Stell dir vor, es ist Stellenausschreibung, und keiner geht hin! Der Sponti-Spruch, in den frühen 1990ern als Antikriegs-Graffito in ganz Deutschland zu sehen, gilt heute im War of Talents für Bewerberdienst-Verweigerer. Wer als Kandidat etwas auf sich hält, lässt Jobportale und Stellenausschreibungsseiten von Unternehmen links liegen. Gleichzeitig sind Vermittler und Personaler zum Portal- und Softwareeinsatz gezwungen, weil sich im zunehmend digitalen Personalmarkt nur noch so die Spreu vom Weizen trennen lässt. Für Kandidaten ein leichtes, für Personaler, Vermittler und Anbieter entsprechender Software ein herausforderndes Spiel, wie der folgende Beitrag zeigt.
„Wollen Sie´s mal ganz drastisch?“, fragt Michael Neumann, Deutschland-Chef der international tätigen Personalberatung Alexander Hughes aus Frankfurt, und holt aus, ohne auf die Antwort zu warten: „Wir reden auch mit Einsteigern, also Studenten oder Praktikanten. – Die kotzen, sobald Software im Spiel ist.“ Das müssen Anbieter entsprechender Weichware erst einmal verknusen. A propos „verknusen“: das ist Norddeutsch für verarbeiten und so spricht man bei einem entsprechenden Anbieter aus Ostfriesland, der HR4YOU AG aus Großefehn bei Aurich. Deren Gründer und Geschäftsführer Axel Rekemeyer, bereits ein alter Hase im Markt für HR-Software, sieht die Situation gelassen: „Heute und in Zukunft werden nahezu alle Branchen auf den Kopf gestellt, geschüttelt und neu zusammengesetzt. Die Leute kommen und gehen, wechseln den Job wie Jacke und Hose. Das müssen Sie mit Software steuern, sonst fliegen ihnen nicht nur Unternehmen, sondern ganze Volkswirtschaften um die Ohren.“ Kein schlechtes Potenzial für einen Hersteller, trotz temporärer Würgereize!
KI steht auch im Personalmanagement vor der Tür
Wo also verläuft die Trennlinie zwischen notwendiger Unterstützung und geduldeter Führung beim Besetzen der Stellen, die vielerorts so dringend auf die passenden Kandidaten warten? So einige Anbieter suchen den entscheidenden Kick im Einsatz selbstlernender und Muster erkennender Software, so genannter „Künstlicher Intelligenz“ (KI). Die wird derzeit vor allem von Google, Amazon, Microsoft oder Apple entwickelt, um verwertbare Informationen aus „Big Data“, also Milliarden von Datensätzen, die entstehen, wenn Nutzer ebenso munter wie unbedacht liken, surfen oder chatten, zu extrahieren. Diese Analysefähigkeit, so das Kalkül einiger Hersteller, lässt sich auch für HR-Software einsetzen.
Für Neumann macht ein KI-Modul jedoch nur dann Sinn, wenn sie im Wust eingereichter oder geforderter Informationen genau die added values erkennt und entsprechend präsentiert, die für Kandidaten oder Unternehmen interessant sein könnten. „Wenn die Systeme nicht sinnhaft sind, nerven sie die Leute. Wer seine Skills und deren unter Umständen hohen Wert kennt, will sich nicht erstmal minutenlang irgendwo einloggen, wiederholt anmelden oder sich durch sinnfreie Fragen hangeln.“ Denn unter den gegenwärtig geltenden Bedingungen eines Kandidatenmarktes bekomme jeder, der nicht vor die Wand gelaufen ist, einen gut bezahlten Job mit bis zu einem Viertel mehr Gehalt als im Vorjahr.
