Deutschland fehlt eine langfristige Personalplanung. Richtig, nicht die Unternehmen alleine brauchen den Blick in der langen Linie, sondern Deutschland selbst. Wir steuern auf eine substanzielle Lücke an Fach und Führungskräften zu. Seit dem Pillenknick im Jahr 1964 ff. haben wir ein demografisch sich zuspitzendes Problem. Die letzten der Generation Baby-Boomer feierten 2014 ihren 50. Geburtstag. Die 1964 Geborenen gehören zum letzten Jahrgang vor dem Pillenknick und sind der letzte Jahrgang, bei dem mehr neue Kräfte in den Arbeitsmarkt einstiegen, als verdiente Veteranen in Rente gingen. Vor 50 Jahren wurden noch 1,3 Mio. Menschen geboren, während im letzten Jahr nur auf 600.000 Geburten verzeichnet wurden. Statistisch gesehen haben wir in Deutschland also seit 50 Jahren einen stetig zunehmenden Fach- und Führungskräftemangel. Um die Population aufrecht zu halten, benötigen wir eine konstante Geburtenrate von 2,1. Im letzten Jahr landeten wir bei 1,5 nach 1,47 im Jahr zuvor. Diesen Lücken werden wir nicht mehr kompensieren können.
Deutschland könnten in 15 Jahren zwischen 5,8 und 7,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen Share on XArbeitskräftemangel in 2030 birgt große Gefahr für Wohlstand und Wachstum
Deutschland könnten in 15 Jahren zwischen 5,8 und 7,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen – Alle Bundesländer betroffen, neue besonders stark – Verlust an Wirtschaftsleistung in 2030 von bis zu 550 Milliarden Euro möglich Vom Babyboom zur Mangelware – der demografische Wandel wird zu einem großen Problem für den deutschen Arbeitsmarkt, denn Fachkräftemangel bremst das Wirtschaftswachstum. Diese Entwicklung wird sich bis 2030 noch verschärfen. In Deutschland könnten so in den kommenden 15 Jahren 5,8 bis 7,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Dies geht aus der Studie Die halbierte Generation von The Boston Consulting Group hervor.
Arbeitskräfteangebot deckt nicht den Bedarf
Hoher Handlungsdruck: Deutschland braucht langfristige Personalstrategie
Das Wachstum der gesamten Wirtschaftsleistung in Deutschland – gemessen am BIP pro Kopf – würde im Verhältnis zu Vergangenheitswerten folglich drastisch zurückgehen: von durchschnittlich 1,3 auf 0,5 Prozent pro Jahr. Der Handlungsdruck für die Beteiligten in Politik und Wirtschaft, diese Auswirkungen abzumildern, ist hoch.
“Wir brauchen eine langfristige Personalplanung – das gilt für Unternehmen wie auch für Deutschland. Im Vergleich zur Kapitalseite, bei der kontinuierlich gemessen wird, wie produktiv Eigen- und Fremdkapital eingesetzt werden, sind viele Unternehmen und eben auch die deutsche Politik von einer vergleichbar intensiven Betrachtung des Vermögenswertes ‘Mitarbeiter’ noch weit entfernt”, resümiert Strack. “Wir müssen uns viel stärker damit auseinandersetzen, welche Mitarbeiter wir jetzt und in Zukunft brauchen, woher sie kommen und wie wir sie bestmöglich ausbilden können.”
How to manage skill shortage
Der demografische Wandel stellt die politischen Akteure und die Unternehmen vor die Herausforderung, die Folgen einer veränderten Bevölkerungsstruktur für den deutschen Arbeitsmarkt zu mildern. Sie sind gefordert, eine langfristig vorausschauende Politik der Arbeitskräftesicherung zu betreiben. Grundsätzlich stehen vier Hebel zur Verfügung, um die Lücke zwischen Arbeitskräfteangebot und -bedarf zu verringern:
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eine Steigerung der Arbeitsproduktivität, insbesondere durch höhere Investitionen in Bildung und Technisierung
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eine Erhöhung der Erwerbsquoten von Älteren (z. B. durch eine Heraufsetzung des Renteneintrittsalters) und
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bessere Bedingungen für eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen sowie
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die Förderung von Migration und Integration.
