Mein Beitrag im Dexperty-Newsletter der Messe Frankfurt.
Marcus K. Reif, Leiter Recruiting und Employer Branding bei Ernst & Young GmbH, spricht im Interview über Personalmarketing in der Arbeitswelt 4.0
Interview: Arbeitswelt 4.0 im Marketing/Personalmarketing
Schon heute nutzten wir tagtäglich eine Vielzahl an Apps, die alle symbolisch für die neue Arbeitswelt stehen. Beim Buchen und Bezahlen von Taxen, beim Einkauf von Kleidung, Lebensmitteln und Verbrauchsgütern, bei der Buchung der nächsten Urlaubsreise und vielem mehr. Die Smartphone-Durchdringung in Deutschland ist außerordentlich hoch.
Solche Beispiele finden Sie auch im beruflichen Alltag. Prozesse und Abläufe werden zunehmend digitalisiert und in die Cloud verlagert. Digitalisierte Business Netzwerke werden immer wichtiger und bringen neue Formen der Zusammenarbeit hervor. Dasselbe erleben wir übrigens auf maschineller Ebene beim Internet der Dinge. Vernetzte Geräte interagieren ohne menschliches Zutun. Und die Automatisierung wird immer weitere Bereiche erfassen, nicht nur standardisierte Abläufe, sondern auch Wissensarbeit. Dies alles sorgt für eine höhere Taktung der Arbeit, eine Beschleunigung und zunehmende Verdichtung.
Wir Deutschen sind führend im tertiären Wirtschaftssektor, der von Dienstleistungen und Services bestimmt wird. Dort erleben wir, wie eine strikte Ergebnisorientierung immer deutlicher in den Vordergrund rückt. Sie hat die Inputorientierung früherer Generationen abgelöst. Damit ist auch mehr Flexibilität gefragt. Und ein neues Verständnis von Führung, die heute eher Coaching und Partizipation ist als Ansage und Kontrolle des Erfüllungsgrades.
Zu beobachten ist auch eine Evolution der Statussymbole. Weniger der Sportwagen, sondern beispielsweise eine gute Zeit mit den Kindern, Freizeit oder persönliche Präferenzen überwiegen. Mit anderen Worten: Der Wandel ist umfassend und schon weiter fortgeschritten, als vielen bewusst ist.
Welche Veränderungen ergeben sich daraus für das Marketing bzw. Personalmarketing der Zukunft?
Das antiseptische Hochglanzmarketing geht zu Ende. Authentizität und Realismus, Überzeugungen und Werte überwiegen das moderne Personalmarketing. Gleichzeitig geht es deutlich darum, die konkreten Möglichkeiten und Chancen zu transportieren.
Darüber hinaus wird das Umfeld jeder Person von über 5.000 Marken pro Tag unterbewusst durchdrungen. Schon allein deshalb ist es heute viel schwieriger, mit den eigenen Marketinginstrumenten das nötige Momentum zu erreichen. Werbung muss noch smarter sein als früher, was gleichermaßen für das Personalmarketing gilt. Hinzu kommt die Interaktionsfähigkeit moderner Werbeformen, auf die Zielgruppen mit höherer Wahrscheinlichkeit reagieren.
Moderne Werbung zielt sicherlich weiterhin auf die Differenzierung zu den Mitbewerbern und auf die erfolgreiche Ansprache dynamischer und hochvernetzter Zielgruppen. Doch die Wege zum Ziel ändern sich.
Inwiefern wandeln sich die Anforderungen in Hinblick auf die Menschen im Unternehmen?
Ich bin überzeugt, dass wir nach dem Führungsdogma „Resource Management“ wieder den konkreten Menschen in den Blick nehmen müssen. In einer komplexen Welt und in unübersichtlichen Zeiten lässt sich eine vielschichtige Organisation nicht per Excel managen. Die Globalisierung, die Demografie, Digitalisierung und ausgeprägte Werteorientierung der nachfolgenden Generationen zeigen, dass das Werben um die besten Talente stetig zunimmt.
Die wesentliche Herausforderung ist mittlerweile auch weniger das Gewinnen dieser Talente, sondern deren langfristige Bindung an den Arbeitgeber. Dies kann nur gelingen, wenn der Mensch im Mittelpunkt der Personalpolitik und der Unternehmensstrategie steht. Die Instrumente hierfür sind evident.
Wie können Unternehmen sich auf diesen grundlegenden Wandel einstellen?
Unternehmen sind sehr feine, hoch komplexe und fragile Konstrukte. Jeder Arbeitgeber muss verstehen, dass man alleine durch das Managen der Produktionsfaktoren keine moderne Kultur prägen kann. Die HR-Abteilung kann eine wichtige Rolle dabei spielen, beispielsweise die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass eine Kultur sich kontinuierlich weiterentwickelt. Sie kann auch gezielte Anpassungen dort vornehmen, wo eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft.
Etwa wenn es um die Steigerung der Digitalkompetenz geht, um mögliche Flexibilisierungen von Arbeitszeit und Arbeitsort, um die Leistungsbeurteilung anhand von Resultaten, und die Stärkung einer modernen Führungskultur und die Selbstverantwortung der Mitarbeiter oder um eine Werteorientierung im Einklang mit den Überzeugungen der senioren und der junioren Kollegen.
Wir werden die Arbeitswelt 4.0 nicht allein durch eine Summe von Einzelmaßnahmen gestalten können. Deshalb sollte niemand den übergeordneten kulturellen Aspekt unterschätzen. Er ist ein Schlüssel dafür, die Chancen des Wandels für das eigene Unternehmen zu erschließen.
Interview mit Marcus K. Reif für den dexperty-Newsletter 06/2016 der Messe Frankfurt
Beste Grüße
Marcus Reif