Zu viele Prediger, Wahrsager und Propheten beehren die HR-Landschaft. Niemand weiß, was morgen kommt. Und doch umgibt die HR-Welt das Gefühl, dass morgen alles anders sein muss, sonst wird es nicht gelingen mit unserem Anspruch an qualifizierten HR-Services und kulturprägender Personalpolitik. Komme mir ja auch manchmal vor wie ein Prediger.
Wofür wir morgen arbeiten und weshalb überhaupt
Sensationelles Thema. Lese ich Sattelberger, ändert sich alles grundlegend. Lese ich CEO-Berichte aus Davos, ist jeder dankbar über das geringste Maß an Veränderung und deutlich mehr Konstante. Sattelberger ist nicht nur der Meinung, dass sich alles grundlegend ändern muss, er beschreibt den notwendigen Umbruch aufgrund des deutlich zunehmenden Fachkräftemangels, dem Führungsversagen, der technologischen Entwicklung, u. a. durch Social-Media, “Burnout”, Wertewandel und Diversity. Fast schon zu viele Themen für einen Blog-Beitrag. Aber Führungsversagen nehme ich mir mal gesondert vor. Demnächst ;)
Einige Dinge sind ja dennoch evident, nämlich die Zunahme von Komplexität in den Abläufen, Verdichtung des Faktors Arbeit und die Beschleunigung der Arbeit an sich. Dass sich aus dieser Entwicklung viele Menschen nach Entschleunigung sehnen und über Stress beschweren, ist also keine Überraschung.
Gerade an Weihnachten konnte man aus fast jedem Weihnachtsgruß den Wunsch nach mehr Ruhe, Gelassenheit und Entschleunigung herauslesen. Nach einem wirtschaftlich vorsichtigen Jahr haben sich die Ergebnisse vieler Unternehmen doch sehr positiv entwickelt. Und gegen Ende beginnt die typische Jahresendrallye mit Jahresabschlüssen, Zielvereinbarungen oder Performance-Gesprächen bevor man dann in die ruhige und besinnliche Weihnachtszeit geht. Und mancher stellte sich die Frage: wozu das Ganze?
Wenn man den komplette Zeitbedarf auf die Lebenszeit anrechnet, dann schläft man 23 Jahre seines Lebens, man arbeitet im Durchschnitt rund acht Jahre. Nimmt man die Zeit zwischen 20 und 60 Jahren, dann verbringt man den aktiven Abschnitt seines Tages zumeist mit Kollegen, weniger mit Familie. Aus diesem Grund tragen die Arbeitgeber natürlich eine gewisse Verantwortung für die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Weiterentwicklung des Personals und eben auch für deren Gesundheit bzw. Präventation vor Arbeitsplatz-induzierter Erkrankung. Health- und Gesundheitsmanagement stehen ja auf der Agenda der Arbeitgeber weiter oben.
Was sind die guten Vorsätze?
Kleiner Ausflug in die guten Vorsätze des Jahres 2014. Und – wen wundert es – steht dort mehrheitlich “Stress vermeiden und abbauen” sowie “mehr Sport” ganz oben auf der Liste. Das passt zu den Bemühungen der Arbeitgeber und dem neuen Werteverständnis der nachfolgenden Generationen:
Bleibt die Frage, weshalb man eigentlich arbeitet?
Wozu das Ganze?
Eine sehr gute Frage, fast schon philosophisch. Weshalb geht man arbeiten? Der tradierte Zweck von “Arbeit” ist schlicht, das eigene Überleben zu sichern. Die Nachkriegsgeneration der Baby-Boomer verfolgte das Prinzip “leben, um zu arbeiten” und war in ihrem ganzen Habitus geprägt davon. Der Mensch muss essen, trinken, wohnen, will materiellen Bedürfnissen nachkommen und konsumieren. Die Generation X, von Florian Illies auch Generation Golf genannt – hatte mit dem Prinzip “arbeiten, um zu leben” schon eine deutlich andere Ausprägung, insbesondere was das Konsumverhalten anging. Luxus, Genuss und sich auch mal was gönnen waren auf einmal die wichtigen Leitlinien des Lebens. Die Gen Y lässt sich von einem sehr ausgeprägten Bedürfnis nach Flexibilität leiten und folgt dem Prinzip “Leben und Arbeit in einem fließenden Übergang”. Deshalb greift auch der Begriff “Work-Life-Balance” nicht mehr, weil diese Generation und die darauf folgende nicht mehr zwischen “Work” und “Life” trennen. Das ist das Leben. Mancher HR-Prophet und Vordenker spricht dann auch richtigerweise von der Lebensbalance.
Was möchte die künftige Generation?
Die Gen Y will schnell vorankommen. Sie will Arbeit und Leben in einem fließenden Prozess und Übergang verstehen. Aus diesem Grund ist “Flexibilität” so wichtig als Nachfolge-Instrument der Work-Life-Balance (Das Ende der Work-Life-Balance). Die Generationen davor – X und Baby Boomer – verstanden Arbeit als Lebensinhalt bzw. wollten arbeiten, um zu leben. Die Biografie wird andere Aspekte aufzeigen und sicherlich deutlich umfassender sein.
