Wie messen wir unseren Wertbeitrag?
Mein Lieblingseinstieg in dieses Thema ist das oft belauschte Zitat innerhalb Unternehmen, dass HR nur ein Kostenfaktor ist, wenig Konkretes zum Geschäftserfolg oder zur Geschäftsstrategie beiträgt. Aus diesem Grund ist mein Appell, dass wir HR-Arbeit aus der Perspektive des Business denken und gestalten müssen. Mehr zu diesem Thema gerne unter meinem Blog-Beitrag:
Appell an einen CHRO: Weshalb das Business die HR-Abteilung belächelt – oder weshalb HR geschäftserfolgskritisch wirken muss
Also hören wir auf, den anderen bei der Arbeit zuzuschauen. Runter von der Tribüne, rauf aufs Spielfeld
Aber zurück zur Präambel. Wie können wir als HRler deutlicher und klarer unseren Wertbeitrag für den Geschäftserfolg und zur Erreichung der Geschäftsstrategie unterstreichen als durch valide KPIs. KPIs geben uns messbare Aspekte unserer Arbeit an die Hand, mittels deren wir Entwicklungen auf Erfolg prüfen können, Budget- und Investitionsentscheidungen untermauern und Kulturveränderungen stärker priorisieren können. Als Beispiel: in der jährlichen Mitarbeiterbefragung wird der Wert des gefühlten Engagements der Belegschaft schlecht bewertet. Dies ist ein KPI, den man in der Gesamtstrategie als messbare Veränderungsgröße niederschreiben kann. Und in den Jahren darauf konkret deren Veränderung messen und daraufhin Anpassungen an die Strategie vornehmen. All das sind ganz konkrete Beispiele, um mit KPIs den Wertbeitrag der HR-Abteilung zur People-Strategie und zur Gesamt-Strategie im Kontext darzustellen.
Bleiben wir mal bei den relevanten KPIs, die für jedes Unternehmen eine HR-spezifische Wichtigkeit haben sollten:
Gesamterfolg der Arbeitgebermarke
- Platzierung bei Arbeitgeberrankings (Trendence, Universum, Career’s best Recruiter usw.)
- Platzierung bei Potentialpark
- weitere Awards (siehe auch meinen Beitrag hierzu)
- Engagement-Score (Mitarbeitermotivation)
- SWOT-Analyse der eigenen Arbeitgebermarke (und im Vergleich zum direkten Wettbewerb sowie den besten Benchmark-Unternehmen)
- Markenwahrnehmung unserer Employer-Brand vs. den gewichteten Präferenzen der Zielgruppen
- Wettbewerbsvergleich der Branche (oder Region)
- Ranking/Platzierung nach Geschlecht
- Ranking-Analyse nach Detailstufen innerhalb des Recruiting-Trichters
- Befragung der neuen Kolleginnen und Kollegen
Wie Sie sehen, mische ich ganz bewusst interne und externe Messpunkte. Aus meiner Überzeugung heraus ist das Employer-Branding die Sichtweise auf den Arbeitgeber aus allen Perspektiven. Ich kann nicht bei Vertragsunterzeichnung auf die Betrachtung der Mitarbeiter auf die tatsächliche Arbeitgeberattraktivität im Alltag gemessen Halt machen.
Die Entwicklung der KPIs in den Folgejahren muss Teil der KPI-Taktik sein. Also Vergleich der Ergebnisse aus dem Jahr 2012 zu 2013 zu 2014 und ff. Erst dadurch lassen sich gesamtunternehmerische Entscheidungen auch in den weichen Messpunkten ablesen.
Hochschulmarketing
- Anzahl Zielhochschulen
- Anzahl relevanter Studierender in Deutschland
- Anzahl der Zielhochschulen und Aktivitäten vor Ort
- Anzahl Messen an Hochschulen
- Anzahl Kontakte zu Studierenden über diese Messen
- Anzahl qualifizierter Bewerbungen über diese Hochschulen
- Kosten pro Bewerbung via Messen
- Anzahl der Vorlesungen an Hochschulen
- Anzahl der Workshops an Hochschulen
- Kontakte zu Professoren
Einzelne Prozesse aus den HR-Bereichen, die mit KPIs unterlegt werden können. Über welche KPIs sollte man sich zumindest Gedanken machen, ob diese für das eigene Unternehmen von Belang sein könnten? Nicht berücksichtigt dabei ist, ob Sie in Ihrem Unternehmen überhaupt die technischen Reportingmöglichkeiten haben, diese Aspekte strukturiert zu messen.
