Viele Unternehmen haben mit Blick auf ihr Geschäftsmodell ihren Zenit überschritten. Sie sind von Disruption bedroht. Neue Marktteilnehmer dringen ein, neuer Wettbewerb besteht, Ersatzprodukte werden leistungsfähiger, die Zulieferer kommen in eine bessere Verhandlungsposition und auch die Kunden sorgen für enormen Druck. Die Rivalität der Wettbewerber zueinander wird dadurch zwingend stimuliert. So einfach sind Porters Five Forces erklärt und zwingen die Unternehmen zu stetigen Verbesserungen der Qualität, der Kosteneffizienz und eben auch mehr Diversifizierung der Produktpalette. Bei all diesen Zwängen setzte sich auch die Meinung durch, dass nur durch das beste Personal der Wandel gelingen wird. Und schon sind wir beim Employer-Branding mit dem Mensch im Mittelpunkt.
antiseptisches Hochglanz-Employer-Branding
Gibt es ein Patentrezept, um eine positive Employer-Brand zu erlangen? Nein. Aber … es helfen natürlich ein paar ganz allgemeine und triviale Empfehlungen, um das Resultat der wahrgenommenen Attraktivität als Arbeitgeber zu beeinflussen. Beispielsweise einfach mal authentisch sein. Die Wahrheit zeigen und auch vor den negativen Aspekten nicht weichen.
Employer-Branding ist kein Konzept, Employer-Branding ist ein Resultat Share on X
In der Realität erleben wir leider mehr als weniger schlechte Beispiele für total austauschbare Botschaften, Bild- und Sprachwelten. Man muss sich nicht die Mühe machen, um ein eigenes Sprachklima nach NLP oder eigene Tonalität für Job-Familien zu entwickeln. Aber wenn man das tut, ist man deutlich weniger austauschbar, weil sich die Prämissen des Wordings um die Garantiefunktion, Erlebnisfunktion, Kontaktfunktion und Informationsfunktion mehr als erheblich von anderen Wordings anderer Arbeitgeber abheben. Doch wie viele Employer-Branding-Experten begeben sich in die Küche und kochen ihren Wording-Brei? Viel zu wenige. Viel lieber werden Stock-Fotos gekauft, die zum Teil richtig albern rüberkommen und sehr häufig in allen möglichen Kontexten benutzt werden.
Schauen Sie sich doch mal die Werte und Unternehmensleitsätze an. Austauschbar von vorne bis hinten. Auch viele der Employer-Value-Propositions sind nicht eindeutig zuzuordnen. Machen Sie mal die Probe und werfen Sie drei EVPs aus Ihrer Branche parallel an die Wand. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter mal zuordnen, welche EVP zu welchem Unternehmen gehört. Sie werden ein buntes Muster an Antworten erhalten. Weshalb? Weil viele Firmen zu sehr im Marketing verhaftet sind. Alles muss Hochglanz sein, beste Wortwahl, ideales Zerrbild. Aber eben nicht authentisch.
Wir werben, gerade im Hochschulmarketing, um die besten Absolventen. Und die “besten” sind nicht immer die, mit der Note 1. Und diese stehen in einem zu Ende gegangenen War for Talent vor der Wahl – sie können sich ihren Arbeitgeber aussuchen. Und glauben Sie, die Treiber und Beweggründe dieser Zielgruppe sind die Elemente, die Sie in Ihrem antiseptischen Hochglanz-Employer-Branding haben? Kennen Sie die Hoffnungen und Erwartungen Ihrer Zielgruppen?
Generation Z
Die Generation Z, geboren ab 1995, ist ganz anders als die vor ihr geborene Gen Y. Sie ist neugierig, werteorientiert, sogar werteorientierter als die Gen Y vor ihr, digital, mutig und manchmal sozial überfordert. Aber sie prägen die Einstellungen zur Arbeitswelt. Die heutigen Berufseinsteiger sind die Führungskräfte in zehn Jahren und darüber hinaus. Natürlich werden viele ihrer Erwartungen und Bedürfnisse die Kultur in den Unternehmen prägen. Dieser Generation wird vorgeworfen, sie sei wankelmütig und kündige bei Problemen oder Kritik sehr schnell. Sie soll grundsätzlich keine emotionale Bindung an ein Unternehmen besitzen und diese auch nicht suchen. Allgemeine Bindungslosigkeit sei Normalität. Die Generation Z sehe sich nicht als Teil des Unternehmens. Es handelt sich eher, um eine zu jeder Zeit kündbare Lebenspartnerschaft. Sie trenne strikt Berufs- und Privatleben. Der dominierende Wunsch nach Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben gegenüber der Karriere unterstreicht auch die aktuelle Shell Jugendstudie 2015.
