Die Welt verändert sich. Die Globalisierung half, Absatzgrenzen zu egalisieren. Das hat die Möglichkeiten vieler Unternehmen massiv verändert. Mit der Digitalisierung verändert sich auch massiv unser Arbeitsalltag, was mancher als Chance, viele als zu abstrakt und einige als sorgenvolle Entwicklung werten. Gleichzeitig erlebt die westliche Welt einen dramatischen demografischen Wandel, der in Kombination mit dem Wertewandel der Generationen in den Unternehmen gerade in Deutschland sehr massiert auftritt. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass in Deutschland bis zum Jahr 2030 bis zu sieben, manche Studien sagen acht Millionen Arbeitnehmer fehlen. Darüber hinaus wurde aus dem Arbeitgebermarkt, der gerade in der Führung eine gewisse Leidensfähigkeit für berufliche Karrieren voraussetzte, ein konzentrischer Arbeitnehmermarkt, der nun den Vorteil für die Erfüllung der Bedürfnisse zu den Kandidaten pendeln lässt. Wertschätzung für das eigene Engagement, Wunsch nach sinnstiftender Arbeit, Bedürfnis nach Selbstverwirklichung sind nur einige Betrachtungen dieses Wandels. Entscheidend für das Managen dieser Entwicklung und damit für den unternehmerischen Erfolg ist heute schon die Personalfunktion. Unternehmen, die dies ignorieren, werden erhebliche Schwierigkeiten haben und deutlich höhere Kosten für die Personalfunktionen insgesamt verzeichnen. Denn die Digitalisierung wirkt nicht nur auf technische Abläufe. Unser ganzes Leben ist schon maßgeblich von der Digitalisierung ergriffen.
Worklife-Balance ist rum – Arbeit und Leben konkurrieren nicht miteinander
Kaum eine Stellenanzeige kommt ohne den Hinweis auf eine gute Worklife-Balance aus. Problem dabei ist, dass die Gen Y (in Teilen) und Gen Z diese Errungenschaft der Generation X nicht sonderlich wertschätzt. Arbeit und Leben konkurrieren nicht miteinander. Arbeit und Leben sind – je jünger die Generationen sind – ein mehr und mehr fließender Übergang. Bei der Arbeit leben und beim Leben arbeiten ist das Lebensprinzip, was die Vermischung der beiden Welten miteinander neue Herausforderungen bedeutet. Eine gute Antwort darauf ist die Flexibilisierung. Geht um Flexibilisierung von Arbeitszeit, von Arbeitsort, Freiraum für das Verbinden der persönlichen Interessen, geht um den Respekt des Arbeitgebers vor den persönlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter. Die Liste ließe sich beliebig ergänzen. Deshalb gibt es einige nette Vorträge, in denen bereits von Worklife-Bullshit die Rede ist.
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Ende der Work-Life-Balance und Beginn von flexiblen Arbeitswelten rund um …
- Arbeitszeittreue des Unternehmens
- Flexibilisierung der Arbeitszeit des Mitarbeiters
- Flexibilisierung des Arbeitsorts des Mitarbeiters
- Zeitsouveränität des Mitarbeiters
- Respekt vor den persönlichen Interessen des Mitarbeiters
- Programme zu Elternzeitregelungen, Elder-Care etc.
Die Grenze aus Arbeitszeit und Freizeit verschwimmt immer mehr – und deshalb werden Flexibilisierungsinstrumente enorm wichtig und beschreiben eigentlich das Ende der Work-Life-Balance, weil nachfolgende Generationen nicht mehr zwischen “Work” und “Life” differenzieren (verstärkt durch permanente Erreichbarkeit via E-Mail, Smartphones etc.). Es gibt keine Entscheidung mehr, die noch unsere Väter und Großväter trafen, zwischen Arbeit und Leben. Beides ist möglich und beides müssen Arbeitgeber auch möglich machen. Zum Beispiel durch ein Ende des Präsenzfetischs.
