Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Ich las die Tage einen interessanten Artikel, der sich auf Zahlen der Plattform Layoffs.fyi beziehen. Einer der Graphen ziert auch diesen Artikel, siehe oben. Layoffs zeigt die Entwicklung der Entlassungen in der Tech-Szene, im Wesentlichen mit Fokus auf den US-amerikanischen Markt. Mir geht es bei diesem Artikel allerdings nicht spezifisch um den Markt, sondern um den Fakt, dass nach Jahren des Investierens in das Employer-Branding auf einmal wieder das schnöde “Hire & Fire” eine gewisse Renaissance erhält.

Zurück zu den Zahlen: Im Laufe des Jahres 2021 wurden insgesamt etwa 15.000 Entlassungen im Tech-Bereich verzeichnet. In vergangenen Jahr 2022 waren es 151.648. Um dies in die richtige Perspektive zu rücken: in jedem Quartal seit dem zweiten Quartal des Jahres gab mehr Entlassungen im Technologiesektor als im gesamten Jahr 2021. Also die Zahlen geben Anlass genug, mal draufzuschauen, was dort gerade passiert. Das zeigt anschaulich das US-lastige Tech-Layoff-Reporting.

Dilemma der Arbeitgeber

Wir leben ja immer mit dem Ziel, die richtige Workforce an Bord zu haben. In volatilen Märkten ist das ein hoffnungsloses Unterfangen. Die Talenteknappheit macht es auch nicht gerade einfach, die richtigen Talente zu finden, die mit der richtigen Erfahrung und den passenden Skills zum richtigen Zeitpunkt unsere Belegschaft verstärken. COVID-19 hat die schon komplexe Situation auf dem Arbeitsmarkt nochmal gehörig in Bewegung gesetzt. Zu Beginn der Pandemie war kaum jemand von seinem Arbeitgeber loszueisen, dann im zweiten Jahr der Pandemie gab es so viel Bewegung im Markt, wie lange nicht mehr. Die Bedürfnisse der Arbeitnehmer bekamen durch die Pandemie einen viel größeren Nachdruck, gerade was Büropräsenz anging, konnten viele ihre Interessen mit Nachdruck beim Arbeitgeber einfordern. Dazu kommen die Megatrends Globalisierung, Demografie, Technologisierung und der Wertewandel.

Alles in allem ist das Recruiting – also die Fähigkeit des Unternehmens, neue Mitarbeiter zu gewinnen – eine der bestimmenden Funktionen in jedem wachstumsorientierten Unternehmen mit einem gewissen Grad an Fluktuation. Man kann konstatieren, dass Recruiting eine geschäftserfolgskritische Disziplin geworden ist anhand der beschriebenen Effekte. Und doch steigen die Entlassungen! Wie passt das zusammen?

OPEX-Management

Der beste Zeitpunkt für Kostensenkungen ist, bevor die Situation verzweifelt ist! Kostensenkungen und insbesondere Entlassungen sind nicht nur ein Instrument, um die Opex-Zahlen wieder in die gleiche Richtung wie die Einnahmen zu lenken. Sie sind auch ein Eingeständnis, dass dieses Verhältnis aus dem Ruder gelaufen ist. Dass das Tempo, mit dem ein Unternehmen seine Kosten erhöht hat, nicht mit seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten übereinstimmt. Gerade in diesen volatilen Zeiten, die durch die Pandemie noch komplexer wurden, kamen die steigende Inflation, der Krieg Russlands in der Ukraine und damit steigende Preise für Energie hinzu. Klar müssen die Unternehmen ihre Kosten im Griff behalten, sonst droht ein Liquiditätsengpass, der, anders als unser Wirtschaftsminister Habeck mal behauptete, zur Insolvenz führt. Entlassungen sind eigentlich ein Widerstreit. Recruiting versucht, die besten Talente für das Unternehmen zu gewinnen, der Kosteneingriff durch Entlassungen führt doch aber genau dazu, dass diese mit viel Aufwand für das Unternehmen gewonnenen Talente wieder für weiteres Geld das Unternehmen verlassen müssen.