Recruiting-Prozess
- Anzahl Bewerbungen
- Anzahl weiblicher und männlicher Bewerbungen
- Anzahl Bewerbungen (nach Seniorität, Kompetenzfeldern und Karrierewegen, nach Geschlechtern und Vielfalt der Profile
- Qualität der Bewerbungen (Absagen im ersten Schritt, Rendite aus 100 Bewerbungen mit “Yield”, Offer-Rate, Offer-Acceptance-Rate usw.)
- Anzahl Interviews
- Offer-Rate (vs. Gesamtbewerbungen sowie vs. Interviews)
- Offer-Acceptance-Rate
- Einstellungen
- Einstellungen vs. Plan
- Einstellungen nach Seniorität, Geschlecht, Bildungsabschluss, Sourcing-Kanal, Kosten
- Kosten pro Einstellung/Cost per Hire
- Kosten pro Bewerbung
- Time to Hire
- Time per Review (ggf. auch mehrere Schritte, abhängig von Ihrem Selektionsprozess)
- Time to Interview
- Time to Offer
- vollständige Prozesskostenbetrachtung für die ganze HR-Funktion sowie die untergeordneten Disziplinen, bspw. Learning, Recruiting, Employer-Branding usw.
- Anzahl geschalteter Stellenanzeigen (auf der Karriereseite)
- Anzahl extern geschalteter Stellenanzeigen auf Jobbörsen
- Sourcing-Mix-Reporting (Anteil Bewerbungen nach Jobbörse, Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programm usw.)
- Zufriedenheit mit dem Recruiting-Prozess (Befragung der eingestellten Kollegen sowie der nicht eingestellten Kollegen)
Internet-Aktivitäten
- aktuelle Karriereinternetseite
- Aktualisierungen pro Woche
- aktuelle Social-Media-Plattformen (Twitter, Facebook usw.)
- Aktualisierungen pro Tag
- Anzahl Fans
- Anzahl an Interaktionen und Dialoge
- Bewertung auf Kununu.com
- Anzahl Bewertungen (positive und negative)
- Anzahl Kommentare
- Volumen Media-Kampagne
- Kosten pro Ad-Impressionen
- Kosten pro Klick
- Mediakosten pro Bewerbung
- Mediakosten pro Einstellung
Personalberatungen
- Anzahl bevorzugter Dienstleister
- durchschnittliche Honorarhöhe nach Seniorität
- durchschnittliche Kosten pro Einstellung
- Anteil Personalberatungen am Sourcing-Mix
- Entwicklung der Fluktuation berufserfahrener neuer Kollegen
HR-KPIs
Wichtige KPIs aus HR-übergeordneter Sicht mit Bezug zu Recruiting sind unter anderem:
- gesteuerte Fluktuation
- ungesteuerte Fluktuation
- Höhe Fluktuation während der Probezeit (Früh-Fluktuation)
- Trainingskosten pro Mitarbeiter
Machen Sie hierzu eine Management-Summary. Diese kann zum Beispiel wie folgt aussehen:
Personalentwicklung
- Ausbildungsquote
- Qualität der Karrierepfade
- Übernahmequoten aus den Ausbildungsgängen
- Anzahl jährlicher Trainings und Weiterbildungen je Mitarbeiter
- Weiterbildungskosten pro Mitarbeiter
Personalkosten
- Gesamtkosten Personalkörper
- Durchschnittskosten je Über- und Urlaubsstunde
- Überstundenentwicklung
- Gesamt-HR-Kosten (Anteil HR an Gesamtorganisation)
- Gesamtkosten interne Funktion
Personalführung
- Anzahl direkt unterstellter Mitarbeiter pro Führungskraft
- Anteil der als Mentoren tätigen Führungskräfte
- Anteil der Führungskräfte-Coachings
Personalstruktur
- Personalbestand nach Organisationseinheiten
- Frauenquote nach Positionen, Funktionen, Segmenten
- Behindertenanteil
- Durchschnittsalter der Belegschaft
- Generelle Altersstruktur
- Altersstruktur nach Positionen und Funktionen
Dies sollten KPIs sein, die Sie regelmäßig dem Vorstand oder der Geschäftsführung reporten. Erst dadurch können wichtige Entscheidungen, die unter Zeit- oder Budgetdruck erfolgen, im Kontext gefällt werden. Nur wenn die Implikationen klar sind, lassen sich Fehlentscheidungen frühzeitig vermeiden und nicht erst regulieren, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Das Clustering/die Gruppierung oberhalb ist einfach, in der Struktur für das Management geeignet und gibt Einblick in Entwicklungen, die man ggf. durch Nachsteuerung/Adjustierungen nachkommen kann.