Ende des Präsenzfetisch #NewWork #Flexibility Share on X
Digitalisierung ist ein Schreckgespenst
Die Digitalisierung wird – für mich überraschend – für viele als Schreckgespenst gesehen. Als ein Störenfried, der die gerade bequem eingerichtete Wirtschaftswelt in Bewegung bringt. War aber doch gerade so nett. Und einige in der Wirtschaftswelt betrachten die Digitalisierung mit einem hohen Maß an Abstiegsangst. Man erkennt dies in den anzähligen Berichten, welche Quantität an Jobs durch die Digitalisierung wegfallen werden. Doch darum geht es doch gar nicht. Die Digitalisierung wird die wenigsten Jobs obsolet werden lassen, aber die meisten Jobs ändern! Und diese Änderung, diesen Wandel müssen wir begleiten.
Politisch gesehen glaube ich, dass die Abstiegsangst derzeit viele zu weniger rationalen Wahlentscheidungen hinreißen lässt. Durch die zunehmende Digitalisierung wird diese Sorge noch beschleunigt werden. Allerdings ist die Digitalisierung eine echte Chance! Nehmen wir nur mal diese Hypothese: 65 % unserer Kinder bekommen Jobs, die es heute noch gar nicht gibt.
Wir Menschen sorgen für den Erfolg der Digitalisierung
“Dein Schatten ändert sich nicht, wenn Du eine andere Hose anziehst” @gebhardborck über #Unternehmenskultur #EWC16S
— Dominik Brünner (@d_bruenner) 12. November 2016
Wir sind wieder beim Thema Denken. Habe meine Gedanken zur Kultur und dem Umgang in der Führung im Beitrag Das globale Du und der Dresscode beleuchtet.
Manager werfen die Krawatte in den Schrank, das Hemd bleibt offen, sie tragen Sneakers und Duzen sich auf allen Hierarchieebenen. Das global gebräuchliche Du nimmt Einzug auch in die biedersten Unternehmenskulturen. Hippe Startups duzen ihre Kunden, Ikea macht das schon eine ganze Weile. Distanz schwindet und soll dabei helfen, über notwendige Hierarchien hinwegzusehen.
Und zu dieser Sicht passt eben perfekt der Tweet von Dominik Brünner oberhalb. Was für die Kultur gilt, gilt auch für die Elemente darin. Beispielsweise Diversity. Das ist weniger eine Frage von Frauenquote, sondern eine Frage von Haltung. Hier geht es um die Einstellung. Das ist das Fundament für die neue Arbeitswelt, die nicht nur eine Kulturfrage ist, sondern eben auch eine Frage der Arbeitsgestaltung, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsplatzgestaltung.
New Work
Ich glaube an die “New ways of working”. Seit ich bei Accenture begann zu arbeiten, das war 2004, gab es keine festen Arbeitsplätze mehr in meinem beruflichen Leben. Die Bilder von den Liebsten hingen im Rollcontainer, den man nach oben aufklappen konnte. Die Arbeitsutensilien waren damals der Blackberry, das Notebook und eine Kreditkarte. Heute sind es das iPhone, das iPad, ein Notebook und weiterhin die Kreditkarte ;). Die Art, wie und wo und mit wem man beisammen sitzt, wird maßgeblich von der Frage geleitet, was man eigentlich zu tun hat. Schreibt man an einem Dokument, einem Konzept oder bastelt eine Präsentation, muss man sich ein ruhiges Plätzchen suchen, wo man wenig in der Konzentration gestört wird. Im normalen trivialen Alltag gehört der Austausch aber zweifelsohne zu den wichtigen Anlässen, so sitzt man doch eher gemeinschaftlich beisammen.
Vielen Firmen arbeiten gerade an der Umsetzung solcher Arbeitsplatzkonzepten. Die Geschichte der idealen Arbeitsumgebung ist in einigen Beispielen allerdings eine lange Reihe gebrochener Versprechen. Alles hat seine Zeit, alles hat sein Für und Wider. Das Einzelbüro beispielsweise war man weniger abgelenkt, hatte Ruhe, konnte sich konzentrieren. Dabei verlor man ab und an aber den Blick fürs große Ganze. Der Austausch untereinander wurde geringer, was Vertrauen und auch Motivation schmälerte. Im Großraumbüro können sich viele nicht mehr richtig konzentrieren. Introvertierte Charaktere schlägt das Großraumbüro aufs Gemüt. Krankheitsfälle stiegen dort. Auch das Homeoffice war keine Lösung, weil sich irgendwann der innerbetriebliche Zusammenhalt auflöste.
