Epochenwechsel und Zukunft der Printmedien am Beispiel Newsweek
oder wie die Print-Medien sich verändern werden.
Eine Institution verschwindet vom Markt. Die Wochenzeitung “Newsweek”, ein politisches Magazin in den USA, stellt seine Print-Ausgabe zum Ende des Jahres ein. Seit meiner Zeit bei der F.A.Z. habe ich ein Faible für Zeitungen und Wochenmagazinen. Der Tag kann nicht schöner beginnen als mit der Lektüre der F.A.Z. Dass auch die hiesige Print-Medienlandschaft mit erodierenden Auflagenzahlen und schwindenden Umsatzerlösen, insbesondere durch den Wegfall der Hauptsäule “Stellenmarkt”, zu kämpfen hat, ist evident. Die einzigen Publikationen mit Wachstum sind die Wochenzeitungen. Gerade die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat wieder einen Auflagensprung der verkauften Auflage verkündet, einhergehend mit weiterhin rückläufiger Auflage für die Tageszeitung Frankfurter Allgemeine. Die Ubiquität der Informationen über das Internet, die hohe Durchdringung der Leserschaft mit Smartphones und Tablets, die veränderten Lese- und Konsum-Usancen tun ihr Übriges.
Das legendäre Blatt Newsweek wurde Opfer der digitalen Revolution. Sein Niedergang zeigt die Krise einer ganzen Branche. Der Trend ist überall gleich. Kostensenkungsprogramme gehen mittelbar oder unmittelbar merklich zu Lasten der Qualität. Irgendwann ist die Auflage auf ein Niveau gesunken, wo selbst die Frequenz der Auflagen zur Disposition steht. Also Erscheinungsweise nicht mehr täglich an sechs Tagen in der Woche, sondern nur noch an einzelnen Wochentagen. Am Ende ist die eingestellte Print-Variante der Newsweek nichts anderes als ein Kulturverlust vieler Generationen. Das Internet und die Online-Ausgabe von “Newsweek Global” werden weder die Haptik, Hintergründigkeit noch das Flair und den Charakter einer gedruckten Ausgabe ersetzen.
Newsweek ab Januar nur noch digital
Nach fast 80 Jahren wird die gedruckte Ausgabe der Newsweek eingestellt. Nur wenige Verlage gehen diesen durchaus mutigen Weg. Der erste Schritt ist sicherlich der schwierigste. Künftig erscheint die Newsweek – wie auf der Internetseite zu lesen ist – zu einem Bezugspreis im Abonnement von 2,99 $/Monat. Natürlich sind die Grenzkosten für eine Tageszeitung ungleich höher als für eine Digitalvariante. Aber 3 Dollar Bezugspreis für einen Monat – also im Schnitt 4 Ausgaben – sind doch eher sehr niedrig einzustufen. Zum Vergleich: das E-Paper der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gibt es für 10,90 EUR/Monat im Abonnement. OK, das Niveau der beiden Blätter kann man nicht vergleichen. Aber selbst die Bild am Sonntag verlangt 1,70 €/Ausgabe, bei vier Ausgaben im Monat sind dies 6,80 €.
Newsweek kam zuletzt auf 1.527.156 verkaufte Auflage. Der Konkurrent “Time” erreicht 3.276.822 verkaufte Exemplare. Als Begründung für die finanzielle Unterdeckung der letzten vier Jahre nannte Newsweek-Chefredakteurin Tina Brown die schlechte Anzeigensituation im Print-Geschäft. Was die schwindenden Erlöse des Print-Stellenmarkts für die Wirtschaftlichkeit der Tageszeitungen bedeutet, kann man bei meiner zwei Mal pro Jahr stattfindenden Betrachtung des F.A.Z.-Stellenmarkts ablesen:
Print-Stellenmarkt 2012 der F.A.Z. am Samstag erodiert um 14 % weiter
Ich hatte mich immer gegen die Prognosen gewehrt, dass die Online-Stellenmärkte die Print-Stellenmärkte vollständig substituieren. Während in den wirtschaftlichen Spitzenjahren die Auflage großer Zeitungen selbst anzeigenproduktionstechnische Grenzen überschritten (April 2000, F.A.Z. mit 280 Seiten Stellenanzeigen), sind wir doch heute meilenweit von diesem Niveau entfernt.
Finanzierungsmodell der Zeitungen passé
Die populären Zeitungen finanzier(t)en sich über ein dreisäuliges Modell. Anzeigen-/Werbeerlöse, Einzel- und Abonnentenverkauf sowie Stellenmarkt-Erlöse. Durch die Erosion der Stellenmärkte hin zu und in die digitale Medien entfällt faktisch eine der drei Säulen. Bei manchen Printmedien entsprach diese Säule allerdings gut der Hälfte der Gesamterlöse. Die Einzelverkaufs- und Abonnementerlöse decken heutzutage nicht mal mehr die Logistikkosten für die Distribution der Zeitungen an sich. Für eine große Zeitung sind dies rund 1 Mio. € pro Tag (!). Grob kalkuliert bedeutet das für eine Zeitung mit 400.000 Auflage und einem Einzelpreis von 2,20 € Kostenunterdeckung in Höhe von rund 100.000 € am Tag. Somit werden Zeitungen viel krisenfühliger und anfälliger für die Zyklen der geschalteten Werbung. Die Kosten, insbesondere Logistik und Produktion, sind völlig vom Wirtschaftszyklus und den Werbemaßnahmen entkoppelt.
Alles in allem liegt es aus Perspektive der Newsweek nahe, das kostspielige Modell der Print-Produktion als Medium mit der untrennbaren Distribution zur Disposition zu stellen. Was nicht nahe liegt, ob das Geschäftsmodell per “Lift & Shift” auf das Internet zu übertragen ist. Manche Studien bescheinigen, dass die digitale Variante des Qualitätsjournalismus nur in Kombination mit dem eigentlichen Print-Medium zu betreiben ist. Dafür spricht, dass Spiegel, Focus, F.A.Z. viele Doppelabonnenten oder Konsumenten haben, die die digitale Variante und die gedruckten konsumieren. Gesetzt den Fall, diese Hypothese stimmt, wird es 2014 schon wieder eng für “Newsweek Global”.
Thesen zur Zukunft der Print-Medien
- die Erosion der Print-Auflagen wird überproportional zunehmen
- das Zeitungssterben wird zunehmen, insb. bei Tageszeitungen
- Wochenzeitungen werden Auftrieb und stärkere Auflagen erhalten
- Tageszeitungen scheitern am Kostendruck und den Kostensenkungsprogrammen
- Herausgeber, Verlage und Redaktionen verstehen die Möglichkeiten des Internets zu wenig, daran scheitert das Geschäftsmodell
- Angst vor der Kannibalisierung des Print-Geschäfts durch eigene Online-Ableger verhindert Erfolg im Internet und beschleunigt das Ende der eigenen Zeitung
Das Fazit bleibt aber. Die Erosion der Printmedien schreitet weiter und drastisch voran. Innovationskraft der Herausgeber und Verlage reicht nicht aus, diesen Trend umzukehren. “Life” und “Newsweek” sind nur die Vorboten.
Wünsche der F.A.Z. und allen anderen Printmedien eine bessere Zukunft! Wir können auf Qualitätszeitungen nicht verzichten.
Beste Grüße
Marcus Reif
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