Natürlich mache ich alle Trends mit. Man muss sich mit Trends beschäftigen, um sie zu verstehen und zu erkennen, ob sie eine Relevanz auf die eigene Perspektive, den eigenen Job oder den eigenen Arbeitgeber haben. Mit den aktuellen Säuen, die durchs Dorf getrieben werden, bekomme ich mittlerweile allerdings meine Denkschwierigkeiten. Ghosting ist ein Trend, den ich beobachte und als relevant betrachte. Die Great Resignation ist eigentlich ausgeblieben, doch glaubt man der aktuellen Umfrage von XING, sind “knapp vier von zehn Deutschen (37 Prozent) offen für einen Jobwechsel“. Das ist relevant, will ich als Personalverantwortlicher nicht solche Fluktuationszahlen bei mir sehen. Viele dieser Trends geben mir die Möglichkeit, die Instrumente im Werkzeugkasten des Personalers zu nutzen.
Die Zeit spricht dafür, dass wir an Führungsparadigmen arbeiten. Die Wirksamkeit von Führung ist nicht auf der Höhe der Zeit, was ich persönlich beobachte und in allen Branchen sehe. Gute Führung und moderne Unternehmenskultur sind eine zwingende Voraussetzung, um die Mitarbeiterbindung auf das nächste Level zu heben. Und wenn 4 von 10 Mitarbeitern einem Jobwechsel gegenüber offen sind, muss der Fokus doch auf die Bindung gelegt werden. Wenn Quiet Quitting als Dienst nach Vorschrift verstanden wird, wissen wir doch, dass darauf nur in einer “purpose driven culture” mit moderner Führung begegnet werden kann.
Das sind soweit die für mich verständlichen Trends. Kommen wir mal zum Nonsens. Fridge Hiring – das Einstellen von begehrten Talenten, ohne dass ich dafür die Notwendigkeit habe, nur um sie dem Wettbewerb wegzuschnappen. Ernsthaft? Wer macht das? Wir leben doch alle in der gleichen Business-Realität, oder? Wir versuchen alle, die direkten und indirekten Kosten zu managen. Stellen werden sorgfältig geplant und nach gründlicher Prüfung erst ausgeschrieben bzw. besetzt. Welches Unternehmen hat die finanziellen Ressourcen für das?
Blind Signing – das beschreibt, dass Bewerber voreilig einen Arbeitsvertrag unterschreiben, um nach kurzer Zeit festzustellen, dass der Job, der Arbeitgeber, die Kollegen etc. einfach nicht passend sind. Ich beobachte seit Jahrzehnten, dass sich die Frühfluktuation in kritische Bereiche entwickelt. Das mag daran liegen, dass wir nach außen immer noch Hochglanz verkaufen, nach innen aber den Wandel zu moderner Kultur, Selbststeuerung, Eigenverantwortung und zeitgemäßen Führungsparadigmen nicht geschafft haben. Und auf einem enger werdenden Markt an Talenten ziehen diese eben schneller die Konsequenzen als dies noch meine Generation tat. Trend? Sicherlich nicht, die Ursachenanalyse ist bei Blind Signing falsch.
Quiet Firing – quasi das arbeitgeberseitige Rausmobben eines Mitarbeiters. Man delegiert ätzende Aufgaben, übergeht die Person bei Beförderungen, im Performance-Management-Prozess wird eine unterdurchschnittliche Leistung bescheinigt. Puh. Ich will nicht ausschließen, dass es immer noch Führungskräfte gibt, die das so tun. Doch strukturell halte ich das nicht für einen Trend. Das wäre einzig und alleine schlechte Führung. Und die gibt es zuhauf, aber hoffentlich nicht als Trend.
Beste Grüße
Ihr Marcus K. Reif
Musste schmunzeln und stimme in vielen Punkten zu. Beim Fridge Hiring muss ich aber schon ein bisschen Veto einlegen. Klar gehts auch ums Wegschnappen, darum gehts aber auch bei einer gewöhnlichen Stellenbesetzung, auch da muss ich den Kandidat dem anderen Unternehmen zuerst wegschnappen, damit er für mich arbeitet. Und ja, kostenintensiv ist Fridge Hiring, wenn die “gebunkerten” Arbeiter nicht sofort produktiv werden. Aber sie sind ja nicht ohne Grund eingestellt, sondern für einen späteren Zeitpunkt, der absehbar ist, bspw. wenn expandiert werden soll. Und wenn der Zeitpunkt dann eintritt, hat man sofort die nötige Arbeitskraft, es entsteht kein Zeitdruck, nichts muss überbrückt werden, der “Neue” ist im besten Fall schon mit der Unternehmenskultur etc vertraut. Kosten für eine intensive Recruiting-Kampagne werden dann wiederum gespart. Also hat schon Vorteile.