… oder auch nicht ;)
In Generationen zu denken, zu argumentieren und danach Anpassungen der Personalinstrumente vorzunehmen halte ich weiterhin für richtig. Offensichtlich ist es in den letzten Wochen en vogue, das Pauschalisieren in Generationen zu verteufeln. Und ja, wenn wir ehrlich sind, ist Schubladendenken nicht besonders wissenschaftlich.
Weshalb es richtig und gleichzeitig falsch ist über Generationen zu schreiben.
Viel wurde in den letzten 10 Jahren über die Generationen geschrieben, Führungsstile darauf angepasst, Programme zur Flexibilisierung entwickelt und eine Menge in Kultur investiert. Eine Studie “Wertewelten Arbeiten 4.0” des Arbeitsministeriums kommt zu dem Ergebnis: Das Klischee-Denken über Generationen ist Quatsch. Ist es das? Ich habe selbst auf diesem Blog mehr als 50 Beiträge rund um oder über Generationen geschrieben. Und jeder, der sich mit dem Generationen-Thema auseinander setzt, weiß, dass ein großer Teil davon reine Pauschalierung ist. Eben wie bei der Generation der 68er, wo jeder die üblichen Klischees vor Augen hat, gleichwohl jeder jemanden aus dieser Generation kennt, der doch ganz anders ist.
Arbeitswelt verändert sich. Einfache Arbeiten werden zunehmend automatisiert Share on XArbeitswelt im Wandel. Wissen entscheidet!
Das Nachdenken über mögliche Weiterentwicklungen der Unternehmenskultur, der Personalpolitik, der Arbeitsplatzangebote und der Führung funktionieren über den Generationen-Themenblock aus meiner Sicht ideal. Man hat verschiedene Werte, Treiber, Überzeugungen, Stressmuster und Glaubenssätze zu unterscheiden, die sich mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit nach Generationen gruppieren lassen. Natürlich ist das fallweise nicht richtig, doch in der Metabetrachtung hilft dies ungemein. Die Arbeitswelt verändert sich. Einfache Arbeiten werden zunehmend automatisiert, die wegfallenden Grenzen durch die Globalisierung folgen die wegfallenden Grenzen im Denken hin zum “global Mindset”. In vielen Firmen gibt es bereits keine Grenzen mehr in der Tätigkeit, viel wird auf Englisch erledigt, Telefon- und Videokonferenzen lösen physische Meetings ab. Die Notwendigkeit überall dort zu sein, wo meine Meinung benötigt wird, nimmt ab. Wissen ist mehr und mehr entscheidend und ein Treiber für die Karriere. Dass immer weniger bei dem steigenden Wert ihrer eigenen Expertise auch das Leben an sich in Einklang mit der Karriere bringen wollen, lässt die Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und Beruf einen deutlich herausgehobenen Wert einnehmen. Durch den Wandel vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt steigen die Wünsche nach Sinnerleben und Selbstverwirklichung. Die Lebensqualität zu erreichen ist kein Widerspruch mehr in der Erwartung an eine Karriere. Heute muss beides zusammen möglich sein, was mein Vater – Generation Baby-Boomer – wohl anders gesehen hätte. All das ist der Wandel der Arbeitswelt.
Gerade letzte Woche hatte ich die wunderbare Gelegenheit vor Wirtschaftsvertretern zu sprechen. Meine Perspektive auf die Arbeitswelt 4.0 teilten die meisten der Anwesenden, doch zwei Anwesende fragten mich:
Und wer macht die Arbeit? Die wollen ja alle nicht arbeiten, nur Freizeit und Spaß.
Ich bin sicher, dass alle Generationen arbeiten wollen und können. Diese zugespitzte Frage zeigt mir aber auch die Neugierde und den Informationsbedarf, wie generationenübergreifend geführt werden sollte.
Blick in die Studie
Eines macht die Studie “Wertewelten Arbeiten 4.0” klar. “Die Ansprüche an Arbeit pluralisieren sich stark und das über soziodemografische Trennlinien wie Einkommen oder Ausbildung hinweg. Was für die einen wünschenswerte Zukunft ist, stellt für die anderen ein bedrohliches Szenario dar“, so die Studie.
