Maßnahmen zur Verfügung
  • denken Sie an aktive Sourcingkanäle, nur mit “post & pray” wird Sie die Kündigungswelle hart treffen
  • modernisieren Sie jetzt schon Ihre Recruiting-IT
  • kennen Sie die wichtigen Talente Ihrer Branche in den verschiedenen Berufsfeldern und Job-Familien? Nein? Sie brauchen ein Talent-Relationship-Management
  • knüpfen Sie Kontakte zu den relevanten Headhuntern Ihrer Branche
  • etablieren Sie eine Nachfolgeplanung für die als erstes identifizierten Schlüsselrollen
  • und mein letzter Tipp: entfernen Sie die toxischen Führungskräfte und Kollegen. Sie sind der Treiber für Fluktuation

Wünsche viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Beste Grüße

Ihr Marcus K. Reif

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