Chance oder Risiko?
Im Erfolg liegt Gefahr. Fragt man Kodak, Sony, Nokia, Blackberry, Nixdorf oder Grundig nach den Gründen für das Scheitern Ihres doch sehr erfolgreichen Geschäftsmodells, wird man vermutlich ziemlich umfangreiche Analysen hören. Die Wahrheit ist recht trivial – diese Geschäftsmodelle und Unternehmen waren zu träge, um dem Markt und seiner Dynamik in den letzten Jahren weiterhin auf Augenhöhe zu folgen. Man muss nicht mutig sein, um die disruptiven Geschäftsmodelle von Google, Apple, Uber, Airbnb, Netflix und vielen anderen innovativen Startups in diesen Kontext zu setzen der gescheiterten Modelle.
Uber yourself before you get kodak’ed #disruption Share on XUrsächlich für diese Entwicklung ist neben der Trägheit der Unternehmen sicherlich eine Mischung aus zu starren Geschäftsmodellen, Verkennen von Trends, mangelnde Innovationsfähigkeit, schlechte Führung und schlechtes Management des Unternehmens. Die Digitalisierung bringt Nachteile für etablierte Unternehmen, die nicht wendig genug auf ein entgrenztes digitales Angebot reagier(t)en. Und tatsächlich bedienen die disruptiven Modelle von Google, Apple, Uber, Airbnb, Number26 und Netflix das Bedürfnis der Konsumenten deutlich intensiver als die etablierten Dickschiffe der Branche. Schnell, unkompliziert, kein starrer Rahmen, günstig und auf den Kunden ausgerichtet. So einfach ist die Erfolgsmischung der disruptiven Geschäftsmodelle vieler Startups.
Der Trend macht auch nicht halt bei sehr komplexen Geschäftsmodellen. Wer baut schon ein Auto in der Garage. Dennoch sieht man, dass Tesla beispielsweise eine ernstzunehmende Gefahr für die etablierten der Automobilbranche geworden ist. Die größten Treiber der Innovation für Tesla sind gleichzeitig die größte Gefahr für die etablierten Unternehmen. Insbesondere sind die erneuerbaren Energien und bessere Energiespeicher wichtige Trends, die Kosten und Eintrittsbarrieren in Elektroautos rasend schnell sinken lassen. Die höher werdende Mobilität der jüngeren Leute führt aber nicht zu einem gleich starken Wachstum des Konsums eigener Fahrzeuge, sondern zu rasant wachsenden Angeboten an Carsharing. Und die Kür wird das selbstfahrende Auto sein. Google ist ja ein Vorreiter. All das – Tesla als neuer innovativer Player und der Trend zu mehr Carsharing – verändert die Branche und macht mittel- und langfristige Prognosen schwierig.
Auch die Bankenwelt steht vor dem Umbruch. Was vor 30 Jahren die Direktbanken waren, sind nun Number26 oder Paypal. Geschäftsmodelle, die von jedem Smartphone aus in Echtzeit und mit maximalem digitalen Service und Funktionalitäten die liebevolle Beratung in der Sparkassen- oder Volksbank-Filiale im Dorf vor Ort schnell vergessen machen. Derzeit gibt es alles in allem rund 35.000 Bankfilialen in Deutschland. Der Commerzbank-CEO erwartet in den nächsten zehn Jahren, dass ein Drittel davon schließen werden. Auch hier sieht man die dramatische Veränderung durch einen veränderten Anspruch an Service und Betreuung, während das Geschäftsmodell im Wesentlich gleich geblieben ist.
Internet? Das geht vorbei
It won’t go away – das ist eine oft verwendete Floskel in internationalen Meetings, an denen ich teilnahm. Führungskräfte verkennen technologische Trends, die außerhalb ihrer fachlichen Komfortzone liegen. Das Internet ist eines der allgegenwärtigen Elemente, die als innovativer Trend massiv unterschätzt wurden. Als ich bei Jobs & Adverts im Jahr 1997/8 im Gespräch mit einer führenden Bank war und groß und breit die Vorzüge der Online-Stellenanzeige präsentierte, hörte ich nur: “Internet hat was mit Pornografie zu tun. Das machen wir nicht”. Heute, gut 18 Jahre später, sind Online-Stellenanzeigen so trivial und etabliert, aber ebensowenig anstößig. In einem hatten die Damen und Herren recht – heute besteht ein Drittel des Traffics im Internet aus Pornografie, aber das ist eine andere Geschichte.
In einem Kreis an Gründungs- und Betriebspartnern des Online-Netzwerks e-fellows.net redete sich eine Mecki um Kopf und Kragen mit der Aussage: “Social-Media? Facebook? Da glauben wir nicht dran. Das ist nächstes Jahr schon wieder out”. So sprach sie im Herbst des Jahres 2005. Der Rest ist evident.
Sicherlich findet man auch Beispiele innerhalb dieser Innovationen. Boo.com vollständig substituiert durch Amazon und andere, SecondLife, wer-kennt-wen.de, studiVZ.de – Facebook dürfte diese Nutzer nun bei sich wissen. Groß gestartet, schnell gewachsen, ziemlich hart gelandet. Weg vom Markt. Das ist der Weg vieler dieser und anderer Namen.