Nur die wenigsten Erwerbstätigen in Deutschland empfinden ihre aktuelle Arbeitssituation als ideal. Lediglich ein Fünftel der Befragten fühlt sich dem persönlichen Idealbild von Arbeit bereits nah. Knapp die Hälfte der Befragten sieht die eigene Arbeitssituation heute weit vom persönlichen Idealbild von Arbeit entfernt.
Der Blick auf die Zukunft ist dagegen optimistischer: Fast die Hälfte der Befragten erwartet, dass die eigene Arbeitssituation im Jahr 2030 nah an ihrem Idealbild liegen wird. Bezogen auf die Arbeitswelt in Deutschland im Jahr 2013 insgesamt, erwartet das noch jeder Vierte. Vor allem was Mitgestaltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten anbelangt, haben die Erwerbstätigen in Deutschland durchaus positive Erwartungen an die Arbeitswelt von morgen.
Weiterhin zeigt die Studie deutlich auf, wie stark sich die Wahrnehmung und Bewertung der Arbeitswelt in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft von Person zu Person unterscheidet. Die Studie „Wertewelten Arbeiten 4.0“ identifiziert sieben klar unterscheidbare Wertewelten. Diese entsprechen jeweils einer bestimmten, in sich konsistenten und für sich beschreibbaren Sichtweise auf das Thema Arbeit.
7 Wertewelten
Wertewelten als Kompass für eine moderne Arbeitskultur
Mit 30 % beschreibt die Wertwelt die Erwartungen an Sicherheit der Arbeit (finanzieller Ertrag aber auch auf die Gesellschaft hin wirkend). Die restlichen Befragten verteilen sich relativ homogen auf weitere sechs Wertewelten. 15 % der Befragten sehen Wertschätzung und Leistung auf zwischenmenschlicher als auch auf finanzieller Ebene als ihr Idealbild an. Für weitere 11 % stehen Effizienz, Verantwortung und Tempo als Motivatoren.
Entwicklung der Arbeitswelt 2030
Die Studie zeigt auch, in welchen Facetten sich die Entwicklung der Arbeitswelt in Deutschland im Vergleich von heute zu 2030 entwickeln wird. Beispielsweise gibt es erhebliche Schwankungen bei der Partizipation auf Basis mündiger Individuen, was man heute am Stichwort Gen Y überall lesen kann. Aber auch bei weitreichender Verantwortung leben, Ideale in der Arbeitswelt verwirklichen, alle individuellen Ansprüche realisieren und andere, auch gibt es Ausreißer in die andere Richtung, beispielsweise bei langjährige Erfahrung wertschätzen. Das passt wiederum sehr zu meinen Thesen, dass die Gen Y und Gen Z viel stärker Konsequenzen aus der Gap ihrer Erwartungen und Bedürfnisse zur Unternehmenswirklichkeit ziehen. Und vermutlich spielt hier mit rein, dass man heute sein Wissen viel schneller Kapitalisieren kann als dies noch unseren Eltern gelang.
Heute kann ich mein eigenes Wissen viel schneller kapitalisieren Share on XDer neue Führungsstil: Individuell und selbstorganisiert
Die Aufteilung der Wertewelten über alle Altersgruppen hinweg zeigt: Unterschiedliche Werte, Einstellungen und Meinungen machen einheitliche Lösungen unbrauchbar. Genau das ist auch der Appell vieler Experten, die sich mit den Generationen beschäftigen. Ein “one size fits all”-Ansatz funktioniert nicht mehr, insbesondere, weil wir heute schon vier verschiedene Generationen führen dürfen. Die Studie “Führungskultur im Wandel” der Initiative Neue Qualität der Arbeit zeigt in 400 Tiefeninterviews mit Führungskräften, dass mehr als drei Viertel der Befragten eine grundlegende Änderung in der aktuellen Führungspraxis fordern. Während hierarchische Systeme als überholt angesehen werden, gewinnen Flexibilität, Diversität und sich selbst organisierende Netzwerke an Bedeutung. Nur in diesen flexiblen Systemen lassen sich die komplexen Bedürfnisse und Arbeitsweisen in der Arbeitsrealität 4.0 umsetzen.