Entscheidend ist nach wie vor das persönliche Gespräch
Nach Auffassung von Georg Fassbender, Personalentwickler, Trainer und Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft gefacon, Düsseldorf, gehen Kandidaten und vor allem Personaler durchaus den Software-Weg. „Warum? Das ist einfach, geht schnell und der gesamte Bewerbungsprozess steht elektronisch zur Verfügung. So bearbeite man in China Stellenanzeigen schon lange nur mit der chinesischen Variante von WhatsApp, um Massenbewerbungen von mehreren Tausend Kandidaten pro Stelle gerecht zu werden. Und nicht nur das. Software auf Basis der KI-Lösung Watson von IBM lade inzwischen Bewerber zum Gespräch ein und vermittle dem Bewerber darüber hinaus einen Termin am nächst gelegenen Standort mit einem geeigneten Ansprechpartner. Das passende Video dazu hier: https://www.ibm.com/watson/de-de/talent/
Das persönliche Gespräch, so Fassbender, spiele sicher immer noch die entscheidende Rolle. Auf dem Weg dahin aber werde mit Algorithmen aussortiert. „Beispielsweise kann mittlerweile anhand der verfügbaren Profile von bereits eingestellten Mitarbeitern festgestellt werden, welche dieser Profile für das Unternehmen am erfolgreichsten sind. Anhand von Schlüsselbegriffen lassen sich dann Neubewerbungen automatisch vorselektieren.“
Der Kandidat ist König
Für den HR-Experten Marcus K. Reif, der als Personaler für Kienbaum und EY , aber auch bei TMP, Jobpilot oder der F.A.Z. tätig war und heute als freier Personalberater und Blogger zu Themen wie Employerbranding oder Social Media-Recruiting unterwegs ist, zieht allein die Candidate Experience: „Für mich ist die bestmögliche Erfahrung, die ein Kandidat im Bewerbungsverfahren machen kann der maßgebliche Impetus bei der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften.“ Dies komme daher, dass man heute aus vielen Gründen – die meisten haben mit der Innenorientierung der Einstellungsprozesse zu tun – die unzulänglichen Prozesse auf die Bewerber abwälze und somit von ihnen verlange, mühevoll alle möglichen Informationen in Formulare einzutippen. Das seien Verfahren aus den Neunzigern. Oft übersehen werde dabei, dass man sich durch die Megatrends Demografie, Wertewandel und Digitalisierung in einem konzentrischen Arbeitnehmermarkt befinde und sich als Arbeitgeber diese Attitüde gar nicht mehr leisten könne.
Vor diesem Hintergrund gehen Bewerber nach den Worten von Reif immer bequemer und zeit-/aufwandsparender bei ihrer Bewerbung vor. „Beliebt sind die One-Click-Bewerbungen über Businessplattformen, wie Xing und Linkedin. Wenn die Wahlmöglichkeit besteht, wird die einfache E-Mail mit der Übersendung des Lebenslaufs im Anhang präferiert.“
Personaler sind oft nur die Prozessverwalter
Und Personaler seien selten die finalen Entscheider im Bewerbungsprozess, sondern nur die Prozessverwalter. „Wir erleben eine hohe Innenorientierung bei den Rekrutierungsprozessen der Unternehmen. Einstellungsentscheidungen treffen zumeist die Fachbereiche und dies in einer hohen Individualisierung. Letzteres können Bewerbermanagementsysteme selten zufriedenstellend bedienen, dennoch sind sie heute noch Realität! Daher erwarte ich hier eine hohe Anpassungsfähigkeit bei den Herstellern entsprechender Software“
Reif zufolge ist und bleibt das Recruiting eine geschäftserfolgskritische Disziplin in den meisten Unternehmen. Die Fähigkeit, die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den eigenen Arbeitgeber zu gewinnen, sei absolut betrachtet ein wettbewerbsfähiger Aspekt. Darin, dass Unternehmen dies gegenwärtig eher zum Anlass nehmen, Recruiting- und Employer-Branding-Einheiten auf- oder auszubauen, sieht Reif die eigentliche Herausforderung für Softwareanbieter. Diese Einheiten müssten nämlich oftmals mit der vorhandenen, eher tradierten Kultur arbeiten, was in puncto Candidate Experience und Fluktuation keine wirklich gute Basis sei: „Kultur, Führung und Mitarbeiterorientierung sind Standortfaktoren, die zu verbessern Software in der Lage sein sollte.“
Unternehmen verlangen Anpassbarkeit
Sirko Junghanns, Personalreferent bei der Leipziger EKS Montage GmbH, fährt unterdessen gut mit seiner HR-Software: „Durch individuelle Anpassungen ist es möglich, gewünschte Prozesse zu gestalten und abzubilden. Die sehr gute Übersichtlichkeit und eine intuitive Bedienung unserer Lösung HR4YOU-TRM sorgen für eine schnelle Einarbeitung. Das System ist jederzeit online verfügbar und dies ohne hohe Investitionen in die eigene IT-Infrastruktur.“ Tatjana Wronka-Brose, Geschäftsführerin der Maximum Personalmanagement GmbH aus Hannover, konnte mit der Bewerbermanagementsoftware aus Großefehn ihren internen Matching-Prozess optimieren. „Die moderne und nutzerfreundliche Oberfläche erleichtert uns nicht nur den Arbeitsalltag, sondern bietet unseren Bewerbern einen komfortablen Bewerbungsprozess.“ Die Lösung sei darüber hinaus flexibel auf die Anforderungen im Tagesgeschäft anpassbar und somit in der Lage, mit ihrem Unternehmen zu wachsen.