In hiesigen Unternehmen ist der tradierte Weg der Beförderungen recht vergleichbar. Die fachlich beste Person wird auf die Leitungsebene befördert. Der beste Sachbearbeiter wird Gruppenleiter. Der beste Vertriebler wird Vertriebsleiter. Ich möchte Sie gerne mitnehmen auf eine kleine Faktenreise, weshalb dieser tradierte Weg zu mehreren negativen Effekten führt.
Wir sollten uns bei allen Personalentscheidungen stets der für die neuen Aufgaben nötigen Kompetenzen versichern. Jemand, der fachlich herausragt, bringt nicht automatisch die nötigen Führungskompetenzen für die nächste Rolle mit. In viel zu vielen Unternehmen gibt es auch keine strukturierte Vorbereitung für künftige Führungsaufgaben. Typische Trainings im Sinne von “vom Kollegen zum Vorgesetzten” geben zumindest einen Einblick darauf, was Führungsstile, Führungsprinzipien und Leitlinien sind. Dabei werden die Kolleginnen und Kollegen auch nicht darauf vorbereitet, dass man vom Flurfunk abgeschnitten wird, die Kollegen das Lunch auch gerne ohne ihren Chef einnehmen und vieles mehr. Die soziale Veränderung erwischt junge Führungskräfte meist völlig unvorbereitet. Dessen ungeachtet ist die Fähigkeit, loszulassen und zu delegieren, dem Gros der neuen Führungskräfte im Vorfeld nicht vermittelt worden.
Doch was geschieht mit solchen Beförderungen?
Das Sprichwort „der beste Vertriebler wird Vertriebsleiter“ beschert uns zwei Elemente:
a.) ich verliere meinen besten Vertriebler und
b.) ich bekomme eine Führungskraft, die fachlich top ist, aber Führung nicht kann.
Da wir Führung nicht gelernt haben, konzentrieren wir uns auf das, was wir können. Wir können die Arbeit der eigenen Leute viel besser. Wir waren doch gut darin. Deshalb ziehen wir uns Themen auf den Tisch, reden auf unsere Leute ein auf der Detailebene, wir lassen nicht los, delegieren nicht und bleiben erster Sachbearbeiter. Wir managen unser Team, wir führen nicht. Wir leben Weisung, Kontrolle und Micromanagement aus, weil wir nicht lernen konnten, wie man führt. Und wir bekommen noch etwas, was in Unternehmenskulturen toxisch wirkt: den Micromanager! Schauen wir uns das an, denn wir müssen die beiden Begriffe Management und Leadership differenzieren und wieso wir mit solchen Personalentscheidungen das Etablieren des Micromanagements forcieren.
Management wird verbunden mit den Aspekten Bonus, Anwesenheitskontrolle, Präsenzorientierung, Mitarbeiterbeurteilung mit Jahresgespräch, Zielvereinbarung, Chefparkplatz, Reisekostenrichtlinie, Vorschlagswesen, Überstundenregelung, Fehlerbestrafung, Lenkungskreise und Investitionsplanung. Das sind typische Attribute, die auf Manager und in gesteigerter Form auf Micromanager passen.
Führung oder das griffigere Wort Leadership hingegen verbindet man viel mehr mit Feedback, Vertrauen, Kundenzentrierung, Offenheit und Eigenverantwortung, Interdisziplinarität, Fehlerkultur und Fehlerlernkultur, Selbstorganisation und laterale Führung, Coaching, Vertrauensarbeitszeit und Commitment.
Typische Manager führen über Kontrolle, Weisung, Micromanagement und Top-down-Attitüde. Bei jeder Aktion wird hinterfragt: “mache ich den Prozess richtig“. Leader sitzen bei ihren Leuten, führen durch Coaching, geben Richtung vor, decken den Rücken bei Fehlern, lassen Freiraum für Entscheidungen, geben keinen Druck weiter und führen nicht auf der Detailebene. Sie können delegieren und haben das Ziel im Auge, nicht den richtigen Prozess. Bei jeder Aktion wird hinterfragt: “mache ich den richtigen Prozess” und nicht “mache ich den Prozess richtig“.
Bei unserem Einstieg in einen bestimmten Job ist das zentrale Ziel, schnell und zügig diesen ordentlich zu machen. Gut zu sein, in dem was wir tun. Damit erfüllen wir die Erwartungen an unsere Einstellung beim Arbeitgeber. Unser Arbeitgeber gibt uns viel Raum, das Wissen aufzubauen, welches nötig ist, den Job gut zu erledigen. Dabei gibt es viele Trainings, Schulungen und Fortbildungen.
Sind wir gut in dem, was wir tun, werden wir irgendwann aufsteigen. Unser Arbeitgeber wird uns befördern, uns mehr Verantwortung geben. Entweder bewerben wir uns auf ausgeschriebene Stellen oder meine Führungskraft spricht mich darauf an. Und ab einem gewissen Punkt sind wir verantwortlich nicht nur für den Prozess, den wir verantworten, und die Resultate, die ich erbringe, sondern für Menschen, die ich führen darf. Genau die Menschen, die nun das tun, was ich vorher tat. Und ich tat es gut, denn meine Firma erkannte meine Leistung an und beförderte mich.
Das ist die härteste Lektion, die man als junge Führungskraft bestehen muss. Wir sind nicht mehr verantwortlich für den Job. Wir sind verantwortlich für die Kollegen, die den Job machen. Wir sind Führungskräfte!
Unsere Aufgabe ist es, loslassen auf der fachlichen Ebene. Freiraum für Entscheidungen geben, unsere Kollegen coachen und trainieren, ihnen Erfahrungen und Wissen teilen, an sie glauben und ihnen vertrauen. Das ist Führung!
Beste Grüße
Ihr Marcus Reif