Die Vogelperspektive auf Entlassungen

In einem funktionierenden Arbeitsmarkt gibt es unvermeidliche Reibungen, die es für jedes Unternehmen unmöglich machen, zu jedem Zeitpunkt genau die richtige Personalbesetzung zu haben. Die Suche nach der richtigen Person kann unvorhersehbar lange dauern, und wenn die Wirtschaft brummt, haben die Menschen die Angewohnheit, zu wechseln. Das gilt vor allem dann, wenn diese Mitarbeiter unterbezahlt sind, d. h. je günstiger ein Unternehmen jemanden einstellen kann, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese Person das Unternehmen verlässt. Das Gleichgewicht besteht also darin, etwas zu viel Personal einzustellen. So die Theorie, in der Praxis erlebe ich allerdings, dass die Unternehmen sich “short” aufstellen, also weniger Personal an Bord nehmen als die durch die Personalbedarfsplanung festgestellte Idealworkforce zeigt.

Nachlaufender Personalkörper

Für ein wachsendes Unternehmen ist dieser leichte Personalüberhang kein Thema. Ein Unternehmen, das 25 % zu viel Personal hat, aber seinen Umsatz jährlich um 100 % steigert, wird das Problem des Personalüberschusses innerhalb von fünf Monaten organisch lösen. Wer aber in einem volatilen Markt auf Sicht fliegt und nicht weiß, wie stark man wachsen wird, für den sind Personalkosten schon ein wachsendes Problem. Ein Personalüberhang ist zu teuer, der Personalkörper wird dort nachlaufend wachsen müssen.

Das kann durchaus ein bisschen chaotisch werden. Solche Unternehmen haben nicht selten eine höhere Durchschnittsfluktuation. Recruiting wird also zur Nachbesetzung und zum Fluktuationsausgleich eingesetzt. Und mit durchschnittlich 220 Tagen “Time to join” sieht man eben, wie lange die Vakanzzeit zwischen Kündigung eines Mitarbeiters, seinem Ausstieg und dem Einstieg der Nachbesetzung dauert.

Unternehmen konkurrieren

Unternehmen konkurrieren mit ihren Konkurrenten über Produktqualität und Preise auf dem Absatzmarkt, aber sie konkurrieren eben auch um Talente und Kapital auf dem Arbeitsmarkt. Auf beiden Märkten gelten die gleichen Gesetze: der Preis, Angebot und Nachfrage. Der Preis wird auf dem Arbeitsmarkt als Gehalt definiert. Zahle ich über dem Markt, hat das Auswirkung auf die unternehmerische Kalkulation. Der Aufwand muss verdient werden. Höhere Preise auf dem Absatzmarkt verschlechtern eventuell meine Absatzmöglichkeiten, außer, meine Qualität steigt.

Branchen- und Makrozyklus

Unternehmen schauen auf die Branche und auf Metatrends. Die Entwicklung mit dem Branchenzyklus ist ebenso wichtig, wie der Makrozyklus. Die Branchenentwicklung lässt sich in der Regel einfacher planen als Effekte, wie eine Pandemie, Lieferkettenprobleme oder ein Krieg, der innerhalb weniger Tage jede unternehmerische Kalkulation irrelevant werden lässt. Das sind Variablen, die man nicht prognostizieren kann. Sie treffen aber alle Marktteilnehmer nahezu gleich. Die Auswirkungen treffen die unternehmerische Kalkulation, denn wenn auf dem Absatzmarkt Kunden entscheiden, weniger zu kaufen, bleiben die eigenen Kosten stabil, aber die Erlöse gehen zurück. Wenn die Nachfrage also geringer ist als erwartet, durchkreuzt das die Pläne, die das Unternehmen auf der Grundlage seiner ursprünglichen Nachfrageannahmen erstellt hat. Somit stresst das die Kapitalseite, bspw. durch Fremdkapital zur Finanzierung des eigenen Wachstums wird nun rückwirkend das Geld genutzt, um das Überleben zu sichern.

