Die Nordwestlandebahn hat mit der Eröffnung am 21. Oktober 2011 die Region stark verändert. Egal bei welcher Wetterlage ist neue Betroffenheit im Osten und West des Flughafens entstanden, sind Menschen in ihrem Zuhause massiv durch Lärm beeinträchtigt. Wir Flörsheimer kennen Fluglärm schon seit jeher. Ich darf sagen, dass die Flörsheimer größtenteils keine Gegner des Flughafens sind, viele Flörsheimer arbeiten dort. Doch bedeutet die Nordwestlandebahn eine Zäsur für die Stadt und diese Perspektive müssen wir bei allem Verständnis für die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens einnehmen. Die Tragweite des Ausbaus für unsere Stadt sehen wir heute noch gar nicht richtig. Aber die ersten Wegzüge von Flörsheimern und die allgemeine Immobiliendynamik geben einen Vorgeschmack.
Die Proteste der vielen tausend Menschen zeigen, dass dieses Infrastrukturprojekt in der Region nicht nur positiv betrachtet, sondern als echte Belastung wahrgenommen wird. Die Verbitterung bei vielen Menschen, die in Flörsheim leben oder hier ihre Heimat gefunden haben, ist groß. All das wird unvereinbar zwischen der Politik und den Menschen stehen. Ein ziemlich hoher Preis für mehr „Kapazität“.
„Alles andere als acht Stunden Nachtruhe sind inakzeptabel“
Wir brauchen eine erweiterte Nachtruhe. Sechs Stunden zw. 23-5 Uhr sind einfach nicht genug. Es ist schon schwer genug zu ertragen, dass die Nordwestlandebahn höchstrichterlich genehmigt wurde. Acht Stunden Nachtruhe sind nicht zu viel verlangt.
Für die Flörsheimer Stadtverordnetenversammlung bereiten wir einen gemeinsamen Antrag vor, der deutliche Nachbesserungen beim Lärmaktionsplan fordert. Dieser Lärmaktionsplan ist derzeit das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist
Wir haben alles, was in unserer Möglichkeit liegt, versucht. Gespräche in Wiesbaden, Einflussnahme auf die Lärmschutzallianz, das Casa-Programm und die Lärmschutzbereichsverordnung sowie Resolutionen in der Flörsheimer Stadtverordnetenversammlung und im Kreistag des Landkreises Main-Taunus zu unzählbaren Fragestellungen rund um die Flughafenerweiterung. Selbst der Weg der Stadt Flörsheim am Verwaltungsgerichtshof Kassel ist noch nicht zu Ende. Der Groll auf die Ausbauparteien CDU, SPD und FDP ist groß und das mit Recht!
Ich nehme nur die Beispiele Lärmaktionsplan, der völlig inadäquate Zahlen als Grundlage nutzt, die Ausnahmeregelungen in der Nachtzeit oder die Lärmschutzallianz. Nicht zu vergessen sind die Regelungen um die Lärmschut(bereichs)verordnung, wo viele Eigentümer in Flörsheim leer ausgehen. Wir hatten auf diesen Aspekt öffentlich hingewiesen. Oder die „Wiesbadener Erklärung“ der CDU Hessen, während zeitgleich im benachbarten Frankfurter Flughafen Tausende gegen Fluglärmbelastungen, Gesundheitsgefahren und die Realität schlafloser Nächte streiten, erklärt die CDU in Wiesbaden, dass der Ausbau im Grundsatz richtig ist. Politik muss hier für Vertrauen werben und nachvollziehbare Maßnahmen ergreifen, diese den Menschen auch erklären. Stuttgart 21, die Nordwestlandebahn, die dritte Piste in München, der neue Flughafen in Berlin – alles Beispiele, dass die Bürger nicht alle Infrastrukturprojekte im Kern bejubeln. Und alle wissen, dass zwei Parallelbahnen im Süden des Flughafens ökonomisch und flugverkehrslogistisch erheblich sinnvoller gewesen wären. Von der Lärmbelastungsverteilung her sowieso. Was auf dem Frankfurter Flughafen gebaut wird mit der um 90° zu den Parallelbahnen verschwenkten Startbahn 18 West, einer Nur-Landebahn Nord-West jenseits der Autobahn, einem Terminal 3 im Süd-Osten und zwei Parallelbahnen mit 700 m Abstand – all das klingt nach Flickschusterei und Stückwerk. Bei solch einer Planung kann nur Kokolores bei rauskommen. Eigentlich ein Armutszeugnis für einen Weltflughafen.
Alles in allem arbeiten wir Stadtverordnete und Kreistagsabgeordnete viel im Kleinklein. Ein großer Wurf – die Stilllegung der Nordwestlandebahn – ist höchstrichterlich in weite Ferne gerückt. Wir müssen politisch die Frage beantworten, wie wir uns Flörsheims Zukunft vorstellen. Irgendwie muss es weitergehen. Flörsheim war liebenswert und kann es bleiben. Dazu müssen wir uns alle anstrengen, den Standard so hoch wie möglich zu halten mit dem besten Angebot an Kinderbetreuung, einem fantastischen Schulangebot und einem ausgewogenen Kulturprogramm. Der Bürgermeister ist hier gefordert, in das Forum Flughafen und Region zurückzukehren. Dort werden Gelder verteilt, wir schauen zu und ertragen die Belastungen.
Der Treppenwitz der Geschichte ist, dass Bürgermeister Antenbrink laut poltert und von der Unbewohnbarkeit Flörsheims spricht, aber gleichzeitig ein neues Baugebiet unter der Einflugschneise ausweist. Das verstehe wer will. Der Flörsheimer Protest ist dadurch absolut beschädigt. Die Glaubwürdigkeit wird konterkariert.
Marcus K. Reif
Partei- und Fraktionsvorsitzender
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