Der Mangel an Talenten, an Fach- und Führungskräften, an Arbeitskräften, an den richtigen Kompetenzen, Hard- und Softskills, an den richtigen Attitüden, an moderner Führung und guter Kultur – also im Grunde an allem, was uns Personaler so den ganzen Tag über beschäftigt, führte zu manch skurriler Idee. Eine, die seit Monaten durch die Medien geistert, ist das hübsch genannte Profiling.
Profiling selbst will ich gar nicht verteufeln. Wenn Kommissare bei Mordfällen aus mühsamen Hinweisen, Beweisen und Indizien versuchen, Erkenntnisse auf den Mörder zu gewinnen, kann Profiling ein gutes Instrument sein. Doch was haben Kriminalfälle mit guter Personalauswahl zu tun? Im Grunde gar nichts. Nur der Begriff wird genutzt, um Glaubwürdigkeit zu unterstreichen.
Aus meiner Sicht wird es riskant, wenn Vorstände, Geschäftsführer und Bereichsleiter zwei unterschiedliche Instrumente synonym verwenden: Eignungsdiagnostik und Profiling. Wir kennen ja viele Scharlatane auf der Recruiting-Welt, die anhand des Geburtsdatums ein Eignungsprofil eines Bewerbers erstellen vermögen. Die entsprechenden Webseiten preisen die Leistung an, argumentieren mit sehr hohen Prozentzahlen an Fehlbesetzungsquoten und bieten ihr Profiling an, um Fehlbesetzungen zu vermeiden. Das ist totaler Irrsinn! Führt aber auch dazu, dass unsere Unternehmenslenker das eine vom anderen nicht unterscheiden können.
Dass Bauchgefühl bereits ein Beurteilungsfehler ist, haben ja die meisten Personaler mittlerweile verstanden. Dass Teilstrukturen und Kompetenzmodelle in der Personalauswahl sinnvoll sind, um “Unconscious bias” zu vermeiden, ebenso. Über den Dunning-Kruger-Effekt mit der oft zelebrierten Aussage: “Potenzial erkenne ich in zwei Minuten” habe ich auch schon oft gebloggt. Im Grunde dachte ich, wir sind über diesen Status drüber. Dennoch gibt es immer noch eine hohe Gläubigkeit, dass durch eine wundersame Analyse von extrem wenigen Daten, die im Grunde gar nichts mit prognosenfähiger Leistungserwartung zu tun haben, eine verlässliche Entscheidungsvalidität zu erreichen sei. Verrückt!
Profiling bewahrt vor Fehlentscheidungen?
Ich hoffe so sehr, dass kein Personaler den Scharlatanen verfällt. Profiling funktioniert genau so zuverlässig, wie ein Horoskop, die Handschriftanalyse/Graphologie, Schädeldeutung, Astrologie, Pendeln, Blickrichtungsdiagnostik, Stimmanalyse oder eben der psychogenetische Code. Wenn Sie daran glauben, glauben Sie auch an Wunder und den Weihnachtsmann. Oder an Globuli.
Wenn Sie eine Objektivierung Ihrer Auswahlkriterien angehen wollen, setzen Sie auf vernünftige Eignungsdiagnostik und sprechen Sie mit Experten auf diesem Gebiet.
Wir Personaler haben eine Menge zu tun. Hier sind nur einige Punkte, die den Recruitern nahezu täglich begegnen. Diesen Mythos des Profilings gibt es hoffentlich nicht mehr lange. Es wird Zeit, dass wir uns professionalisieren. Dann haben Profiling-Scharlatane auch keine Chance! Solide Personalentscheidungen fußen nicht auf Profiling, sondern auf Eignungsdiagnostik, verzerrungs- und vorurteilsfreien Recruiting-Instrumenten.
Beste Grüße
Ihr Marcus K. Reif