Ed Michael, ein Direktor bei McKinsey in den USA, betreute im Jahr 1997 eine Studie zur Zukunft der Arbeitsmärkte, auf der sein Buch “War for Talent” ein Jahr darauf folgte. Statistisch sauber erarbeitet, mit allen Folgewirkungen eines aufkeimenden Fach- und Führungskräftemangels, aus dem nun – fast 30 Jahre später – ein handfester Arbeitskräftemangel geworden ist. Michael analysierte über eine Befragung amerikanischer Unternehmen die wachsenden Schwierigkeiten, die richtigen akademischen Fach- und Führungskräfte zu rekrutieren. Das Resultat zeigte eine wachsende Talenteknappheit über die Erosion der Generation Baby Boomer, die peu à peu in Rente gehen. Kultur rückt deutlich weiter vor in den Arbeitgeber-Attraktivitätskriterien. Unternehmensführung, kulturprägende Elemente, New Work, Entkopplung der Arbeit von Präsenz an einem Ort sind nur einige Attribute dieser Entwicklung. Der Begriff War for Talent wurde geboren. Und damit hervorragende Aussichten für Recruiter und Headhunter, wie sich nun ebenfalls wieder anhand der Umsatzzahlen zeigte. Bis nun. Die Krise lässt all diese wissenschaftlich gut begründeten Entwicklungen wieder ins Hintertreffen geraten. Unternehmen drehen wieder jeden Euro drei mal um und auf der Strecke bleiben die Kultur, die Führung und die Personalstrategie.
Headhunter melden für 2024 rund 75.000 Positionen in Unternehmen seien mithilfe von Headhuntern besetzt worden. Ein Minus von 3,8 Prozent ergibt einen auf rund 2,82 Mrd. Euro gesunkenen Umsatz. 70 Prozent der für die Studie befragten Beraterinnen und Berater gaben an, dass die Nachfrage der Bestandskunden zurückgegangen sei.
– BDU | BRANCHENSTUDIE PERSONALBERATUNG 2025
2025 erwarten die Personalberatungen strukturelle Veränderungen in der Branche. 73 Prozent der Marktteilnehmer gehen davon aus, dass Private-Equity-Übernahmen und Zusammenschlüssen im deutschen Markt zunehmen. Drei von vier Personalberatungen halten es außerdem für wahrscheinlich, dass sich künftig plattformbasierte Executive-Search-Modelle etablieren. „Sie werden klassische Search-Mandate wohl nicht verdrängen, vielmehr wird es künftig verstärkt Hybrid-Modelle geben“ so Wolfram Tröger. Jeder zweite Befragte erwartet zudem negative Auswirkungen durch das regulatorische Umfeld, etwa in Form des AI-Acts
Der aktuelle Geschäftsklimaindex, den der BDU vierteljährlich im Personalberatungsmarkt erhebt, zeigt jedoch, dass es in 2025 bergauf geht. Im 2. Quartal stieg der Index im Vergleich zum Vorquartal um 8,6 Punkte auf aktuell 85,8 Punkte. Am optimistischsten blicken – ähnlich wie in der Studie – die Top-25- sowie größere Personalberatungen in die Zukunft. Kleine Unternehmen und Boutiquen sind etwas pessimistischer.

Headhunting ist Research
Headhunter sind bis heute für viele ein Mysterium. Immer noch wird von “Headhuntern” gesprochen, die mit ihrem “goldenen Adressbuch” Geld verdienen. Sorry, but not sorry. Talentedatenbanken haben eine zu geringe Halbwertszeit und niemand kennt genau die Menschen mit der Expertise, dem Kompetenzset und den Erfahrungen, die ich gerade suche. Headhunting ist eben echtes Recherchebusiness. Zuerst die richtigen Fragen stellen, die Kompetenzen erkennen und recherchieren, welche Personen das denn alles in sich vereinen. Danach beginnt die Arbeit. Man kontaktiert die identifizierten Zielgruppen und begeistert diese, in einen Karrieredialog einzusteigen.
