Personalplanung – quo vadis?
Mit der Personalplanung haben es die meisten Unternehmen nicht so. Klar gibt es produzierendes Gewerbe, die bis auf die 1.000te Insulin-Ampulle ihre Schichten planen. Doch wenn es um kaufmännische und akademische Fachkräfte geht, sind wir meist planlos. Die Bedarfe entstehen durchaus auf der Beziehungsebene, aber eher selten auf Basis einer Auslastungskalkulation. Wo stehen wir eigentlich heute? Ich erlebe, dass die meisten Unternehmen die Personalplanung aufgrund ihrer Geschäftsentwicklung planen. Eingerechnet werden Variablen, die bereits bekannt sind. Also bekannte Austritte, bekannte Eintritte. Die Fluktuation wird idealerweise realistisch geplant, oft begegnet man aber auch einer “hygienischen Fluktuationsplanung”, die allerdings wenig mit der Wirklichkeit gemein hat.
Doch was ist eigentlich eine valide Personalplanung? Sie nimmt die Planung zukünftiger personeller Maßnahmen vorweg die erforderlich sind, damit dem Unternehmen zur Erreichung seiner Ziele die dazu erforderlichen Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Idealerweise weist sie kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen in der Planung aus. Also welche Kompetenzen sollen in welcher Menge an welcher Stelle mit welcher Erfahrung sitzen. Und ohne ein geeignetes System ist solch eine Planung nicht zu betreiben. Rein auf Excel geht das zwar, aber nicht qualitativ, sondern nur rein quantitativ.
Teile der Personalplanung
Die Personalplanung besteht aus den nachfolgenden Teilen:
- Ermittlung Personalbestand
- Personalbedarf anhand Geschäftsentwicklung
- daraus abgeleiteter Recruitingbedarf (in zwei Szenarien)
- Planung der Personalentwicklung
- Planung der validen Fluktuation
- Planung der Personalkosten anhand des Soll-Personalkörpers
- Planung von Anpassungen am Personalbestand
Aspekte strategische Personalplanung
Die strategische Personalplanung lässt sich in vier Planungsaspekte unterteilen:
- quantitative Personalplanung stellt die Anzahl der benötigten Ressourcen sicher
- qualitative Personalplanung stellt die Verfügbarkeit der benötigten Qualifikationen sicher
- zeitliche Personalplanung stellt den Zeitpunkt der benötigten Ressourcen sicher
- Personalplanung nach Standort sorgt für die richtige Verteilung der Ressourcen
Quelle “strategische Personalplanung”: demographie-wiki.de/…Strategische_Personalplanung
Und alle vier Planungsaspekte sind miteinander in den Einklang zu bringen. Eine Personalplanung entlang alleine einer dieser Aspekte ist nicht zielführend. Ein Element, was wirklich unterschätzt wird, ist die Nachfolgeplanung. Gerade in Bereichen, in denen die Nähe zur Rente evident ist, sollte eine gute Personalentwicklung gute Antworten haben, wie die Nachfolge geregelt werden könnte.
Risiken
- Altersrisiko
- Kompetenzrisiko
- Auslastungsrisiko
- Kapazitätsrisiko
- Nachbesetzungsrisiko
- Beschaffungsrisiko
Entwicklung von Profil-Familien und die Einordnung, wie hoch das Risiko und die Kosten sind in den vorgenannten Betrachtungsaspekten.
Einbindung Arbeitnehmervertretung
Der Betriebsrat ist zur Personalplanung zu informieren und bei der Beratung zu beteiligen. Das sagt der § 92 BetrVG. Nach § 92 II BetrVG kann der Betriebsrat, soweit eine Personalplanung noch nicht besteht, dem Arbeitgeber Vorschläge für ihre Einführung und Durchführung machen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Vorschlägen zu folgen.
Betriebsverfassungsgesetz
§ 92 Personalplanung(1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen und Maßnahmen der Berufsbildung anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er hat mit dem Betriebsrat über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten.(2) Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen.(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für Maßnahmen im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2a und 2b, insbesondere für die Aufstellung und Durchführung von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern.
Wie Personal zuverlässig planen?
Unterhalb finden Sie einen ersten Ansatz, mit welchen Variablen Sie Ihre Pyramide, den Personalkörper oder -bestand zuverlässig planen können.