Bleibt die Frage: wie sieht das Büro und der Arbeitsplatz der Zukunft aus? Und wie verschaffen wir diesem Ort eine Seele? Hat dort auch der Mensch und das Unproduktive einen Platz?
Führung und Digitalisierung
Digitalisierung ist ein Treiber für die Veränderung. Und auch ein Katalysator für Kultur. Wichtige Erkenntnis hierbei ist, dass eine Karriere nicht mehr als Lebensentscheidung gewertet wird. Dadurch verzeichnen wir eine stets geringer werdende Loyalität zum Arbeitgeber, gemessen an höherer Fluktuation.
Digitalisierung ist auch ein Instrument
Führung ist ein sehr komplexes Thema. Das hat viel mit den Werten der Führungskraft, deren Erfahrung, den Leitlinien der Unternehmenskultur und dem sozial erwünschten Führungsverhalten zu tun. Nichts Neues wird das ersetzen, jedoch prägen und weiterentwickeln. Beispielsweise wird Big Data für Führung immer wichtiger, ersetzt aber nicht die Erfahrung in dieser Verantwortung sowie Intuition im Umgang mit Menschen. Big Data kann über einen mittleren Zeitraum derzeit schon gut Fluktuation voraussagen. Wird also ein Instrument zur besseren Führung auf lange Sicht. Und immer mehr werden einzelne Führungskräfte einen höheren entscheidenden Beitrag für ein produktives Arbeitsklima leisten. Die gelebte Kultur entscheidet, denn motivierte und kompetente Mitarbeiter sind in der aktuellen Situation des Fach- und Führungskräftemangels der Kern einer positiven Entwicklung. Sie sind ein entscheidender Vorteil!
Menschen machen die Digitalisierung erfolgreich. Und es wird oft verkannt, wenn Prognosen in die Welt gegeben werden, wie viele Millionen Jobs die Digitalisierung obsolet werden lässt, dass nur Bereiche der Tätigkeit betroffen sind. Selten sind dies ganze Jobfamilien. Berufsbilder werden sich weiterhin wandeln, vermutlich schneller als in den letzten 30 Jahren.
Disruption
Die Märkte der Unternehmen transformieren sich, die Veränderungsgeschwindigkeit ist exorbitant, die Geschäftsentwicklung unvorhersehbar und volatil. Oder nehmen wir den Neologismus aus der neueren Managementliteratur: disruptiv. Die Veränderungen sind permanent und ständig der Begleiter der Führungskräfte. Führung in disruptiven Veränderungen erfordert sicheres Umgehen mit und in unvorhersehbaren Geschäftsentwicklungen
Ich-Gewerkschaft
Deutsche Unternehmen stehen in einer Welt der Mitbestimmung, Gewerkschaften sichern immer noch die Beschäftigteninteressen. Und doch scheint das völlig aus der Zeit gefallen zu sein. Aus dem Arbeitgebermarkt, der für die eine oder andere Menschenfehlleistung verantwortlich war, ist ein konzentrischer Arbeitnehmermarkt geworden. Die Mitarbeiter sind ihre eigene Ich-Gewerkschaft geworden. Untragbare Zustände werden mit der Konsequenz der Kündigung erwidert. Beschäftigteninteressen haben sich höchst heterogen entwickelt. Die alte Denke von “Arbeiter ist Arbeiter” ist so nicht mehr zu finden. Das System der Mitbestimmung steht vor eine Bewährungsprobe. Somit dürfen sich nicht nur Unternehmen als Arbeitgeber wandeln, sondern auch die Gewerkschaften nach ihrem künftigen Zweck suchen.
Wir haben die Zukunft in der Hand. Machen wir was draus.
Beste Grüße
Marcus Reif
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