Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Die Bundesagentur für Arbeit bemisst die Fachkräftelücke im Jahr 2040 auf 8,7 Mio. So viele Arbeitskräfte werden wohl fehlen. Nimmt man die aktuell vakanten Stellen noch dazu, wächst sich die Talenteknappheit auf 10 Mio. Erwerbstätige in Deutschland bis zum Jahr 2040 aus.

Das Statistische Bundesamt legt sogar nach und erwartet, dass bis zum Jahr 2036 rund 12,9 Millionen Menschen in Rente gehen werden. Das sind 30 % der dem Arbeitsmarkt derzeit zur Verfügung stehenden Fachkräfte. Die jüngere Generation kann diesen Verlust zahlenmäßig nicht ausgleichen. Würden alle Nachwuchsfachkräfte nach der Ausbildung beginnen, vollumfänglich zu arbeiten, gebe es nach aktuellem Stand etwa 8,4 Millionen neue Erwerbspersonen. Wir stehen also bestenfalls vor einer Fachkräftelücke von 4,5 Millionen Menschen.

Heute sind alle Zeitungen voll von Klagen über fehlende Handwerker, Pflegekräfte, Sicherheitspersonal, Gastronomie oder Flugzeugabfertiger, Kindergärtner usw. Restaurants und Metzgereien reduzieren ihre Öffnungszeiten, manches Ladenlokal bleibt ganz zu. Der Arbeitsmarkt erreicht eine nie gekannte Talenteknappheit. Und alles kommt nicht überraschend. Gerade die HR- und Recruiting-Familie geht mit der Botschaft um den War for Talent seit 25 Jahren hausieren. Doch die Kassandra-Rufe blieben ungehört, was sich nun rächt. Unternehmen haben ihre Einstellungsverfahren nicht geändert, es wird immer noch erwartet, dass der Kandidat das fixe Idealbild erfüllt und durch jeden Reifen springt. Fatal! Die Mathematik ist eindeutig. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen nun in Rente. Der geburtenstärkste Jahrgang war 1964 vor dem Pillenknick, seit diesem Jahr erreichen wir nicht mehr die mathematisch notwendigen Geburtenraten von 2,1 jährlich, sondern lagen viele Jahre deutlich unter 1,5. Damals wurden in der Bundesrepublik rund 1,4 Millionen Kinder pro Jahr geboren, danach pendelte sich die Zahl bei rund 800.000 ein. Das Phänomen ist lange bekannt. Das ist nicht durch eine verbesserte Rückkehr von Elternzeitlern, einem höheren Anteil an Integration oder Steigerung der Produktivität alleine ausgleichbar.

In Deutschland fehlen so viele Fachkräfte wie noch nie. Einer Erhebung des Münchner ifo Instituts sind 49,7 % der Betriebe in Deutschland derzeit vom Fachkräftemangel betroffen – am stärksten die Dienstleistungsbranche. Jedes Jahr blieben zwischen 15.000 und 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Die Berliner Politik mit der Ampel-Koalition will allerdings das Einwanderungsrecht reformieren. Das ist aus meiner Sicht das falsche Instrument, ist es doch kurzfristig überhaupt nicht wirksam.


“Jedem zweiten Betrieb fehlt Personal”

F.A.Z. vom 02.08.2022

Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik auf Sicht

Ich mache selbst seit über 22 Jahren Politik, habe seit mehr als 16 Jahren politische Mandate inne und beschäftige mich auf kommunaler Ebene mit der Politik. Ich weiß, wie fatal es sein kann, wenn man nur auf Sicht agiert. Die langen Linien des politischen Handelns sind durch Reformdruck und Innovations- und Investitionsstau aus der Mode gekommen. Das fällt uns gerade mit der einseitigen Abhängigkeit von russischen Energien auf die Füße. Aber auch bildungspolitisch haben wir nach desaströsen OEZD-Zahlen bei den Studienberechtigten und Studienanfängern das Pendel viel zu weit in die Akademisierung schwingen lassen. Heute fehlt es an technischen und kaufmännischen Berufen, an den oben erwähnten Pflegeberufen und Handwerkern. Dafür haben wir nominell zu viele akademische Absolventen auf dem Markt. Das ist das Ergebnis aus Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik auf Sicht. Wir haben nicht die Wendigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt notwendig ist. Die ITler von vor fünf Jahren wären ohne kontinuierliche Weiterentwicklung heute kaum mehr zu vermitteln. Die Planungszyklen in Dekaden passen nicht mehr in die Zeit.

