Seit ich mich in meiner Zeit bei HR erinnern kann, wird der mangelnde Einfluss von HR innerhalb der Unternehmen beklagt. Weshalb gibt es CEOs, COOs, CFOs, CTOs, aber eben keinen CHRO? Der Trend ist leider nicht so, dass jetzt etliche Personal-Manager in die Geschäftsführungen oder in die Vorstände einziehen. Aber wieso ist denn ein CFO in Unternehmen gesetzt, aber HR oder auch Marketing eher untergeordnet und mehrheitlich nicht Teil der Vorstände?
Eine verpasste Chance … eben leider auch für HR!
Was genau soll denn ein CHRO sein? Was macht er, wie wirkt er?
Chief-Human-Resources-Officer
HR ist geschäftserfolgskritisch. Doch durch Jammern wird sich wenig Erkenntnis einstellen. Wir HRler müssen für unseren Wertbeitrag und unsere Leistung schon selbst werben. Wer sollte es denn sonst tun?
Viele HR-Disziplinen werden in ihrer Bedeutung auf die Unternehmensstrategie und den Unternehmenserfolg verkannt und leider auch belächelt. Das ist von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. In Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist schon längst diese anachronistische Auffassung der Erkenntnis gewichen, dass ohne eine moderne Rekrutierung, eine starke Arbeitgeberattraktivität, eine leistungsfähiges “Learning & Development”, verlässliche Compensation & Benefits, Beratung zu arbeitsrechtlichen Fragen bis hin zu kulturschärfenden und verändernden Initiativen ein Unternehmen mit großen Nachteilen und verpassten Chancen den Anschluss an den Markt verpasst und somit seine Position selbst deutlich schwächt.
In vielen Unternehmen berichtet der Human-Resources-Bereich an den Finanzvorstand. Aber andersrum ist mir das noch nicht untergekommen. Oder kennt jemand ein Unternehmen, wo Finance an HR berichtet? Der Wertbeitrag der HR-Abteilung ist in manchen Fällen nicht besonders gut messbar. Während KPIs der Finance-Abteilung recht klar sind. Doch wie so oft im Leben mit einem Unternehmen, wenn es um Anpassungen der KPIs geht, wie beispielsweise FTEs/VZÄ usw. Diese Betrachtung geschieht ja zuweilen recht eindimensional, während HR mit seiner Perspektive versucht, Kompetenzen, Nachfolgeregelungen und Arbeitsfähigkeit der Workforce insgesamt zu bewerten.
Wichtige Unternehmensentscheidungen enthalten immer den Faktor Mensch. Wenn der Faktor Mensch eine Rolle spielt, leistet HR einen unersetzbaren Beitrag. Genau die Frage, wie und mit welcher Kompetenz, welchem Senioritäts- und somit Kostenniveau diese Entscheidung einher geht, kann nur professionell und mit der nötigen Talent-Weitsicht durch HR in der richtigen Qualität getroffen werden. Und damit bin ich noch gar nicht bei den HR-Disziplinen Employer-Branding, Recruiting, Personalbetreuung, Learning/Training usw. Genau das sind die Fragen, wie man die richtigen Mitarbeiter fürs Unternehmen gewinnt, diejenigen, die schon da sind, hält und weiterentwickelt, welche Trainings zur Erfüllung der Geschäftsziele notwendig sind, wie man eine Kultur und eine Führungsauffassung auf- und ausbaut, damit die Motivation und das Engagement steigen und so weiter.
Das sind jetzt alles Trivialitäten aus Sicht von HR und sicherlich auch aus Sicht der Geschäftsführungen und Vorstände. Und dennoch sitzen bei diesen Debatten keine Vertreter von HR mit am Tisch.
Woran liegt es? Ist es doch das Klischee, dass HR als der Kellner wahrgenommen wird, der nicht kochen kann? Und der Koch eben die Entscheidungen an oberster Ebene trifft?
Was können wir besser machen?
Keinen Innensicht leben, pragmatisch sein, das Business verstehen und Geschäftsentscheidungen in den Kontext von HR setzen, die Bedeutung für die Mitarbeiter unterstreichen und Lösungen offerieren, wie die Strategie gelingen kann. Instrumente entwickeln, die für Einfachheit und Relevanz stehen, aber nicht für Komplexität und Belastung.