Hoffnungen und Erwartungen
Die nachfolgenden Generationen werden von anderen Werten und Überzeugungen geleitet. Nachfolgend finden Sie aus dem “Gen Z Report” von Universum Communications einen Auszug der Treiber, aufgeteilt nach Geschlechtspräferenzen. Für Frauen sind beispielsweise Work-Life-Balance und Flexibilität viel stärker ein Langzeit-Karriereziel, als dies bei den Herren der Fall ist. Vordergrund präferiert diese Alterskohorte Sicherheit im Job sehr stark. Ich erspare mir nicht den Hinweis, dass ich den Begriff Work-Life-Balance für massiv überholt erachte.
Hier der Auszug von Universum zu den Erwartungen der Generation Z:
Männer priorisieren Freundschaften und Reichtum, Frauen priorisieren Wachstum und Sinnhaftigkeit.
Wir erkennen einige Präferenzen: kurze Hierarchien, viel Selbstbestimmung, hohes Maß an Eigenverantwortung. Die Mitarbeiter der Zukunft wollen und dürfen mitgestalten. Sie organisieren sich als Communities – hoch flexibel, ergebnisorientiert und nicht immer ausrechenbar. Die meisten aus meiner Generation haben Führung noch anders gelernt – als System von Abhängigkeiten, gesteuert mit dem Werkzeug der Kontrolle, daraus erwuchs der Präsenzfetisch und das Micromanagement. Alles Elemente, die schon die Gen Y mit Abscheu goutierte, die Gen Z ist da nicht anders, sie ist noch freiheitsliebender.
moderne Führung
Führung darf nicht mehr Top-Down erfolgen. Die aktuellen Werte für gute Führung sind Vertrauen, Verpflichtung, Verantwortung und Leidenschaft.
aktuelle Werte für gute #Führung sind #Vertrauen, #Verpflichtung, #Verantwortung und #Leidenschaft Share on X
Wenn die Hoffnung der Absolventen auf die Wirklichkeit der Unternehmen trifft, haben wir nicht nur das beschriebene Risiko. Nein, wir haben eine große Chance, die Kultur im Unternehmen, die Art der Führung und das Interesse am Menschen im Unternehmen zu steigern. Damit wird die ganze Firma erfolgreich. Lösen Sie sich von den archaischen Führungsüberzeugungen. Sie sind tradiert.
Beste Grüße
Ihr Marcus Reif
Hallo Herr Reif,
treffender Beitrag, vielen Dank. Bei der ganzen “Generation xyz” Debatte sehe ich die Gefahr, viel zu sehr zu verallgemeinern. Wir können Menschen nicht wie Autos oder Apps in Generationen oder Versionen pressen.
“Peter gehört zur Generation YX – erge: er ist …”
Aus meiner Erfahrung ist “jeder” Mensch extrem individuell und auch schlau genug, das er merkt wenn er in irgendwelche Schubladen gepresst wird. Wer geben in Führungspositionen viel zu wenig Verantwortung ab. Wir vertrauen zu wenig, sind ängstlich und verunsichert. Wenn es bloss eine Versicherung für “Führungsfehler” geben würde …
Manchmal muss ich auch mal die Augen zukneifen nachdem ich Verantwortung abgegeben habe. Ich muss auch mal vertrauen auf die Gefahr hin, das etwas an die Wand fährt.
Die Werte für gute Führung, Vertrauen, Verpflichtung, Verantwortung und Leidenschaft sind enorm wichtig. Wenn Sie 10 Menschen Fragen, was sie unter den einzelnen Werten verstehen, bekommen Sie 10 unterschiedliche Antworten. Für mich ist dann wichtig, “was versteht jeder einzelne meiner Mitarbeiter darunter?” und noch viel wichtiger “was verstehe ich darunter?” Das gleiche bei den Erwartungshaltungen.
Wenn mir ein Unternehmen sagt, ihm sein “Work & Life Balance” wichtig, möchte ich schon gerne wissen, was das für das Unternehmen genau bedeutet. Dinge hinterfragen und verstehen (wollen), das kostet Zeit. Darüber nachzudenken ist anstrengend. Das ist oft unbequem. “So jemanden wollen wir dann doch nicht einstellen” ;-)