Frau Kerstin Dämon schreibt in einem tollen Artikel über Bewerberfragen (Vorstellungsgespräch: “Wir müssen mit dieser Interview-Scharade aufhören”). Gebe gerne meine Antworten im Interview hier zum Besten:
Berater absolvieren die härtesten Eignungstests und machen zig Überstunden. Dafür jetten sie um die Welt und sind steinreich. Soweit das Klischee. Zumindest beim Vorstellungsgespräch verändert sich etwas.
Thomas Belker, Vizepräsident des Bundesverbandes der Personalmanager, sagt, dass gemeine Brainteaser-Fragen eine Spezialität der Unternehmensberatungen sind. Wie fies sind Sie wirklich zu Ihren Bewerbern?
Marcus K. Reif: „Wir haben ein großes Interesse daran, die Menschen, die zu uns kommen wollen, wirklich kennenzulernen. Und zwar im gegenseitigen Interesse. Schließlich geht es darum, Kandidaten zu finden, die möglichst gut ins Team passen, bei EY zurechtkommen und im Job nachhaltig aufblühen. Durch Brainteasern erfahren wir relativ wenig darüber, was der künftige Mitarbeiter unter realen Bedingungen wahrscheinlich leisten kann. Denn Brainteaser-Fragen adressieren im Wesentlichen die Analyse-Kompetenz, und das erscheint mir als zu eindimensional.“
“Wie viele Cappuccinos werden täglich in Manhattan verkauft?”, “Wie viele Flugzeuge befinden sich derzeit in der Luft?”, “Wie viele Cocktail-Schirmchen werden in den gesamten USA an einem Abend ausgegeben?” – das sind echte Fragen aus Vorstellungsgesprächen bei Unternehmensberatungen…
Reif: Ich glaube nicht an das Unter-Stress-Setzen von Bewerbern. Das ist eine überholte Form der Selektion. Schon gar nicht glaube ich an Brainteaser als eine Art 1000-Dollar-Frage, die nach der einen hundertprozentig korrekten Antwort verlangt. Viel wichtiger ist nach meiner fast zwanzigjährigen Erfahrung, dass wir mit der Interview-Scharade aufhören. Kandidaten sind vorbereitet und wollen, insbesondere bei der Frage nach Stärken und Schwächen, kaum Fläche für Unzulänglichkeiten bieten. Um diese Scharade zu beenden und eine wirklich wertvolle Unterhaltung über die Bedürfnisse, Neigungen und Erwartungen zu führen, helfen Brainteaser nicht weiter.
Die Unternehmen müssen also heute netter sein, um die wenigen Bewerbern nicht zu vergraulen?
Reif: Bewerbungsgespräche stellen heute für beide Seiten eine Testsituation dar. Auch die letztlich nicht angenommenen Kandidaten nehmen aus dem Bewerbungsgespräch einen subjektiven Eindruck mit. Und den teilen sie mit vielen anderen in den sozialen Netzwerken.
Keine Aufgabe, die man richtig oder falsch lösen kann…
Reif: Uns Recruitern geht es doch gerade um den Blick auf die Kombination der verschiedenen Kompetenzen. Erst dadurch entsteht ein Bild, das uns die mögliche Performance eines Bewerbers – basierend auf seinem Potenzial und Talent– besser einschätzen lässt.
Quelle Artikel und Bild: Wirtschaftswoche vom 25. Juli 2016
Beste Grüße
Marcus Reif
Sehr interessantes Interview und die erwähnten Beispielfragen in Vorstellungsgesprächen kann ich nicht so recht nachvollziehen, da sie teilweise doch abstrus klingen. Natürlich können sich Bewerber nicht darauf vorbereiten und es wirft sie vielleicht etwas aus dem Prozess von vorher einstudierten Antworten. Allerdings lassen sich dafür bestimmt auch sinnvollere Fragen mit Bezug zum Unternehmen oder der ausgeschriebenen Stelle finden, die auch individuell sind und spontan beantwortet werden müssen. Insgesamt glaube ich auch, dass solche Vorgehensweisen den Stress nur unnötig erhöhen, der bei Vorstellungsgesprächen ohnehin schon sehr hoch ist. Dies führt eher zu Blockaden und verhindert vielleicht sogar, dass sich Bewerber in bester Verfassung präsentieren können.