Wir HRler müssen runter von der Tribüne im Jammer-Block und rauf aufs Spielfeld. Wenn wir ernst genommen werden wollen, müssen wir aktiv – und vermutlich manchmal deutlich offensiver als früher – unseren Wertbeitrag anbieten, uns einmischen und mitmischen im Business. Dafür stehen wir jeden Morgen auf. Dafür wollen wir wirken. Mit unternehmerischer Mitverantwortung, Verantwortung für Zahlen, Gewinne und Verluste, mit einem Beitrag zur Gesamtstrategie!
HR darf anfangen, den eigenen Wertbeitrag in Renditen zu beschreiben, erst dann werden andere aufhören, uns als Kostenfaktor zu begreifen. Das ist die Rolle des CHRO – Chief Human Resources Officer!
Beste Grüße
Marcus Reif
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Der Artikel „Why we hate HR“ von Keith Hammonds hatte mich damals inspiriert, meinen Beitrag zu leisten, damit aus dem administrativen HR-Bereich eine aktive, geschäftskritische Disziplin wird. Ich reiße ihr gerne mal an:
IN A KNOWLEDGE ECONOMY, COMPANIES WITH THE BEST TALENT WIN. AND FINDING, NURTURING, AND DEVELOPING THAT TALENT SHOULD BE ONE OF THE MOST IMPORTANT TASKS IN A CORPORATION. SO WHY DOES HUMAN RESOURCES DO SUCH A BAD JOB — AND HOW CAN WE FIX IT?
Well, here’s a rockin’ party: a gathering of several hundred midlevel human-resources executives in Las Vegas. (Yo, Wayne Newton! How’s the 401(k)?) They are here, ensconced for two days at faux-glam Caesars Palace, to confer on “strategic HR leadership,” a conceit that sounds, to the lay observer, at once frightening and self-contradictory. If not plain laughable.
Because let’s face it: After close to 20 years of hopeful rhetoric about becoming “strategic partners” with a “seat at the table” where the business decisions that matter are made, most human-resources professionals aren’t nearly there. They have no seat, and the table is locked inside a conference room to which they have no key. HR people are, for most practical purposes, neither strategic nor leaders.
bitte weiterlesen unter www.fastcompany.com/53319/why-we-hate-hr
And that’s why I don’t like HR. Keith H. Hammonds is Fast Company’s deputy editor.
Moin Herr Reif,
als wichtigste Größe sollte für uns Personaler immer noch die Fluktuationsrate dienen. Die damit verbundene Argumentation ist zwar nicht Gewinn-, sondern Kostenorientiert, aber nicht weniger von Relevanz.
Kleine Bierdeckelrechnung dazu: bei einer Fluktutationsrate von 5 % bei 1000 Mitarbeitern und Kosten von ungefähr 4.000 € pro Mitarbeiter (Abfindung, evtl. Rechtsstreit, Rekrutierungskosten, Kosten der unbesetzten Stellen, Einarbeitung usw.), liegt man insgesamt schnell bei 200.000 € pro Monat. Auf ein Geschäftsjahr gerechnet, kommt da eine -auch für die Geschäftsführung- bemerkenswerte Summe zusammen, die Beachtung finden MUSS !
Beste Grüße
Jens Meier
Hallo Herr Reif,
Sehr inspirierender Artikel – diese Situation wird ja schon seit vielen Jahren bejammert. Doch in der Praxis oder der öffentlichen Wahrnehmung ändert sich relativ wenig. Die Diskussion um die Frauenführungsquote hat einiges bewirkt – ob der Erfolg nachhaltig ist, bleibt abzuwarten.
Aktuelles Beispiel – eher im negativen Sinne – ist das sommerliche Personalchaos am Mainzer Bahnhof. Wo war denn der Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber zu sehen, wie hat er in der Öffentlichkeit die Probleme dargestellt? …und hat er konzernintern die operative Personaleinsatzplanung im Griff gehabt, d.h. kommuniziert, auf Mängel hingewiesen und Alarm geschlagen? Wir kennen keine Einzelheiten – aber das Ergebnis ist ja bekannt. Bahn-CEO Rüdiger Grube hat das Heft des Handelns aufgeschlagen und Kante in der Öffentlichkeit bekannt. Wo war Weber?
So haben Bahn-Kunden und die Öffentlichkeit eben im Detail erfahren, wie wichtig Personalarbeit ist (bzw. sein könnte). Eine Chance für HR wurde vertan.
Viele Grüße aus der Nachbarschaft,
Gerhard Kenk
Sehr richtige Sichtweise. HR muss in die Vorhand kommen!
Hallo Herr Reif,
vielen Dank für den erfrischenden Artikel – insbesondere der HR-kritische Teil hat mich inspiriert.
Gruß
Oliver Viel
Vielen Dank. Hört man gerne! ;)