KPI-Report
Wichtig bei solchen KPI-Reports ist die Sicht der Kandidaten. Das wird innerhalb der Unternehmen selten geteilt, weil der Blick auf die Fachbereichs-Usancen viel zu hoch ausgeprägt ist. Aber Employer-Branding und Recruiting muss zwingend die vollständige Fokussierung auf den Kandidaten haben, sonst reagieren wir nur noch und verpassen das Agieren!
Recruiting-Trichter
Betrachten Sie die Entwicklung Ihrer KPIs immer mit Blick auf den gesamten “Candidate Lifecycle” mittels des Recruiting-Trichters. Dieser Trichter hilft Ihnen, die Markenbekanntheit Ihres Unternehmens als Arbeitgeber in den richtigen Betrachtungskontext mit dem Yield – also der Einstellungsrendite aus 100 Bewerbungen zu setzen. Hier mal ein Beispiel:
Auch hier können Sie den Verlauf Ihrer Employer-Brand mit den verschiedenen KPI-Messpunkten im zeitlichen Kontext betrachten. Sehr hilfreich, wenn Sie punktuell über Investitionen entscheiden oder über kulturelle Verbesserungen, identitätsstiftende Maßnahmen oder HR-Instrumente und Programme, zum Beispiel rund um die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort. All diese Elemente werden sich in der Entwicklung innerhalb und außerhalb Ihres Unternehmens messbar niederschlagen.
Durch diese Betrachtung haben Sie nicht nur den Verlauf über die Zeit, sondern in der Betrachtung gegen führende Benchmarks und den direkten Wettbewerb auch die Priorisierung, wo Sie sich künftig verstärkt konzentrieren müssen und wo Sie bereits heute sehr gut sind. All das fokussiert unsere konkrete Taktik im Employer-Branding.
Zielgruppen-Analyse
Hier mal ein Auszug aus der Most-Wanted-Studie von e-fellows.net zur multidimensionalen Skalierung für Wirtschaftswissenschaftler. Die Größe der Kreise korreliert mit der Attraktivität, die Nähe der Kreise zueinander spricht dafür, dass die Zielgruppe sich bei diesen Unternehmen bewirbt. Je weiter weg die Kreise voneinander sind, desto heterogener die Zielgruppenüberschneidung:
Lesenswertes vom Queb!
Wie immer sehr gerne mache ich einen Querverweis auf die Queb-Arbeitsgruppe zum Personalmarketing-Controlling, die bereits konkret an dieser Herangehensweise wirkt. Hierzu gab es einen sehr intensiven und umfassenden Arbeitskreis, der hierfür Wege aufgezeigt hatte und ein technisches Instrument mit interaktivem “Cockpit” erarbeitete, um die für uns wichtigen KPIs zu erarbeiten. Hier mal ein kleiner Auszug sowie ein Beitrag im Magazin “Personalwirtschaft”. Mehr dazu auf der Webseite des Quebs:
Die Queb Arbeitsgruppe Personalmarketing Controlling beschäftigt sich mit internen und externen Benchmarking-Möglichkeiten und entwickelt Standards für die Effizienz- und Effektivitätsmessung.
Abbildung 1: Kennzahlenallerlei im Personalmarketing Controlling
Personalwirtschaft/Queb-Beitrag
Und hier der Beitrag in der Personalwirtschaft zum Queb-Ansatz. Sehr lesenswert!
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Beste Grüße
Marcus Reif
Hallo Herr Reif,
Sie haben einen tollen Artikel verfasst, der genau das ausspricht, was vielen noch nicht bewusst ist. Im Zuge einer Präsentation und Hausarbeit zum Thema Employer Branding und dessen zukünftige Bedeutung für Unternehmen ist mir klar geworden, dass HR mehr leisten kann! Viele Unternehmen sehen leider nicht das Potential HR in der Unternehmensstrategie zu verankern und in einem Artikel des Human Ressources Magazin fordert man mehr HR’ler in der Geschäftsführung um HR endlich mit der Unternehmensstratgie zu vereinen. Ein spannendes Thema auf dessen Entwicklung ich sehr gespannt bin! Zu dem haben Sie mich für das Thema meiner Bachelor-Arbeit inspiriert. In diesem Sinne
herzlichen Dank!
Kathrin Zimmermann
Liebe Frau Zimmermann, das freut mich sehr! Viel Erfolg bei der Bachelor-Arbeit.
Darf ich fragen, welche Faktoren Sie benutzt haben, um Ihre Zielgruppe-Analyse durchzuführen? Danke im Voraus!
Guten Tag,
Zielgruppenanalyse ist in der Theorie recht einfach, insbesondere bei Professional-Services-Unternehmen. Sie nehmen die Stereotype der gut performenden Kollegen, gruppieren diese in ihre Studienfächer – fertig. Hilft Ihnen das?
MR