Gegensteuern!
was müsste geschehen, um die Arbeitskräftelücke zu schließen? BCG hat ein mögliches Szenario:
Bei einem angestrebten BIP-pro-Kopf- Wachstum von jährlich 1,3 Prozent bis 2030 müssten in Deutschland alle vier genannten Hebel zugleich in erheblich stärkerem Maße als bisher genutzt werden, um die Arbeitskräftelücke zu schließen (siehe Abbildung 4: Benötigtes Niveau der Treiber von Arbeitskräfteangebot und -bedarf, um das für Deutschland prognostizierte Defizit auszugleichen).
Konkret übersetzt sich das in bedeutende Steigerungen:
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Die jährliche Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität müsste von 0,6 auf 0,8 Prozent zunehmen, was immense Investitionen in Bildung und Digitalisierung von Staat und Unternehmen erfordert.
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Die Erwerbsquote der Arbeitskräfte, die 65 Jahre und älter sind, steigt in unserem Modell bereits von 5,0 Prozent in 2013 auf 9,8 Prozent in 2030. Dies ist jedoch nicht ausreichend: Um einen weiteren Beitrag zur Schließung der Lücke zu leisten, müsste die Erwerbsquote auf 15,0 Prozent erhöht werden.
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Die Erwerbsquote der Frauen im arbeitsfähigen Alter müsste von 71 auf 75 Prozent steigen. Die o zielle Erwerbsquote unterscheidet nicht zwischen Teilzeit- und Vollzeitstellen. Die Scha ung von Bedingungen, welche es mehr Frauen ermöglichen, von Teilzeit- in Vollzeittätigkeiten zu wechseln, wäre eine weitere Maßnahme, um die Diskrepanz zwischen Arbeitskrä enachfrage und -angebot zu verringern.
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Die Nettoaufnahme von Zuwanderern pro Jahr müsste sich von den für 2030 angenommenen 200.000 auf 500.000 mehr als verdoppeln. Zugleich müsste die Erwerbsquote von Immigranten auf das Niveau der Erwerbsquote deutscher Staatsbürger steigen.
Nur wenn alle diese Maßnahmen gleichzeitig und sofort angegangen werden, besteht eine Chance, die Lücke zu schließen.
BCG-Strack: Wir kommen aus einer Welt des Personalüberhangs in eine dramatische Knappheit Share on X,
sagt Personalexperte Rainer Strack, Senior-Partner der Boston Consulting Group. Auf der Suche nach mehr Effizienz haben viele Unternehmen einen zentralen Wettbewerbsvorteil wegrationalisiert: Flexibilität. Denn mittlerweile lassen sich für viele Jobs kurzfristig keine zusätzlichen Kräfte mehr finden. Der Fachkräftemangel zeigt sich erstmals offensichtlich und bringt die Strategie der knappen Ressourcen vieler Unternehmen ins Wanken.
Eine neue Analyse des Personaldienstleisters zeigt, wie groß die Personalprobleme der Manpower-Kunden über alle Branchen hinweg geworden sind. 49 Prozent der deutschen Firmen berichteten von massiven Problemen, offene Stellen zu besetzen – in den vergangenen Jahren ist dieser Anteil im Trend gestiegen, wie die folgende Grafik zeigt.
Im Jahr 2016 haben also annähernd 50 % der befragten deutschen Unternehmen Schwierigkeiten beim Besetzen von Vakanzen. Zum Vergleich – im Jahr 2010 lag der Wert noch unter 30 %.
Der demografische Wandel und der daraus zu Tage tretende Fach- und Führungskräftemangel sind evident. Die Statistik zeigt, wie zuvor erwähnt, schon seit dem Pillenknick nach dem Jahr 1964 eine ungute Entwicklung. Durch die industrielle Revolution, mehr Effizienzstreben, die Globalisierung und Digitalisierung sind diese Mangelerscheinungen allerdings stets zu managen gewesen. Das hat sich in den letzten Jahren offensichtlich dramatisch geändert.
Arbeitslosigkeit in Deutschland
Spiegel-Online hat ein nettes Tool auf seiner Webseite, auf dem man sich die Arbeitslosigkeitsdaten für die letzten Jahre dynamisch zusammenstellen kann. Hier mal ein Screenshot über die Arbeitslosigkeit seit 2009:
Beste Grüße
Marcus Reif
Studie zum Durchblättern
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