Rahmen der Arbeitswelt 4.0
Diese Trends gehen an der Arbeitswelt, der Arbeitspolitik und somit an unseren Handlungsfeldern natürlich nicht vorbei. Wir müssen uns fit machen für die Digitalisierung. Auf der Kienbaum-Jahrestagung 2015 sprachen etliche HRler – Thomas Sattelberger war dabei, ich durfte ebenfalls meinen Beitrag leisten – davon, dass die Digitalisierung entweder unsere große Chance ist in die Gestaltungsrolle zu kommen oder aber das Risiko, HR völlig überflüssig werden zu lassen. Die Zukunft wird zeigen, welche Auffassung sich als die richtige erweist.
Das Organisationsmodell der HR-Abteilung ist eine der grundsätzlichen Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir kann HR mit all seinen Disziplinen einen Wertbeitrag zur Gesamtstrategie des Unternehmens leisten? Wie können die Herausforderungen für Wachstum, Stagnation oder Schrumpfung des Unternehmens mit den richtigen Prozessen HR-seitig optimal abgebildet werden?
Manchen HRlern und Führungskräften hilft ein Clustering der Herausforderungen beim Denken. Mein Versuch, diese Themen darzustellen, entspringt aus den Diskussionen der letzten drei Jahre. Voraussetzung ist, dass HR nicht irgendwas tut, sondern einen erkennbaren Wertbeitrag zur Geschäftsstrategie liefert:
Arbeitswelt 4.0
Die zentrale Frage nach der Ausrichtung Ihrer HR-Organisation: sind Sie transaktional oder transformational unterwegs? Wie analog oder digital sind Sie aufgestellt? Die Zukunft der HR-Welt liegt mit Sicherheit nicht im Transaktionen Umfeld. Wir müssen vom Verwalten zum Gestalten gelangen! Trennen Sie Ihre Organisation in die beiden Bereiche “Transaktion” und “Transformation”, somit in “run the business” und “change the business”. Das sind aus meiner Sicht die Elemente erfolgreicher HR-Arbeit.
Menschen
- Welches Profil erfüllt HR in der Zukunft?
- Wie funktioniert in Ihrem Unternehmen eine strategische Personalplanung?
- In welchen Qualifikationsfeldern wollen Sie sich bewegen?
- Wie definieren Sie Aus- und Weiterbildung?
- Welche konkreten Herausforderungen hat Ihr Unternehmen durch Demografie und Fachkräftemangel?
Führung
- Anspruchshaltung der nachfolgenden Generationen Y und Z
- Stärkere Netzwerke und Kommunikation
- Führungsstile und -grundsätze der Gegenwart lösen die althergebrachten Überzeugungen ab
- Unternehmenswerte leiten die individuelle Führung der einzelnen Führungskraft stärker
- Mitarbeiter-Engagement und Commitment beeinflussen Ergebnis, Motivation und Fluktuation
Kultur
- Anspruchshaltung der nachfolgenden Generationen Y und Z
- Stärkere Netzwerke und Kommunikation
- Führungsstile und -grundsätze der Gegenwart lösen die althergebrachten Überzeugungen ab
- Unternehmenswerte leiten die individuelle Führung der einzelnen Führungskraft stärker
- Mitarbeiter-Engagement und Commitment beeinflussen Ergebnis, Motivation und Fluktuation
Prozesse
- Wie reagieren Arbeitszeitmodelle auf das gestiegene Flexibilitätsbedürfnis?
- Recruiting ist die zentrale Disziplin, ist sie zukunftsfähig?
- Wie halten Sie durch Fluktuation Wissen im Unternehmen?
- Optimieren Sie das Wissensmanagement, um bspw. die Ramp-up-Phase neuer Mitarbeiter zu beschleunigen?
- Sind Ihre Prozesse reif für die Digitalisierung?
Organisation
- Welche Wertschöpfung zur Gesamtstrategie kann Ihre HR-Organisation jetzt und künftig liefern?
- Sind die Wertschöpfungsketten zukunftsfähig?
- Ist Ihre Organisation reif für die Digitalisierung?
- Kann Ihre Organisation agil und liquide agieren, also aus dem Denken in Hierarchieboxen herauskommen?
- Wie intelligent managen Sie indirekte Kosten, hoher Anspruch an erstklassige Services und Wendigkeit Ihrer HR-Organisation?
Aus der Beantwortung und Berücksichtigung dieser Aspekte heraus wird der Weg jedes Unternehmens klarer, welches Organisationsmodell der eigene HR-Bereich bekommen sollte. Kienbaum in persona Dr. Jochmann hatte auf der Jahrestagung 2015 in Ehreshoven dazu gesprochen. Die Ansätze kenne ich bereits aus meinen persönlichen Erfahrungen mit HR-Transformationen.
Wie antwortet HR auf die geänderten Anforderungen?
Mit einer neuen Struktur. Vermutlich klingeln Dave Ulrich täglich die Ohren, wenn wieder ein Unternehmen sein Strukturmodell vergewaltigt.
HR-Organisationsmodell “3 Säulen plus” nach Dave Ulrich verkörpert sicherlich am Besten die Kompetenzen der HR-Welt, unser Bedürfnis erstklassiger Transaktionen und Services mit dem notwendigen Gestaltungswillen das Unternehmen fit für die Digitalisierung aufzustellen.
Das könnte eine Antwort auf die Frage sein, wie wird Arbeit 4.0 im Rahmen der Digitalisierung gemanagt. Der HR-Bereich wird einen entscheidenden Teil des Erfolgs der Unternehmen beeinflussen.
Beste Grüße
Marcus Reif
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