Die meisten Führungskräfte sehen sich als leitende Angestellte. Doch sind sie das eigentlich? Wir müssen unterscheiden zwischen der umgangssprachlichen und juristischen Definition des leitenden Angestellten. Hier ein kurzer Exkurs.
Die meisten, die sich selbst als leitende Angestellte sehen, sind nämlich gar keine. Hierzu dient beispielsweise der Blick in § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Unerheblich von der Einstufung als leitender Angestellter im juristischen Sinne ist, was im Arbeitsvertrag steht. Steht im Arbeitsvertrag die Einstellung als “leitender Angestellter”, heißt das nicht, dass die Position auch die Kriterien im juristischen Sinne erfüllt. Natürlich kann dieser Arbeitnehmer im Innenverhältnis als leitender Angestellter auftreten, aber arbeitsrechtlich die Definition nicht erfüllen. Deshalb die Unterscheidung in umgangssprachlicher und juristischer Definition.
Leitende Angestellte im juristischen Sinne
Um zu einer klaren Definition des leitenden Angestellten zu gelangen, dienen die Kriterien aus den beiden folgenden Gesetzen: Das Kündigungsschutzgesetz sowie das Betriebsverfassungsgesetz. Nur bei Erfüllen dieser Kriterien ist der Arbeitnehmer als leitender Angestellter zu würdigen.
- §14 II Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
- §5 III Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Im juristischen Sinne leitende Angestellte haben weitreichende Befugnisse im Unternehmen und besitzen die Autorität für eigenständiges unternehmerisches Handeln. Merkmale eines leitenden Angestellten im juristischen Sinn sind:
- Generalvollmacht oder Prokura (in erheblichem Umfang)
- Kündigungsbefugnisse und Einstellungsbefugnisse
- Unternehmerfunktion (Geschäftsführer, Betriebsleiter oder ähnliche leitende Angestellte)
Warum ist die Definition so wichtig?
Leitende Angestellte unterliegen beispielsweise nicht dem Kündigungsschutz im Vergleich zu normalen Arbeitnehmern. Das heißt, dass das Kündigungsschutzgesetz eingeschränkt anwendbar ist mit einer grundlosen Beendigung gegen Abfindung (§§ 14 Abs. 2 KSchG, 9 Abs. 1 S. 2 KSchG). Auch können diese leitenden Angestellten nicht bei der Wahl der Arbeitnehmervertretung teilnehmen. Da diese beiden Gesetzen – KSchG und BetrVG – nicht deckungsgleich sind, können Fälle auftreten, bei denen bspw. ein leitender Angestellter keinen Kündigungsschutz genießt, aber nach Betriebsverfassungsgesetz nicht als leitender Angestellter gilt. Bei der Mitbestimmung: Im Kündigungsfall muss die Arbeitnehmervertretung bei leitenden Angestellten nicht gehört werden. Die Auflösung des Arbeitsvertrags ist durch eine Abfindung möglich.
Laut § 18 Arbeitszeitgesetz sind leitende Angestellte im juristischen Sinne aus dem Anwendungsbereich dieser Rechtsnorm ausgenommen, da dieser Personenkreis auch Unternehmeraufgaben unternimmt. Leitende Angestellte stehen demzufolge der Arbeitgeberseite näher als den Arbeitnehmern. Das Arbeitszeitgesetz verzichtet auf die Festlegung von Arbeitszeitgrenzen.
Generell nehmen leitende Angestellte aufgrund ihres erweiterten Entscheidungsspielraumes wichtige Arbeitgeberfunktionen wahr. Sie sind der Arbeitgeberseite näherstehend. Das Betriebsverfassungsgesetz findet grundsätzlich keine Anwendung für die leitenden Angestellten.
Juristisch betrachtet sind leitende Angestellte allerdings als Arbeitnehmer einzustufen, auch wenn Regelungen des Kündigungsschutzes nicht auf sie anzuwenden sind. Typische leitende Angestellte im Unternehmen sind zum Beispiel Prokuristen, Personalleiter und sonstige Führungskräfte auf höchster Ebene. Allerdings ist der Personalleiter kein leitender Angestellter, wenn er Einstellungen oder Entlassungen nur mit Zustimmung der Geschäftsführung vornehmen darf. Der leitende Angestellte ist Arbeitnehmer, insofern gilt das gesamte Arbeitnehmerschutzrecht gleichermaßen für leitende Angestellte mit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsansprüche oder Sonderkündigungsschutz.
Betriebsverfassungsgesetz
§ 5 Arbeitnehmer
(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
- zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
- Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
- regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
§ 14 Angestellte in leitender Stellung
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten nicht
- in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
- in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen.
(2) Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme des § 3 Anwendung. § 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, daß der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
Kurzum (tl;dnr)
- nicht jede Führungskraft ist ein leitender Angestellter
- die Definition “leitende/r Angestellte/r” leitet such aus zwei Gesetzen ab, nämlich aus dem Kündigungsschutzgesetz und aus dem Betriebsverfassungsgesetz
- leitende Angestellte haben charakteristisch Generalvollmacht oder Prokura in erheblichem Umfang, Kündigungsbefugnisse und Einstellungsbefugnisse oder eine Unternehmerfunktion (Geschäftsführer, Betriebsleiter oder ähnliche leitende Angestellte)
- leitende Angestellte unterliegen zur eingeschränkt dem Kündigungsschutzgesetz,
- sie sind definitorisch Arbeitnehmer
- ihr Vertrag kann über eine Abfindung abgegolten werden
- Arbeitszeitgesetz verzichtet auf die Festlegung von Arbeitszeitgrenzen
Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Personalarbeit.
Beste Grüße
Ihr Marcus K. Reif