Wie bewerbe ich mich in zehn Jahren?
Ich erlaube mir einen Blick in die Kristallkugel. Im Grunde sprechen nicht so viele Dinge dafür, dass der ‘deutsche Weg’ der Bewerbung sich fundamental und mehrheitsfähig ändern wird. Der übliche Weg ist eine gestaltete Bewerbung mit einem Anschreiben und Lebenslauf, Zwischen- oder Abschlusszeugnissen sowie den letzten Schul-/Hochschul-Zeugnissen respektive Ausbildungsbescheinigung. Ergänzt wird dies oftmals durch die ‘dritte Seite’. Dennoch bin ich sicher, dass der enger werdende Arbeitsmarkt, der in den konzentrischen Arbeitnehmermarkt führte, den Convenience-Faktor bei der Bewerbung verstärken wird.
Was bedeutet das?
Convenience-Faktor
Wir werden Möglichkeiten sehen, die einen einfacheren Weg der Bewerbung zum Arbeitgeber zeichnet. Heute schon gehört bei einem Großteil der Banken, Konzerne und Beratungen die Papier-Bewerbung der Vergangenheit an. Das ist auch richtig so, denn der schnellste Weg zum Arbeitgeber geht über die Internetseite und die Online-Bewerbung.
Kehrseite der Online-Bewerbung
Doch was ist die Kehrseite der Online-Bewerbung? Viele Bewerberinnen und Bewerber sehen darin eine schlechtere Präsentationsmöglichkeit für sich und die eigenen Stärken, denn die fehlende Haptik der Papierbewerbung ist zweifelsohne ein wegfallendes Beurteilungskriterium. In Richtung Potenzial und Talent eines Bewerbers eher nachrangig und subjektiv, aber eben ein wegfallendes Kriterium. Ein weiterer Punkt sind die Online-Bewerbungsformulare. Manche Beispiele wiegen mit 20-30 Minuten Zeitaufwand für eine Online-Bewerbung auf mit etlichen technischen Hürden, die in der Gesamtbetrachtung alles andere als eine bequeme Form der Bewerbung sind. Und für Personen in der aktiven Bewerbungsphase bedeutet dies, mal und mal die gleichen Daten in die Formulare ihrer bevorzugten Arbeitgeber einzutragen. Und damit kommen wir zu einem Kritikkern, den die Arbeitgeber, die IT-Entwicklung und Bewerber gleichermaßen in den nächsten Jahren verändern werden und wollen. Die Form der Bewerbung!
Während meiner Beratungsphase bei der F. A. Z. haben wir an diesem Thema gearbeitet und sogar mit HR-XML, SEP 2.0 einen Standard gefunden, der für Lebensläufe mittlerweile in vielen populären Systemen Einzug gehalten hat. Selbst die Bewerbung via XML-Daten war mit dem F.A.Z.-Online-Stellenmarkt damals schon möglich. Vielleicht einfach 10 Jahre vor der Zeit
Digitale Bewerbungsmappe
Bei der F.A.Z. arbeitete ich an einem austauschbaren Format für eine Bewerbung. Neben den beiden zur damaligen Zeit etablierten Optionen – JobKey sowie HR-XML – gab es nicht allzu viel. Wenn keine Standards bestehen, muss man welche definieren! Meine Wahl fiel damals auf HR-XML. Eigentlich war dies eine technische Struktur für Stellenanzeigen, die aber wunderbar auf digitale Lebensläufe anpassbar war. Mit dieser Technik als Basis gestalteten wir damals die digitale Bewerbungsmappe auf FAZ.NET. Man gab seine persönlichen sowie die bewerbungsrelevanten Daten ein, lud Dokumente, wie Lebenslauf und Zeugnisse, hoch. Fertig. Mit einem festen Link zu seiner eigenen Bewerbungsmappe konnte man in E-Mail-Bewerbungen den Link dazu aufnehmen, die Arbeitgeber fanden dort alle Informationen. Das ist erst einmal nicht mehr als eine Bewerbungshomepage, aber! Die Technik konnte mehr. Man konnte dort ein XML generieren und in die Bewerbungsmanagement-Systeme der großen Anbieter – SAP und Peoplesoft – importieren. Welch ein Geschwindigkeitsvorteil für Bewerber und Arbeitgeber. Die Kür wäre gewesen, mit einem Klick auf “online bewerben” bei einem Arbeitgeber die XML-Bewerbung direkt tief ins System zu platzieren. Für die hochbewerbungsvolumigen Arbeitgeber wäre dies eine unglaublich große Verbesserung gewesen. Bedauerlicherweise konnte diese Innovation nicht umgesetzt werden. Die Gründe folgen an anderer Stelle.