Arbeitsmarkt auch in der Krise robust

Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Freitag (22.07.2022) in Nürnberg mitteilte, ist die Arbeitslosigkeit zwar den zweiten Monat in Folge kräftig gestiegen: um 107.000 auf 2,470 Mio. Dies liegt aber daran, dass Geflüchtete aus der Ukraine seit Kurzem Anspruch auf die Grundsicherung haben und nun zunehmend in den offiziellen Arbeitsmarktdaten erfasst werden – und an den typischen Schwankungen zur Ferienzeit.

Schaut man auf die weiteren Indikatoren, zeigt sich der Arbeitsmarkt trotz der schwächelnden Wirtschaft ebenfalls weiter robust. So ist die Beschäftigung nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Juni um weitere 0,1 Prozent auf 45,4 Millionen gestiegen.

In Deutschland leben so wenig junge Menschen wie noch nie. Während die Bevölkerung mit 83,2 Millionen Menschen einen neuen Höchststand erreicht, ist der Anteil der 15- bis 24-Jährigen so gering wie nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1950: exakt 10 %.

Zahlen, Daten, Fakten

Innerhalb der kommenden acht Jahre wird die Einwohnerzahl Deutschlands um rund 1,6 Millionen schrumpfen. Der Arbeitsmarkt zeigt sich erstaunlich robust. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,3 Punkte auf 5,2 %. Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland ist weiter steigend. Das Statistische Bundesamt erwartet im Jahr 2035 nur noch knapp 48 Mio. Menschen im erwerbsfähigen Alter – das sind rund 3,6 Mio. Personen weniger als im Jahr 2020.

Paradigmenwechsel im Recruiting

Sie kennen den typischen Recruiting-Prozess. Dieser ist meist sehr reaktiv, was heißt, die Recruitingabteilung agiert auf Zuruf aufgrund entstandener Fluktuation oder bei Stellenmehrung. Selten folgt das Recruiting einer festen Personalplanung oder gar einer strategischen Planung. Hand aufs Herz, wie viel der lehrbuchartigen Headcount- oder FTE-Planung aus quantitative Personalplanung, welche die Anzahl der benötigten Ressourcen sicherstellt, der qualitative Personalplanung, zeitliche Personalplanung und Personalplanung nach Standort haben Sie etabliert? Wir agieren doch auf Sicht und wirklich nur in seltenen Fällen aufgrund einer verlässlichen Langfrist-Recruitingplanung. Und das ist Kern des Problems.

Unsere Recruiting-Abteilungen haben sich ein Stück weit aus dem tradierten “Post & Pray”-Ansatz gelöst, also dem Schalten einer Anzeige und dem Beten, dass sich darauf jemand Qualifiziertes bewirbt. Die hiesigen Recruiting-Abteilungen folgen alle der gleichen Logik. Mit viel Aufwand wird ein Mix an Personalmarketing-Instrumenten bespielt, die zum Eingang vieler Bewerbungen führt. Zum Teil wird neben den Bespielen der passiven Sourcingkanäle noch auf aktive zugegriffen, bspw. durch die Direktansprache im eigenen Team oder der Nutzung externer Dienstleister oder Personalberatungen. Die eingehenden Bewerbungen werden dann in einem mehr oder weniger strukturierten Prozess bearbeitet. Die Fachbereiche und Hiring-Manager legen Wert auf eine bestimmte Menge an Kandidaten, aus denen man dann mittels des Interviewprozesses den “besten” auswählt.

Die Zahlen beängstigen natürlich. Was kann helfen?

