Die Unternehmen stehen vor einer der größten Herausforderungen – eine moderne Personalbeschaffung, die heutige Generationen anspricht und ein Umfeld im Unternehmen schafft, wo heutige Hochschulabsolventen gerne arbeiten. Das wäre ein stimmiges Employer-Branding!
Ich hatte ja vor einiger Zeit schon über die Herausforderungen im Recruiting gebloggt. Diese sind aus meiner Sicht:
- demografischer Wandel
- Wertewandel der Zielgruppe Hochschulabsolventen
- technologische Entwicklung
Hinzu kommen meine Beiträge zu Mediennutzungsverhalten des Internets innerhalb der verschiedenen Generationen und Generationen im Personalmarketing. Im Grunde dreht sich doch alles darum, was sind die gewünschten Umstände bei dem zukünftigen Arbeitgeber der heutigen Hochschulabsolventen und wie lassen sich diese zu einer Bewerbung im eigenen Unternehmen begeistern?
Ob die Generation der heutigen Hochschulabsolventen nun “Net-Generation” oder “Generation Y” oder “Millenials” genannt werden, die Wünsche, Forderungen, Erwartungen und Hoffnungen sowie die Eigenschaften sind gleich:
Wir arbeiten heutzutage in vielen Branchen schon in einer multipolaren Welt. Das ist bei Konzernen, Großunternehmen, Beratungen und Wirtschaftsprüfungen heute normal, dass sich die Arbeit entgrenzt. Nicht nur Ländergrenzen sind damit gemeint, sondern auch Arbeitszeiten. Ein 8-Stunden-Tag ist in vielen dieser Bereiche fern der Realität. Gleichwohl nimmt bei der Generation Y der entscheidende Faktor bei der Arbeitgeberwahl bzgl. “Work-Life-Balance” seit 2006 auf nun 50 % zu (Quelle: Trendence-Studie 2011). Die Höhe des Einstiegsgehalts ist von 17 auf 27,6 % in den letzten fünf Jahren in der Wichtigkeit nach oben gerückt. Gleichzeitig spricht der hohe Wunsch nach einer Work-Life-Balance dafür, dass der durch die große Zeit von McKinsey im Recruitingmarkt 1995-2005 als Top-Arbeitgeber verinnerlichte Leitgedanke der vollen Leistungsorientierung zu Ende geht. Letztlich zählt aber im Karriereleben nur Leistung. Eine interessante divergierende Entwicklung.
Job-Nomadentum
Die Generation Y intendiert nicht mehr, bei ihrem ersten Arbeitgeber das 25-jährige Betriebszugehörigkeitsjubiläum zu feiern. Arbeit wird als Projekt begriffen, was man für einen noch unbestimmten Zeitraum betreut und danach auch gerne fachbereichsübergreifend verlässt und die persönliche Rolle wechselt. Für Unternehmen, besonders klassischen Typs, ein Unding und ein gleichbedeutender Paradigmenwechsel in der Personal- und Einstellungspolitik. Die Bewerber der Zukunft werden divers sein. Heute predigen viele Unternehmen Diversity, sind aber nicht geübt und nicht strukturiert, um mit dieser Vielfalt umzugehen. Das fängt bei der Personalauswahl an, die immer noch eine negativ-assozierte Selektion ist und weniger eine potenzial-orientierte, um Talente zu gewinnen.
Eine Entwicklung ist branchenübergreifend leider Trend – die Fluktuation nimmt auf allen Hierarchie-Stufen zu. Das ist sicherlich ein Aspekt, der für den wahrgenommenen Projekt-Charakter der Karriere spricht – das Jobnomadentum! Das macht Arbeit teurer und das Recruiting ebenso, zusätzlich wird das Recruiting deutlich komplexer.
Recruiting von Berufserfahrenen!