“Convenient Application”
Nehmen wir diesen kleinen Prolog als Einstieg in die Entwicklung einer “Convenient Application”. Da der Arbeitsmarkt immer enger wird, die Entwicklung zum Arbeitnehmermarkt für Arbeitgeber immer anspruchsvoller wird, wird man deutlich mehr Zeit (und Geld) in die technische und prozessuale Entwicklung eines für den Bewerber bequemen Bewerbungsprozesses investieren.
Schauen wir uns mal im Detail an, wie ein Selektionsprozess funktioniert:
Die Prozessschritte Awareness, Consideration, Desire und Application eines Bewerbers in diesem Selektionsworkflow erkläre ich jetzt nicht mehr getrennt, aber sie spielen bei der These eine Rolle. Die ersten beiden Schritte müssen deutlich bequemer werden, da hier die größte Cut-off-Quote der Bewerbungen im Selektionsprozess der Unternehmen liegt. Das würde bedeuten, wenn man mehr Wert und Gewicht auf den Schritt Pre-Screening legen würde, könnte die Bewerbung mit weniger Umfang zu einem guten Ergebnis kommen. Kombiniert man dies mit einem ersten eignungsdiagnostischen Element, um Potenzial und Talent zu erkennen, gewinnt der Prozess an Objektivität und Aussagekraft. Für diesen Schritt kann man die Social-Media-Bewerbung etablieren, die ich unterhalb noch beschreibe. Die deutlich geringere Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber, die über den ersten Cut-off weiter im Selektionsprozess betreut werden, könnte man zu diesem Punkt – den zweiten Review – auch um mehr Informationen bitten. Zeugnisnoten, Zeugnisse des Arbeitgebers und Zertifikate werden bei einem negativ assoziierten Selektionsprozess auch erst ab diesem Schritt relevant.
Bewerbungsmöglichkeit via Social-Media-Profil
Für mich wird der absolute Trend in den nächsten Jahren die Bewerbung bei einem Arbeitgeber mittels Social-Media-Profil sein. Also zum Beispiel die Bewerbungsmöglichkeit bei einem Arbeitgeber Ihrer Wahl mit dem fertigen xing.com-Profil – ohne die Eingabe der Daten im Formular des Bewerbungssystems. Eine bequeme Form der Bewerbung per Knopfdruck mit den Karriere-relevanten Informationen mit dem stets aktuellen Profil des präferierten sozialen Netzwerks.
Heute schon gibt es diese Möglichkeit zum Beispiel mit dem Linkedin-Profil und dem Bewerbungsmanagementsystem Taleo von Oracle, hatte hierzu schon gebloggt: “Linkedin und Taleo stellen gemeinsame Recruiting-Schnittstelle vor“.
Wenn Linkedin und der Branchenprimus xing.com dies noch auf weitere Anbieter als derzeit nur SAP ausbauen werden, wird an diesem Trend kein Weg vorbeigehen. Logisch betrachtet gibt es nur Vorteile. Im Prozess gibt es – nebst der Schnittstellenthematik, Datenschutz und Handshake – einige Hürden, die man aber nehmen kann. Also werden Linkedin, Xing.com und vielleicht sogar Google+ wichtige Plattformen für den künftigen Bewerbungsprozess sein. Heute bezeichnen viele Xing.com und Linkedin als bessere Adressbücher. Die Kritik am Wachstum, der Vereinheitlichung der Plattform für die Internationalisierung brauche ich hier nicht auszuführen. Sicherlich wird die Bewerbungsmöglichkeit nicht zum Primär-Feature werden. Als Sekundär-Feature aber alles andere als nice-to-have.
Fazit
… und mein Appell an die Online-Stellenmärkte
Diesem Trend “bewerben mit Social-Media-Profil” wird sich meiner Auffassung nach keiner der großen und mittelgroßen Arbeitgeber, Beratungen und Konzerne entziehen können! Das wird spannend! Aber eben nicht nur für Arbeitgeber, die sich hiermit auseinander setzen müssen, und Bewerbern, die das immer mehr einfordern, nein, die Online-Stellenmärkte werden das als Kundenbindungsinstrument entwickeln müssen. Ohne eine Bindung an die Bewerberdaten des Online-Stellenmarkt-Nutzers werden die Online-Stellenmärkte austauschbar werden wie Tankstellen. Und anhand der Tankstellen sieht man, wie mit Bonus- und Kundenkarten die Bindung vorgenommen wird. Das ist jetzt kein Appell für eine Kundenkarten bei Jobbörsen, eher ein Appell, sich mit der datenoffenen Struktur der bewerbungsrelevanten Daten und deren sicheren Übergabe in die Bewerbungsmanagement-Software der Arbeitgeber zu beschäftigen.
Ich leiste gerne meinen Beitrag dazu hier auf diesem kleinen Blog ;)
Beste Grüße
Marcus Reif