Standard-Prozesse sind Standard
Unser aller HR-Alltag ist es, immer wieder auf die Notwendigkeit von Standard-Prozessen und deren Einhaltung hinzuweisen, umhin sogar mit Nachdruck daraufhin zu wirken. Wie oft findet man selbst Erklärungen, wie “die Einhaltung dieses Prozesses ist zwingend” oder “ich bin nicht autorisiert, von diesem Prozess abzuweichen” und man denkt sich bei zweiter Floskel “Sie sind übrigens auch nicht autorisiert“. So ist es im täglichen Hin und Her zwischen Leadership, Fachbereich und Services/HR. Solche Diskussionen erlebe ich in den letzten 20 Jahren meines beruflichen Lebens allerdings immer nur bei den Management-Hierarchien unterhalb der ersten Ebene, selten auf der ersten Ebene. Weshalb? Keine Ahnung. Ist vielleicht eine Mischung aus unternehmerischer Verantwortung und Perspektive.
Der schnellste Weg zu uns ist die Online-Bewerbung
Nehmen wir mal ein Beispiel zur Hand, was den Prolog oberhalb etwas mehr verdeutlicht. In Organisationen mit vielen zehntausend Bewerbungen pro Jahr ist ein leistungsfähiger Recruiting-Prozess notwendig. Und wenn man diesen Ablauf mühevoll und kleinteilig designt hat, ist es der schnellste Weg mit der geringsten Fehlertoleranz. Weshalb aber legen manche Führungskräfte Wert darauf, dass “ihre” Bewerbungen außerhalb des dafür vorgesehenen Wegs bearbeitet werden? Die Intention ist vermutlich ebenfalls eine Mischung aus “diese Kandidatin/dieser Kandidat muss besonders behandelt werden” und “das muss jetzt aber schnell gehen”. Allerdings geschieht bei Abweichung vom Standard-Prozess genau das Gegenteil. Paradoxe Intervention nennt man dies, wenn man etwas erreichen will, das Gegenteil davon aber geschieht.
Wenn alles individuell und auf Zuruf erfolgt, kann dies ergo nicht erfolgreich sein. Wenn man also einen mehrstufigen und professionellen Ablauf definiert hat, somit den schnellsten Weg (“Time to Hire”) und in der richtigen Qualität (“Cut-off-Quote”, “Yield”, “Früh-Fluktuation” usw.) sicherstellt, sind alle Interventionen – auch gut gemeinte – leider völlig kontraproduktiv.
Genau das Gleiche geschieht übrigens aufgrund der vielen irrsinnigen Karriereratgeber, wo Kandidaten empfohlen wird, telefonisch den korrekten Ansprechpartner für die Bewerbung herauszufinden. Das hat in der Realität leider nicht den erhofften Effekt, das kostet nur Zeit auf beiden Seiten.
Aber zurück zum Standard-Prozess. Was stellt man noch dadurch sicher? Messbarkeit, Vergleichbarkeit, gleiche und wiederkehrende Qualitätskriterien, zentrale Ansprechpartner, die auskunftsfähig sind, nachvollziehbare Abläufe für interne und externe Beteiligte, gleiche Services für alle Kandidaten, Reduzierung der individuellen, meist zeitraubenden und wenig qualitätsorientierten Abläufe und noch vieles mehr. HR muss als Business-Partner mit einem wirkungsvollen Wertbeitrag zur Geschäftsstrategie agieren!
Connect the Strategies
Die Frage, wie sich eine erfolgreiche HR-Strategie mit der Geschäftsstrategie verbinden und “connecten” lässt, habe ich ja alle Nase lang in meinem Blog. Gerade in den zentralen Fragen des Employer-Brandings und der Personalbeschaffung kann HR nur im Einklang mit der Geschäftsstrategie arbeiten. Weshalb aber etwas weniger exponierte HR-Disziplinen von den Fachbereichen und dem Management weniger stark gesehen werden, bleibt als offene Frage stehen.
Wie kann also der Wertbeitrag des HR-Bereichs Evidenz erfahren? Wie funktioniert eine schrittweise Entwicklung der richtigen Strategie für das Unternehmen gemeinsam mit HR und er daraus abgeleiteten HR-Strategie? Welchen Anteil daran haben die HR-Business-Partner und welchen Nutzen ziehen das Management und der Fachbereich aus dieser organisatorischen Aufstellung?
Weiter zu diesem Beitrag geht es hier: Workshop mit Prof. Dave Ulrich – HR from the outside in!
Das soll mein sehr kurzes Plädoyer für Standard-Prozesse sein. Damit verabschiede ich mich in eine kurze Weihnachtspause.
Fröhliche Weihnachten!
Marcus Reif