Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Wenn man seine Kündigung überreicht, stellt das Gegenüber oft Fragen, wieso eigentlich und wohin man geht. Die Erläuterung ist dann recht einfach: ich gehe zu XYZ, mache dort dies und das, verdiene mehr und bekomme ein größeres Team. Das Gegenüber denkt sich: Mist, geht wieder jemand wegen des Geldes.

Meine eigene Erfahrung ist eine gänzlich andere. Ich habe andere Sachen gesehen und ganz andere Situationen beobachtet. Nun hörte ich Geschehnisse aus meinem Bekanntenkreis, die anschaulich zeigen, in welchem Moment jemand innerlich kündigt. Ich darf diese Geschichte hier erzählen. Sie ist ein exzellentes Beispiel, den Zeitpunkt der inneren Kündigung zu erkennen, wenn man das denn will:

Er mag es, Kleinigkeiten, die dennoch wichtig und dringend sind, kurz mündlich abzustimmen. Ob nun telefonisch, per Videocall oder persönlich. So war es bei ihm auch vor drei Wochen. Es ging um einen Prozess und die Einbindung eines weiteren Kollegen. Sein Vorgesetzter und er sprachen sich ab, legten eine Vorgehensweise fest, stimmten die Inhalte ab und sogar die Spezifika, also sehr detailliert. Natürlich sprach er mit dem Kollegen, es gab ein gutes Miteinander. In der Woche drauf berichtete er im Jour fixe mit seinem Vorgesetzten kurz darüber. Zwei Wochen später sprachen beide erneut und sein Chef meinte, er würde mit dem Kollegen auch mal sprechen und auch wegen des Prozesses. Er hatte das nicht sonderlich kommentiert, es schadet ja nicht, mit neuen Kollegen zu sprechen. Nun ein Anruf. “Was wäre denn mit dem Prozess?”, war die Frage. Und wurde unvermittelt angebrüllt, “es sind nicht so, wie du das schilderst. Und du hörst in Meetings nie zu”. OK, Wut erzeugt Wut. Also einmal tief durchatmen. “Es ist meines Wissens nach anders als von dir geschildert, aber ich checke das gerne noch mal”. Den Vorwurf des nicht zuhörens ignorierte er zunächst. Aber es ging weiter, eine gebrüllte Litanei an Vorwürfen hallte ihm entgegen. Eine unangenehme Form des Feedbacks. Er konzentrierte sich und versuchte, die sachlichen Rückmeldungen zu erkennen und von den emotional-erratischen Elementen zu trennen. Sicherlich hat er Situationen in Meetings, wo er multitaske. Eine Unart, zweifellos. Aber er hat seine Fakten eigentlich parat. Also ertrug er die gebrüllt und flätig vorgetragene Rückmeldung und bedankte sich für das Feedback, wirklich ohne jedes Maß an Sarkasmus.

Danach ging er in sich. Er rief mich an und schilderte mir die Situation. Mein Rat war, dass man die Sachebene von der Beziehung- sowie der Appellebene trennen sollte. Vermutlich drückte er einen Trigger bei seinem Chef. Vermutlich hört der Chef öfter, dass dies bereits besprochen war und er sich nicht an die Details erinnert. Das scheint ihn zu stören, worauf sein Chef mit Wut reagiert, erratisch wird.

Mein Bekannter prüfte bei seinem in sich gehen den betreffenden Prozess, dachte nochmals über alles nach, prüfte auch die Spezifika – und er hatte Recht, es war so, wie von ihm geschildert und im Gespräch vertreten. Muss er sich wegen solch operativen Details, für die es verantwortliche Kollegen gibt, wirklich rechtfertigen? Und anschreien lassen? Wo ist der eigene Stolz geblieben? Weshalb macht man das mit? Die Antwort ist ganz einfach: man steckt mitten in einer toxischen Beziehung auf Arbeitsebene, in einer Abhängigkeit, die das Risiko des Jobverlusts mitschwingen lässt. Man wählt dort zwischen sozial erwünschtem Verhalten und eigenen Werten, oftmals kippt es zum sozial erwünschten Verhalten. Je schlimmer und toxischer die Beziehung wird, desto mehr kippt man weg von den eigenen Werten und hin zu dem sozial erwünschten, aber eben toxischem Verhalten. Und wissen Sie was? Eine Kündigung befreit innerhalb von Stunden von dem schlechten Gefühl, welches sich über Monate aufgebaut hat. Er hat fünf Tage nach dieser Unterhaltung mit seinem Chef seine Kündigung eingereicht.

Bleiben Sie als Personaler und insbesondere als Führungskraft stets aufmerksam. Solche Situationen sind Alltag in deutschen Unternehmen. Und denken Sie daran: Die Unternehmenskultur wird durch das schlechteste, aber gerade noch so tolerierte Verhalten definiert.

Der relevante Zeitpunkt, eine toxische Beziehung zu beenden: Die Unternehmenskultur wird durch das schlechteste, aber gerade noch so tolerierte Verhalten definiert. Klick um zu Tweeten

Beste Grüße

Ihr Marcus K. Reif

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