Die Generation Y wird die Kultur in den Unternehmen stark beeinflussen und mithin verändern. Weshalb? Die Gen Y ist häufig materiell vollversorgt und überbehütet, aufgewachsen in Wohlstand und Frieden. Sie setzt ihr Prinzip nach einer völlig neuen Priorität: Erfüllung und Selbstverwirklichung.
Generation Baby-Boomer |
Generation X |
Generation Y |
Prinzip “leben um zu arbeiten” | Prinzip “arbeiten um zu leben” | Prinzip “Leben und Arbeit im fließenden Übergang” |
Mehr dazu auch im Beitrag “Generation Ladekabel” mit vielen Aspekten und Attributen rund um die Generationen.
Die Megatrends haben wir alle schon durch und besprochen. Nun müssen die Unternehmen an die eigene Kultur ran. Verständnis aufbauen für immer unterschiedlichere und selbstbewusstere Generationen, die aber die künftigen Führungskräfte werden und deshalb deren Bedürfnisse ein wichtiger Schritt in die Zukunft bedeuten. Und alles dreht sich um die Gen Y, die aber stand heute schon nominell 33/34 Jahre alt ist, ergo die nächste Generation – die Gen Z – schon mit den ersten Bewerbungen auf sich aufmerksam macht.
Gestiegene Ansprüche
Schauen wir unsere Gesellschaft an, dann erkennen wir, dass die den Baby-Boomern nachfolgenden Generationen deutlich gestiegene Ansprüche haben. Man kann unken, dass dies aus der Perspektive der ersten Nachkriegsgeneration auch nicht sonderlich schwer ist. Doch schauen wir mal auf ein paar Beispiele.
Früher wurde in Fahrgemeinschaften oder mit dem “Werksbus” der Weg zur Arbeitsstelle geregelt. Bis tief in die achtziger Jahre hinein galt ein Zweitauto für eine normale Familie noch als absoluter Luxus. Oder Urlaube in spannende Länder fernab von unserer Heimat. Früher galen das Zelt, der Wohnwagen oder der heimische Schwarzwald als Urlaubsziele Nr. 1.
Arbeitsvolumen pro Woche
Das Arbeitsvolumen der Deutschen ist in den vergangenen Jahrzehnten permanent gesunken. Nach den Niederländern leisten die Deutschen je Kopf am wenigsten Arbeitsstunden im Jahr, was allerdings mit der hohen Teilzeitquote in beiden Ländern zusammenhängt. Schaut man sich nur die Vollzeitkräfte an, liegen wir mit rund 1.900 Stunden per annum allerdings schon im oberen Sektor der europäischen Nachbarn. Dennoch muss das Ziel sein, einen Produktivitätsgewinn durch eine Wochenarbeitszeit von >38 Stunden zu erreichen. Diskussionen über eine Arbeitszeit unterhalb 40 Stunden im Mittel wird zu einer dauerhaften Beschädigung unserer Wettbewerbssituation führen.
Seit 1964 Rückgang der Geburtenquote
Herzlichen Glückwunsch! Der stärkste Geburtenjahrgang war 1964 und wird dieses Jahr 50!
Und das ist Teil der Wahrheit rund um dem demografischen Wandel und den Fachkräftemangel. Dass der “War for Talent” vorbei ist, schreibe ich permanent. Die Talente haben gewonnen! Denn die Generation Y ist deutlich kleinere Alterskohorte im Vergleich zu den vorangehenden Generationen X und Baby-Boomer. Der Arbeitsmarkt wird enger, die Talente, Fach- und Führungskräfte deutlich knapper. Was ist die strategische Antwort auf diese Entwicklung? Produktivitätszunahme, Effizienzgewinn, Zuwanderung, Förderung von Teilzeit-Jobs und verstärkte Integration von Eltern (weiblich und männlich) zurück in den Job, Inklusion und zielgerichtete Bildungsstrategie. Doch diese Maßnahmen an sich werden die Fachkräftelücke nicht völlig schließen.
Eine sehr spannende Diskussion der letzten Wochen aus mehreren Unterhaltungen zeigt, dass auch die über 40-Jährigen vom Status-Symbol des Autos Abstand nehmen. Sie sind noch nicht so mutig wie die Gen Y oder Gen Z, für die Carsharing kein modischer Schnickschnack, sondern eine bequeme Form der Mobilität ist, aber auch hier sieht man, dass gestandene Führungskräfte vom X5 oder Porsche auf deutlich kleinere, praktischere Fahrzeuge umsatteln. Meist begleitet von der Aussage: “das brauche ich echt nicht mehr” – bezogen auf das Statussymbol.
Wofür wir morgen arbeiten und weshalb überhaupt?
Einfache Frage, einfache Antwort: für Geld ;). Aber im Wesentlichen für Selbstverwirklichung, für die persönliche und fachliche Weiterentwicklung, für den persönlichen Konsum.
Demografischer Wandel
Ich stehe total auf diese Infografiken. Diese hier ist richtig gut und zeigt auf einer guten Länge die Aspekte des demografischen Wandels mit Fokus auf die Arbeitgeber:
Quelle: Tower Watson
Hoffe, dieser Beitrag hat einen ersten und guten Einblick gegeben.
Beste Grüße
Marcus Reif