Der Mechanismus: Streichen von Namen von Listen

Der erste triste Punkt ist, dass der Entlassungsprozess nicht mit Entlassungen beginnt. Er beginnt mit allgemeineren Sparmaßnahmen. Da wird auf kostenfreie Obstkörbe verzichtet, kostenfreies Essen gestrichen, man kürzt unnötige Reisen, lässt Economy-Klasse fliegen und vieles mehr. Man rüft Bonus-Auszahlungen, ist restriktiver bei freiwilligen Leistungen. Die Liste lässt sich beliebig ergänzen. Natürlich gibt es auch Implikationen auf den Personalkörper. Man verlangsamt das Recruiting für die laufende Nachbesetzung frei gewordener Stellen, man prüft jede Nachbesetzung, ob sie wirklich notwendig ist, man setzt die Schaffung von neu geschaffenen Stellen aus usw.

die negative Seite von Benefits

Unternehmen investieren in guten Zeiten viel in Benefits. Ich bin kein großer Freund davon, mit viel Geld, was hart verdient wurde, einen bunten Blumenstrauß an Benefits aufzubauen. Benefits wirken indirekt, sind teuer und Sie kommen von Ihnen nicht mehr runter. Will sagen, wenn Sie in die Phase des Kostenmanagements kommen, wird das Einstellen oder Aussetzen von Benefits einen größeren Effekt auf die Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitsmoral und das Wohlbefinden haben im Vergleich zu einer leicht höheren Compensation-Strategie, die damit Benefits ausgleicht. Das Abschaffen von Benefits signalisiert den Mitarbeitern, dass nun auch kleinere Beträge relevant sind, dass das Unternehmen sich um die Liquidität und die Kosten sorgt und dass etwas abgeschafft oder ausgesetzt wird, was ein differenzierender Faktor zu anderen Wettbewerbern war. Man leiht sich quasi eine höhere Zufriedenheit und Arbeitsmoral für die Zukunft. Das kann funktionieren, wenn man nicht überdreht.

Act in the firm’s best interest

Ich halte nichts von überdetaillierten Reise- und Reisekostenrichtlinien. Sie liefern nur Bürokratie und geben Futter für reportingliebende Micromanager. Im Grunde reicht dieser Satz aus, um eine Reiserichtlinie zu leben: “Act in the firm’s best interest”. Das ist die Netflix’sche Variante, an den Unternehmergeist jedes einzelnen zu appellieren. Die eine Firma will, dass Flüge frühzeitig gebucht werden, um günstige Flugreisen zu haben. Die nächste Firma möchte, dass nur kurzfristig gebucht wird, um Schnäppchen zu greifen. Die andere erlaubt Business-Class etc. Ich denke, jeder Mitarbeiter sollte für sich entscheiden, wie und wann er bucht, was er bucht und wie er reist. Eben immer unter der Maxime: handle in bestem Interesse deiner Firma.

in schwierigen Zeiten ändert sich das Produktportfolio

Die Unternehmen fangen also an, einen intensiven Blick auf ihre diskretionären Budgets zu werfen und ihre Produktprioritäten neu zu ordnen: Merkmale, die neue Kunden anziehen könnten, sind out; Merkmale, die bestehende Kunden binden oder die internen Kosten senken, sind in. Das ist einer der Gründe, warum Abschwünge so reflexartig sein können: Wenn es weniger neue Kunden zu erreichen gibt und die Unternehmen härter darum kämpfen, ihre bestehenden Kunden zu halten, schadet das auch dem Wachstum ihrer Konkurrenten.

von der Wachstumsphase in die Cashflow-Phase

Viele Unternehmen bewegen sich durch die aktuelle Krise vom Hypergrowth-Approach zu einer normaleren Strategie, die man auch Cashflow-Phase nennen kann. Die Situation auf den Absatzmärkten ist viel zu volatil, um mit dem hektischen und auf Sicht gesteuerten Hypergrowth-Approach auf Dauer erfolgreich zu sein. Mit bescheidenen Wachstumszielen lassen sich die Kosten auch viel besser steuern. Die Crux dabei ist nur, dass die Unternehmen zu Wachstum verpflichtet sind. Also, wie findet man den idealen Weg des Wachstums?

Ein guter Weg ist der nachlaufende Personalkörper. Kommen Sie mit Ihrer Workforce unterhalb der Wachstumskurve. Von dort aus können Sie ohne Kostendruck mit Schwung den Markt bearbeiten.

People-Management in der Krise ist die Königsdisziplin moderner Personalarbeit. Wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

Beste Grüße

Ihr Marcus K. Reif

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