Und ich beobachte, dass hier einige die falsche Abbiegung nutzen. Da werden Krawatten abgenommen, Sneakers zum Anzug mit offenem Hemd getragen und geduzt von unten bis oben. Doch die Deutschen wollen nicht von ihren Chefs geduzt werden. Laut einer repräsentativen Umfrage der GfK für die „Welt am Sonntag“ finden zwei von drei Befragten die Entwicklung nicht gut, dass sich in vielen Firmen neuerdings das „Du” als Anrede etabliert. Wir haben also auch Kulturell noch einiges aufzuholen.
Generationen ist eine Haltungsfrage
Schlagen wir die Brücke zurück zu den Generationen. Aus Sicht vieler Experten, so auch aus meiner Sicht, sind die vielen Muster über Generationen, ihre Bedürfnisse und Erwartungen, Werte und Neigungen eher eine Haltungsfrage, weniger eine des Geburtsjahres. Wir kommen raus aus der Management-Attitüde von Jack Welch, wo Mitarbeiter noch Human-Ressourcen waren, die es in der Human-Resources-Abteilung zu managen galt. Das konsequente Effizienzstreben kommt in einem transformierenden Markt und einem konzentrischen Arbeitnehmermarkt an seine natürlichen Grenzen. Das ist auch der Appell, dass die Fragen des Jahres 2016 ff. nicht mit den Überzeugungen von vor 20-30 Jahren adäquat zu beantworten sind. Jack Welch war ein Verfechter von Zahlen, Daten, Fakten. Die Kreativität und das Denken in unüblichen Mustern kam zu kurz. Empathie, Intuition und Emotionalität sind wieder en vogue und werden Führungskräften wieder besser stehen.
die Fragen des Jahres 2016 ff. sind nicht mit Überzeugungen von vor 20-30 Jahren adäquat zu beantworten Share on XWir müssen also moderner sein in der Führung, in der Steuerung des Unternehmens und in der Weiterentwicklung unserer Kolleginnen und Kollegen. Gleiches gilt für alle anderen Funktionen des Personalwesens, ob Recruiting, die Trainings, das Talent-Management etc. Die unterschiedlichen Wertesysteme zu Arbeit und Führung, kommen Generationen-übergreifend zu der Überzeugung, dass die Arbeitswoche eine natürliche Grenze haben sollte. Wir kommen Stunde für Stunde den 40 Wochenarbeitsstunden wieder näher. Die systemische Führung wird abgelöst durch eine viel stärker Kultur-betonende Führung. Schauen Sie sich nur mal moderne Unternehmensberatungen an, die meist ein Jahrzehnt früher solche Trends aufnehmen.
Ich bleibe dabei. Mit den Generationen kann man sehr viel erklären, anschaulich auf den Punkt bringen, Beispiele bringen. Eine Zuspitzung auf einzelne Beispiele entbehren natürlich nicht andere Sichtweisen. Doch alles in allem – ich habe den Vortrag mehr als einhundertmal gehalten – ist das Feedback sehr positiv und viele nehmen für sich und den Umgang mit den Herausforderungen etwas mit. So weit gehen, dass das Klischee-Denken über Generationen Quatsch ist, möchte ich nicht. Viel Spaß weiterhin auf meinem Blog.
Beste Grüße
Marcus Reif
Studie zum Download: arbeitenviernull.de/…/wertewelten/studie-wertewelten
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Danke für die Einblicke. Zur Generation Frage möchte ich nur soviel ergänzen: Noch viel interessanter, als der Blick darauf, was die Generationen vermeintlich zu wollen glauben, finde ich die Frage, unter welchen Umständen sie aufgewachsen sind. Denn unsere Kindheit prägt unser Verhalten, unsere Wünsche und Ängste. Befragungen darüber, was Zielgruppen möchten, fördern rationale Antworten zu Tage. Antworten, die mit dem Kopf erdacht sind. Verhalten gründet jedoch auf unterbewussten Mustern. Und somit ist der Blick auf Generationen durchaus sehr reizvoll und hilfreich.