Die Unternehmensberatungen haben es bei einer validen Personalplanung ein Stück weiter schwerer als beispielsweise das produzierende Gewerbe. Projekte sind volatil, Auslastungen einer erheblichen Schwankung ausgesetzt, Projekte werden gewonnen und müssen immer kurzfristiger begonnen werden, andere hingegen enden in einer gewissen Phase wg. Umpriorisierung, was faktisch bedeutet, dasss man kein halbes Jahr in die Zukunft schauen kann. Wir messen das in Auslastungsschwankungen, die zwischen 30 und 120 % so ziemlich alles zeigen. Aber das eigentliche Ziel, eine Idealauslastung von 82 % zu erreichen, ist faktisch unmöglich. Kündigungsfristen von bspw. 6 Wochen oder 3 Monaten zum Quartalsende stehen einer Time-to-Fill von rund 220 Tagen gegenüber. Auf der anderen Seite sind Unternehmensberatung wg. der harten Margenorientierung nicht mehr in der Lage, große Überkapazitäten zu finanzieren. Manche Unternehmensberatungen bekommen schon bei >0,5 % FTE-Überkapazität Kopfschmerzen, bei >2 % haben sie Grippe.
Professionelle Personalplanung
Aber wie können wir denn die Personalplanung professionalisieren? Initial und über das Jahr hinweg müssen alle Beteiligte an einen Tisch. Die Finanzabteilung mit dem Controlling, das HR-Businesspartnering, das Recruiting, der Fachbereich, – und wenn Sie haben – der COO. Das ist Ihr Steuerungsgremium. Die Themenstellung ist, wie soll denn die Idealpyramide je Fachbereich aussehen? Und wo stehen wir heute (ISt-Pyramide)? Und was machen wir mit dem Gap dazwischen.
Definition der Idealpyramiden
(Pyramid Definition)
- Ermittlung der idealen People-Struktur auf SSL-Ebene auf Basis eines einheitlichen Modells unter Berücksichtigung folgender Komponenten
- People/Talent/HR
- Finance
- Markt/Fachbereiche
Operativer Planungsprozess
(Workforce Planning)
- Vorgaben von Planungs- und Prozessprämissen
- Steuerung des operativen Recruitings auf Basis des Forecast-Indikation
- Steuerung, Begleitung und Überprüfung der FTE-Detailplanung (Grob- und Detailplanung)
- Prognose der FTE-Entwicklung auf Basis der Kapazitätsplanung
Operative Workforce-Steuerung
(Pyramid Shaping)
- Recruiting (initiale Ableitung, unterjährige Anpassung und Steuerung des Recruitingplans)
- Exits und Transfers (Steuerung von Workforcemanagement und Transfers)
- Compensation (Festlegung von Vorgaben für die Vergütungsplanung)
- Promotion (Festlegung und Überwachung von Promotionquoten)
- Gender-Mix (Festlegung von Vorgaben für den Gender-Mix)
Dieser Dreiklang klingt nun recht profan und trivial. Aber alle, die mal Verantwortung in Unternehmensberatungen getragen haben, wissen wovon ich spreche. Meist wird Recruiting genutzt als Instrument zum Managen des negativen Gaps oberhalb und das Workforce-Management zum managen des positiven. Beide Instrumente sind deutlich kostenintensiver als eine recht homogene Planung, die nahe an der tatsächlichen Auslastung liegt.
Steuerungsgremium
Sie brauchen das vorgenannte Steuerungsgremium. Und Sie dürfen das Gremium befähigen, auch maßgebende Entscheidungen zu treffen. Überlassen Sie nicht alle Entscheidungen der Fachbereichsspitze. Entlasten Sie diese durch das Gremium und lassen Sie die Personalplanung nicht als Randthema laufen. Erst dann haben Sie eine verlässliche Steuerungsgröße, was Ihnen im Performance-Management, der Gehalts- und Bonusplanung sowie in der Personalentwicklung deutlich weiterhelfen wird.
Hoffe, ich konnte Ihnen ein paar Inspirationen an die Hand geben. Wünsche weiterhin viel Energie bei unserem hoffnungslosen Unterfangen!
Beste Grüße
Ihr Marcus Reif