Da startete die Tage eine spannende Diskussion von Harald Ackerschott auf Linkedin zum Anschreiben bei der Bewerbung. Kern der aufkommenden Diskussion ist die Frage, warum sich so viele Unternehmen ein Anschreiben wünschen. Ich möchte da meine Meinung gerne einbringen, was ich direkt auf Linkedin schon tat. Hier nochmals:
Sollen Unternehmen auf ein Anschreiben verzichten?
Für meinen Geschmack wird das Anschreiben abschaffen zum Heiligen Gral des Recruiting fehlinterpretiert. Der Kern unserer Probleme sind doch eher Bewerbungsformulare, die zu bürokratisch sind, viel zu viele irrelevante Daten abfragen, Hiring-Manager, die immer noch nach Noten und Biografie selektieren und Unternehmen, die lieber unstrukturierte Interviews laufen lassen als auf teilstrukturierte zu setzen und Eignungsdiagnostik zu nutzen. Auch Recruiter, die wir besser qualifizieren sollten, um eine entscheidende Rolle im Einstellungsprozess einzunehmen. Ob ein/e Bewerber/in mit dem Anschreiben nun ihre/seine Motivation kundtun möchte oder nicht, darf aus meiner Sicht gerne jeder Kandidat selbst entscheiden. Es gibt Pro und Contra zu Anschreiben, aus Sicht der Bewerber ebenso, wie aus Sicht der Unternehmen. Wenn ich aber sehe, wie viele Unternehmen damit werben, kein Anschreiben zu wollen, verklären wir doch die Situation. Ich kann auch ohne Anschreiben schlechte Einstellungsprozesse erleben und nicht verlässliche Einstellungsentscheidungen treffen. Wir vertauschen Ursache und Wirkung in noch viel zu vielen Fällen.
Wie sehen Sie das? Gerne kommentieren.
Ihr Marcus K. Reif
Auf ein Anschreiben verzichte ich schon lange vorher ehe das Thema medial vermarktet wurde und wird.
Meine Entscheidung dazu beruht darauf, dass aus meiner Wahrnehmung im schon lange engen Technik-Kandidaten- Markt mehr potentielle Kandidaten im Direct Search bereit sind, Ihr Interesse zu bekunden, wenn sie sich nicht der Mühe aussetzen müssen, ein prosamäßiges Anschreiben zu verfassen. Einleitung und Schluss eines Anschreibens waren für mich von jeher selten aussagekräftig. Seit ich angesprochenen Kandidaten die Freiheit lasse, mir ihre wichtigsten, nicht aus dem Lebenslauf sofort ersichtlichen Besonderheiten “formlos” ins E-Mail zu schreiben, stelle ich eine wesentlich höhere Bereitschaft fest, mir Lebenslauf und Zeugnisse für eine erste Auswahl zu senden.
Hallo Herr Reif,
da die Antwortfunktion bei ihrem neuesten Blog-Beitrags bei mir fehlschlägt, kommt hier mein Ansatz zum Thema Anschreiben.
Ziel eines Einstellungsprozesses ist es, eine offene Vakanz zu besetzen. Das ganze Prozess kann mit einem Projekt verglichen werden. Gemessen an den Kriterien des Projektmanagement-Dreiecks: Budget, Zeit und Qualität. Budget steht hier für Gehaltswunsch, Zeit für Kündigungszeiten und Qualität als Größe für Motivation, bisherige Erfahrungen, usw.
Hierbei orientiere ich mich bei der Auswahl an Motivationsschreiben, Lebenslauf, unstrukturierten Vorstellungsgespräch.
Schaue ich jedoch rückwirkend auf das Prozessergebnis, stelle ich fest, dass die meisten Personalentscheidungen falsch getroffen werden. Das zeigen zum Beispiel auch die Analysen von Peter Uwe Kannig. Noch treffender dazu sind die Ergebnisse des jährlich veröffentlichten Gallup Engagement Index. Der jährliche Schaden alleine in Deutschland beträgt 100 Milliarden Euro. Und zwar jedes Jahr.
Dieses Ergebnis kann auch wieder mit dem Projektmanagement verglichen werden: Alleine im IT-Bereich scheitern mehr als 70 Prozent aller Projekte weltweit. Diese Liste lässt sich auch Großbauprojekten wie dem Flughafen BER, Stuttgart 21, usw. fortsetzen.
Hauptsächliche Ursache ist, dass sich eben an ausschließlich an Budget, Zeit und Qualität orientiert wird. Der Vertriebsberater Stephan Heinrich sagt auf seinem Blog dazu, dass diese drei Kenngrößen allenfalls heute dazu genutzt werden können, einen 500 Blatt DIN-A4-Papier zu bestellen.
Ziel eines Einstellungsprozesses sollte es also nicht sein, eine offene Vakanz zu besetzen, sondern langfristig einen engagierten Mitarbeiter zu gewinnen.
Was macht aber Engagement nun aus? Das Gallup Institut weiß hier auch die entsprechende Antwort, da dessen Index auf zwölf verschiedenen Aussagen/Fragen (“Gallup Q12”) beruht. Seltsamerweise taucht da das Thema Motivation erst nachrangig auf. Vordergründig ist das Verständnis der zu erledigen Arbeit sowie der Art und Weise, wie entsprechende Tätigkeiten zu erledigen sind.
Motivationsschreiben und Lebenslauf, sind ein Relikt aus einer vergangen Zeit. In unser komplexer werdende Welt sind sie eher unangebracht. Daher ist es besser, die Personalauswahl anhand zur zu besetzenden Position entsprechende fachliche Fragen (aber auch zur Zusammenarbeit) zu stellen, und daran einen Personalauswahlprozess festzumachen.