COVID-19 forciert die Distanz. Nicht nur die Arbeit wird dankenswerterweise von vielen Angestellten nun aus dem Homeoffice erbracht, auch die Bewerbungsprozesse werden zügig virtualisiert. Der Hintergrund ist klar, wenn niemand im Büro ist, weshalb sollte jemand dort zum Interview erscheinen. Man macht das per Video – einfach und unkompliziert. Was noch vor wenigen Tagen als unvorstellbar galt aus Sicht vieler Hiring-Manager ist das nun an der Rangordnung. Man sieht von den Kollegen nicht nur einen anderen Dresscode und die Einrichtung im Homeoffice, nein, auch eine positive Geisteshaltung, dass es auch virtuell gelingen kann, die richtigen Mitarbeiter zu gewinnen.
Das Recruiting, so ist landauf und landab zu hören, steht momentan still. Einzelne Recruitingeinheiten sind im Urlaub, haben reduzierte Aufgaben, sind in Kurzarbeit oder helfen in anderen HR-Bereichen aus. Faktisch findet aktuell nur die Personalgewinnung für äußerst kritische Rollen und “Hot Jobs” statt. Doch auch das unterliegt der Kontaktsperre und was hilft besser beim Abstand halten als direkten Kontakt vermeiden? Wie steht es um Video-Recruiting?
Video-Interviews sind verboten!
Das ist eine Aussage, die Sie sehr oft hören werden. Und sie ist falsch. Video-Interviews sind weder aus Datenschutzgründen verboten, noch müssen Bewerber in die Durchführung von Video-Interviews einwilligen. Das ist leider eine typische Reaktion von HR-Kollegen, die es mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht so haben.
Zum Zweck des Schließens eines Beschäftigungsverhältnisses dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten verarbeitet werden. Und Bewerber sind nach § 26 Abs. 8 Beschäftigte, so liest es sich dort. Auswahlgespräche – und Präsenz-Interviews oder Video-Interviews gehören dazu – dienen zur Begründung für Abschlüsse von Arbeitsverträgen und Einstellungen, sind also notwendig und folglich ist auch die damit einhergehende Verarbeitung von Daten, das Führen des Interviews, die Analyse dieses sowie der Unterlagen, erforderlich. Die eingesetzte Technik – und das ist bei Video-Interviews wichtig – darf nicht gegen das Gesetz verstoßen.
Achten Sie also bei der Auswahl Ihrer Technologie, die Sie für Bewerbergespräche bei den Video-Interviews einsetzen, darauf, dass diese DSGVO-konform sind. Schließen Sie mit Ihrem Provider, der Ihnen diese Technologie zur Verfügung stellt und betreibt, einen Datenverarbeitungsvertrag durch Dritte. Ihr Datenschutzbeauftragte ist Ihr erster Kontakt hierbei.
Bitte achten Sie darauf, dass Sie den Bewerber zwingend über die vorgenommene Datenverarbeitungen im Rahmen der Personalauswahl gemäß Art. 12, 13 DSGVO informieren. Informieren ist der entscheidende Aspekt dabei, die Bewerber müssen nicht zustimmen oder die Kenntnisnahme bestätigen. Ihre Pflicht ist nur die reine Information!
Sie wird überraschen, dass diese Vorgehensweise nicht für das Video-Interview gilt, sondern für Ihren ganz normalen und regulären Personalauswahlprozess. Da sind neue Aspekte für Sie dabei? Sie haben ein DSGVO-Problem.
Wie führen Sie ein Video-Interview?
Auch hier gibt es eine überraschende Antwort: genauso wie ein Präsenz-Interview. Sie dürfen sich an die allgemeinen Regeln von Video-Konferenzen halten, das ist aber auch die einzige Ergänzung. Für die Interviews selbst plädiere ich, dass Sie die STAR-Methodik anwenden. Habe dies Ihnen hier beschrieben.
Und weitere Beiträge für gutes Recruiting finden Sie hier auf meinem Blog. Eine kleine Auswahl highlighte ich Ihnen hier: In den meisten Unternehmen wäre Würfeln treffsicherer als der aktuelle Recruiting-Prozess und Softskills sind die neuen Hardskills.
Übrigens ist auch das ein Beitrag zur weiteren Digitalisierung Ihrer Recruiting-Prozesse. Viel Erfolg dabei!
Beste Grüße
Ihr Marcus K. Reif
“noch müssen Bewerber in die Durchführung von Video-Interviews einwilligen”
Rechtlich vll. nicht, praktisch jedoch schon. Denn wenn jemand sagt er hält sein Gesicht grundsätzlich nicht in Kameras, hat er erfolgreich widersprochen. Wenn das regelmäßig passiert, hat die HR ein Problem.