Ein Trend der aus der steigenden Fluktuation insbesondere der noch mit wenig Berufserfahrung (2-5 Jahre Berufserfahrung) behafteten Kohorte entsteht, ist der steigende Bedarf an externer Besetzung von Experten und Spezialisten mit Berufserfahrung. Früher galt: “schalten wir eine Anzeige in der F.A.Z. und alles wird gut”. Heute ist der Print-Stellenmarkt der F.A.Z. keine große Fundgrube mehr. Im Schnitt stehen dort wöchentlich 17 Seiten Stellenanzeigen. Mit den sozialen Netzwerken xing.com, linkedin.com und natürlich Facebook bieten sich neue Möglichkeiten, einen direkten Kontakt mit interessanten Persönlichkeiten herzustellen. In der Realität erlebt man diese Form des Recruitings doch eher stiefmütterlich behandelt.
Aber wie findet man Experten mit 2-5 Jahren Berufserfahrung? Für Personalberatungen ist dies eine der schwierigsten Zielgruppen. Sie sind im Wesentlichen unsichtbar für Headhunter. Sie nehmen bedingt an Kongressen und als Redner auf Messen teil, sind durch ihre Arbeitsergebnisse auch nicht sonderlich in Erscheinung getreten. Was tut man also, um diese sehr interessante Zielgruppe zu adressieren?
Wo findet Arbeit statt?
Betriebsräte flippen ja heute schon aus, wenn es um die Selbstverständlichkeit von Überstunden geht. Viel spannender ist die Frage, wo findet eigentlich die Arbeit zukünftig statt? Durch die hohe Erreichbarkeit durch Smartphones und Notebooks verschwimmt die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Während der Arbeitszeit wird privat auf Facebook und anderen Internetseiten gesurft, vielleicht sogar eingekauft oder mit Freunden ausgiebig in der Eisdiele getroffen, während der Freizeit werden berufliche E-Mails auf dem Blackberry, iPhone, iPad oder Notebook geschrieben und beantwortet. Hier eine Grenze zu finden, ist nicht möglich. Eines ist sicher, dass die typisch deutsche Präsenzkultur “wer lange im Büro ist, leistet mehr” zu Ende ist.
Der Präsenzgedanke verhindert heute aus meiner festen Überzeugung Innovation! Das Ergebnis der Arbeit zählt doch, nicht der Platz, wo gearbeitet wird. Das wird in vielen Berufsfeldern, ganzen Branchen und die Unternehmen selbst in ihren Grundfesten zu Änderungen zwingen. Wer sich nicht ändert, wird bei dem Werben um die besten Talente das Nachsehen haben.
Wie ist die Generation Y eigentlich?
Viele sagen, dass die heutige Generation sehr gut informiert ist. Das liegt an der Ubiquität der Nachrichten und Informationen. Man muss nicht mehr auf die Nachrichtensendung am Abend oder die Zeitung am nächsten Tag warten. Heute pushen Nachrichten-Apps im Minutentakt Eil-Meldungen aufs iPhone. Was sich hieraus ändert, ist die Fähigkeit, Themen in der ganzen Komplexität und Tiefe zu rezipieren, Thesen daraus abzuleiten und neu zu beleuchten. Vieles scheint hier in die Richtung einer oberflächlichen Betrachtung zu gehen. Für ein Expertengespräch reicht es wohl.
Kritisch soll die Generation sein, sehr kommunikativ, bequem und informiert. Sie sind mit dem Internet groß geworden und sind bestens vernetzt in sozialen Netzwerken. Für sie ist ein hohes Maß an Individualisierung, Selbststeuerung und Flexibilität wichtig. Die Generation Y ist globales Denken gewohnt, soziale Verantwortung ist wirklich wichtig, geht aber einher mit einer schwachen Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. Sie haben ein ausgeprägtes Maß an Kreativität (nicht zwingend künstlerisch, eher kombinatorisch) und laterales Denken.
Die Herausforderungen sind da. Und es erinnert mich stark an Ed Michaels’ “War for Talents” ;-)
Beste Grüße
Marcus Reif
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