Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Sie kennen ja das Klischee über Personalabteilungen. Zu langsam, zu bürokratisch, keine Ahnung vom Geschäft. Beschwerden gegen die Personalabteilung sind nichts Neues. Sie sind innerbetriebliche Folklore. Diese Beschwerden haben eine zyklische Qualität. Wenn Unternehmen mit Personalproblemen zu kämpfen haben, wird die Personalabteilung als geschätzter Partner der Führungskräfte angesehen. Wenn die Talentsituation zufriedenstellend ist, bspw. im ländlichen Raum, bei niedriger Fluktuation, in speziellen Branchen usw., wird der Wertbeitrag von HR im geschäftlichen Kontext nicht selten eher kritisch gesehen. Manchmal sogar kritischer als nötig.

HR ist in vielen Perspektiven der natürliche Schuldige. Es ist einfach, sich über zu niedriges Gehalt, zu langsames Recruiting, überbordende Bürokratie, erzwungene Beurteilungskurven bei der Leistung zu beklagen, wenn man die Ursache nicht von der Wirkung trennen kann. Typischer Dunning-Kruger-Effekt.

Zu niedriges Gehalt

Schauen wir uns mal das niedrige Gehalt an. Jeder kennt die Situationen, die rund um Kündigungen entstehen. In den Unternehmen gibt es allseits gültige Thesen, weshalb Menschen kündigen. Meist ist dann zu vernehmen, Menschen gingen wegen des Gehalts. Die Aussagen dazu sind dann im Stile: “Kollege XYZ hat gekündigt, weil sie/er bei dem neuen Arbeitgeber mehr Gehalt bekommt“. Das kennen wir alle. Doch diese “Erkenntnisse” führen zu einer teuflisch-subjektiven Analyse der Wirklichkeit. Und die Personalabteilung bringt dies in eine rein reaktive Maßnahmenbearbeitung. 

Menschen kommen an einen Punkt, wo sie vom “passiv Suchenden”, der nicht offen ist für ein Jobangebot, auf die Seite der “latent Suchenden” wechseln. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig, haben in der Regel mit Einzelsituationen zu tun, die Mitarbeiter über diese Schwelle bringen. Das ist ein quasi konstant ansteigendes Niveau – der “fuck off indicator” -, welches durch gute Führung niedrig gehalten werden kann. Doch mit vielen schlechten Beispielen aus Führung und aus der gelebten Kultur im Unternehmen steigt das Niveau nach oben an bis zu dem Punkt, wo man beim Anruf eines Headhunters auf die Frage “können Sie gerade frei sprechen?” oder beim Anblick einer performancetargetierten Werbung auf Facebook oder Twitter innerlich ja sagt. Ja, zur Option, dass man unter Umständen wechseln würde. Also man ist neugierig und möchte erfahren, um was es denn geht. Zufriedene Mitarbeiter hören sich das selten an.

Der Mitarbeiter geht also einen Schritt weiter. Hört sich das Für und Wider der neuen potenziellen Stelle an, führt Gespräche und wägt Pro und Contra ab. Natürlich ist Teil des Deals, dass der neue Arbeitgeber ein Plus auf das Gehalt draufschlägt. Das ist normale Routine und nicht sonderlich kritisierbar. An einem gewissen Punkt in der Zukunft einigt man sich vielleicht. Oder man greift nicht bei der ersten, sondern bei einer besser passenden weiteren Möglichkeit zu, den Arbeitgeber zu wechseln. Dann schreitet man zur Kündigung und sagt in etwa: “ich wechsle, weil ich auf der neuen Stelle mehr Verantwortung übernehmen kann, ein breiteres Aufgabengebiet habe und auch mehr Gehalt erhalte“. Von Unzufriedenheit redet man selten, man will ja nicht im Streit wechseln. Und da ist er aber, der rettende Anker “Gehalt”, also der externe Treiber für Fluktuation.

Wir haben also einen Punkt der inneren Kündigung identifiziert. Das ist keine faktische Kündigung, das geschieht ohne Signallampe und ohne äußeres Anzeichen. An diesem Punkt wirkt die Kultur und Führung bereits auf die Loyalität ein und befördert die Wechseloffenheit. Doch Führungskräfte bewerten einen ganz anderen Punkt. Nämlich die Antworten, die sie auf ihre Frage “warum” bei der faktischen Kündigung erhalten. Gehalt eben! Mit der Antwort geht ein Kreislauf einher. Führungskräfte melden ihren Führungskräften (und uns HRlern) die Kündigung, erklären, dass Gehalt hinter der Wechselabsicht steht und “HR endlich mal was für marktfähige Gehälter tun muss”.