Helfen 32 Arbeitsstunden in der Woche?

Wir organisieren Arbeit immer noch wie vor 100 Jahren. Seit 100 Jahren nun haben wir in Deutschland den 8-Stunden-Arbeitstag und seit den Sechzigern eine fünf-Tage-Arbeitswoche. Die Technologisierung brachte uns das Internet, Mobiltelefone und Notebooks, zunehmende Automatisierung und Steuerung durch prozessbegleitende IT. Eine Errungenschaft daraus ist räumliche Flexibilität “wo wir arbeiten” und zeitliche Flexibilität “wann wir arbeiten”. Denn der Charakter der Tätigkeit ist schon seit Jahren nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden. Arbeit ist das, was wir tun. Nicht der Ort, zu dem wir gehen

Zunehmende Technologisierung und weitere Automatisierung führen zu steigender Produktivität. Die Ausrichtung, gerade von Wissensarbeit, auf eine 40-Stunden-Woche ist nicht mehr zeitgemäß. Die wenigsten Menschen können sich in den komplexen Office-Jobs ganze acht Stunden am Tag konzentrieren. Die Flexibilität ist viel wichtiger geworden und wird zum Vorteil eines Arbeitgebers.

Oder gar 42 Stunden in der Woche?

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht in seinen Projektionen, dass die jährliche Arbeitszeit im Durchschnitt wohl ansteigen muss. Vor allem bei der Teilzeitarbeit liegt lt. den Studien viel Potenzial: Wenn es dank besserer Kinderbetreuung gelänge, mehr Menschen aus der Teil- in die Vollzeit zu holen, wäre das ein großer Hebel, so das IAB. Die Forderung, die Arbeitszeit, die in Deutschland im Schnitt bei 38,1 Stunde pro Woche in Vollzeit. Eine Anhebung auf die diskutierten 42 Wochenarbeitsstunden wäre also ein Sprung um 10 %. Volkswirtschaftlich betrachtet sinnvoll. Doch der gesellschaftliche Trend geht in Richtung 32-35 Wochenarbeitsstunden.

Ausblick auf 2030

Die Wirtschaft wird wegen des Fachkräftemangels nicht schrumpfen. Sie wird nur langsamer wachsen. Und es gibt auch gute Aussichten: Mitte der 2030er-Jahre ist der Schrumpfungsprozess auf dem Arbeitsmarkt vorbei. Die geburtenstarken Jahrgänge haben den Arbeitsmarkt dann verlassen und wir erreichen ein stabiles Niveau beim Arbeitskräfteangebot. Zumindest sieht das das IAB das so. Zur Wahrheit gehört aber, dass dieser Stabilität eine Erosion der geburtenstärksten Jahrgänge der Generation Baby-Boomer vorangegangen sind. Es bleibt dabei, dass sich die Unternehmen daran gewöhnen müssen, dass sie hart um neue Mitarbeiter buhlen müssen und ebenso viel Aufwand für das Halten der aktuellen betreiben müssen.

Struktur- und Technologiewandel

Die Arbeitswelt verändert sich in einem unfassbaren Tempo. Sicher ist: Die Arbeit wird uns nicht ausgehen. Auch nicht in Deutschland. Die Pandemie und damit auftretende Lieferkettenproblematiken führen die Wirtschaft zum Insourcing. Wir werden wieder in etlichen Branchen geschlossene Fertigungen im Land erleben. Auch dadurch entstehen neue Arbeitsplätze – wenngleich aufgrund von Strukturwandel und Transformation auch Jobs verloren gehen. Sie erleben es, dass wir 2,47 Mio. arbeitslos gemeldete Kräfte haben, aber auch eine Höchstzahl an Vakanzen. Die eine Seite matcht von den Kompetenzen her nicht mit der anderen Seite.

Wir haben viel zu tun. Selten war das People-Management oder HR so gefragt wie heute. Und das an so vielen Stellen. Packen wir es an!

Beste Grüße

Ihr Marcus K. Reif

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