Beitrag: Kündigungen – wir vertauschen Ursache und Wirkung und analysieren falsch


zu langsames Recruiting

Bei diesem Thema will ich gar nicht so weit ausholen. Fast alle Unternehmen haben ein reaktives Recruiting. Das heißt, erst wenn ein Personalbedarf entsteht, wird die Maschine angeworfen. Und natürlich sind in den Unternehmen die Hiring-Manager nicht offen für Quereinsteiger, was ergo bedeutet, wir rekrutieren mit Stallgeruch innerhalb der Branche mit vergleichbar langen Kündigungsfristen. Ein normaler Recruiting-Prozess braucht, wenn er sehr schnell ist, 21 Tage, im Mittel aber vermutlich eher 8-12 Wochen bis Vertragsunterschrift. Das ist die Time-to-Hire. Bei berufserfahrenen Kandidaten dauert die Zeit, bis jemand seinen ersten Arbeitstag hat, rund 220 Tage.

Bei den Hiring-Managern existiert ein ausgedehntes Bedürfnis, keinen Leerlauf auf der Vakanz zu haben. Die Person für das “Replacement” soll idealerweise noch eine Übergabe bekommen, auf gar keinen Fall sollte wochenlang die Position unbesetzt sein. Ich frage mich: wie soll das gehen?

Die Person, die aktuell auf der Stelle ist und gekündigt hat, ist doch den identischen Einstellungsprozess durchlaufen. Angefangen vom Überarbeiten des Lebenslaufs, den Bewerbungsprozess, die ersten Interview-Stages bis hin zur Vertragsverhandlung. Erst dann wird üblicherweise das aktuelle Arbeitsverhältnis gekündigt. Kommt dann der Hiring-Manager nach Auslösen der Kündigung auf Recruiting zu und starten den auf die Kündigung reagierenden Prozess, ist es sehr unrealistisch, dass jemand auf dem Markt mit kurzer Verfügbarkeit attrahiert werden kann.

Bell Curve und Forced Distribution

HR wird getadelt, manchmal gehasst für die selbst auferlegte Bürokratie. Damit meine ich keine monsterlangen Erläuterungen, wie eine Reisekostenabrechnung erstellt wird, sondern die Bell Curve und Forced Distribution von Leistungsbeurteilungen. Ich habe das hier mal genauer betrachtet: Linksschiefe (oder rechtsschiefe) Leistungsbeurteilung. Dieses Maß an Bürokratie ist Führungskräften geschuldet, die keine erwachsenen Entscheidungen treffen können. Niemals sind alle Personen in einem Team besser als gut. Und “gut” wird dabei meist übersetzt mit “du bist gerade noch so okay”. Das Rating “gut” bedeutet, dass die Erwartungen an die Leistung vollständig erfüllt wurden. Das ist eine solide Performance, daran gibt es eigentlich nichts zu kritisieren. Und dennoch erleben wir HRler regelmäßig, dass Führungskräfte glauben, die Leistungsbeurteilung auf Phantasie Island zu vergeben. Dass HR hier mit einer Forced Distribution reagiert, ist sogar nachvollziehbar. Aber sicherlich kein Grund, HR dafür zu kritisieren.

Was brauchen wir, um akzeptiert und respektiert zu werden?

Mein Plädoyer hat sich nicht geändert. Wir müssen die Arbeit in People & Culture aus der Perspektive des Business betrachten. Wenn wir nicht unsere Arbeit auf die Geschäftsstrategie ausrichten und nicht mehr Verständnis für das Business entwickeln, wird es nicht gelingen. Wir brauchen Business-Acumen, ein schönes Wort mit so viel Bedeutung.

Verständnis für Zahlen ist essenziell. Wir müssen Zusammenhänge und Daten verstehen lernen, daraus mit einer sauberen Analyse die richtigen Erkenntnisse gewinnen und diese auf die Business-Strategie abgestimmt in den Kontext setzen. Hört sich alles gut an, ist aber seit Jahren und Jahrzehnten genau die Aufgabe, an der wir scheitern.

Abbau von Bürokratie. Dort, wo möglich, sollten wir sämtliche selbst auferlegte Bürokratie eliminieren. Weg mit allem, was Zeit raubt und uns vom Wertbeitrag her nicht weiterbringt. Wir wollen Gestalter sein, keine Verwalter.

Wie klar sehen wir denn die Potenziale und Talente in den Unternehmen? Wie sehr setzen wir auf eine nachhaltige Steuerung bei der Entwicklung einzelner Talente? Kennen wir das? Nutzen wir ein 9-Box-Model? Haben wir Nachfolgeplanungen, die wir als Grundlage für die Weiterentwicklung nutzen können? Personalarbeit ist mehr als nur Bauchgefühl.

Wir können einen sehr guten Beitrag leisten, damit die Unternehmensstrategie durch moderne Personalarbeit gelingt. Es gibt so viel zu tun. Packen wir es an.

Gutes Gelingen!

Ihr Marcus K. Reif

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