Headhunter verkaufen drei mal
Der Job eines Personalberaters ist drei mal verkaufen. Erst verkauft er sich und seine Dienstleistung an ein Unternehmen. Dann das Unternehmen an den Kandidaten. Und dann den Kandidaten wieder ans Unternehmen. Letztlich ist die Arbeit reine werbliche Kommunikation, gepaart mit der Fähigkeit, die richtigen Kompetenzen von A nach B zu bewegen. Also Talente begeistern, sich zu bewegen. Das war zu Beginn der Pandemie sehr schwer. Kaum jemand wollte wechseln, sich dem Risiko einer Probezeit mit fehlendem Kündigungsschutz aussetzen. Im Jahr 2022 ist das gänzlich anders, die Unternehmen suchen flächendeckend nach neuen Mitarbeitern.
Für Firmen ist die Fähigkeit, die richtigen Talente mit den notwendigen Kompetenzen zum richtigen Zeitpunkt zu gewinnen, eine geschäftserfolgskritische Disziplin geworden. Meine Kritik dabei kennen Sie als Leser meines Blogs, wir rekrutieren immer noch wie in den Neunzigern.
Die Personalberatungen werden aus meiner Sicht im Wesentlichen als Dienstleister für die Personalbeschaffung angesehen. Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass die Wertschöpfungsketten der Personalberatungen deutlich davor und danach Services offerieren. Diese sind unter anderem in den Bereichen Personalstrategie, Personalmarketing, Personalbeschaffung, Personaleinsatz, Personalentwicklung und Personalfreisetzung angesiedelt. Schauen wir aber mal rein auf die Personalbeschaffung.
2,82 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2025
Personalberatung ist nicht gleich Personalberatung. Wir haben Recruiting-Agenturen, Personalberater für Direktansprache und das Segment des Executive-Searchs. Daneben gibt es noch Lebenslaufmakler und Agenturen, also ein breites Feld an externen Dienstleistern. Alleine in Deutschland arbeiten rund 8.000 Personalberater sowie 4.000 Researcher in 2.175 Personalberatungen, ein Minus von rund 230 Beratungen über die letzten drei Jahre, was insgesamt eine stattliche Zahl von 14.550 Mitarbeiter insgesamt in der Branche bedeutet, also inkl. Backoffice etc.
2024 wurden mit Hilfe von Personalberatungen 75.000 Positionen mit Fach- und Führungskräften besetzt. Darunter waren vergleichsweise mehr weibliche Kandidaten sowie Kandidatinnen und Kandidaten, die über 50 Jahre alt sind, so die Einschätzung der Befragten. Bezogen auf das Einkommen fand der größte Teil der Platzierungen (31 Prozent) im Bereich 100.000 bis 150.000 Euro statt. Die Top-25-Personalberatungen besetzten überdurchschnittlich häufig hochdotierte Positionen.
Das Kerngeschäft der Branche, der Bereich Executive & Specialist-Search (Marktanteil ca. 80 Prozent), musste 2024 Verluste von 4,9 Prozent hinnehmen. Für 2025 gehen die Befragten von einem leichten Rückgang von 2 Prozent aus. Am stärksten gewachsen sind 2024 die Beratungsfelder „Executive Coaching“ (+4,2 Prozent) und „Leadership Advisory“ (+3,7 Prozent). 2025 werden nach Einschätzung der Marktteilnehmer die Felder „Executive Coaching“ (+3,4 Prozent) und „Potenzialanalyse & Diagnostik“ (+2,9 Prozent) die Nase vorn haben.
Umsätze von 2000 bis 2025
Die Krise kostete seit dem Spitzenwert von 3 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2022 rund 7,3 % Traktion, wenn man die Prognose für das laufende Jahr mit einrechnet. Das ist ein erheblicher Absturz für die Branche, die durch den Ed Michael’schen War for Talent eigentlich ein super solides Geschäftsmodell betreibt. Gute Leute werden immer gebraucht. Doch wie wir lernen, nicht in der Krise!

Meine Prognose
Der Arbeitskräftemangel ist nicht nur mitten in der Gesellschaft, sondern auch bei den Unternehmen angekommen. Unterbrochen von der Krise, die durch Lieferkettenproblematik, Ukraine-Krieg, Trump-Zöllen usw. sich auch auf die Rekrutierung der Unternehmen niederschlägt.
Die richtigen Talente zu gewinnen, diese zu halten und weiterzuentwickeln bleiben Top-Prioritäten. Die Personalberatungen sind eine natürliche Verlängerung der eigenen Werkbank, die fallweise, zum Ausgleich von Belastungsspitzen oder individuell für Schlüsselpositionen alltägliches Geschäft bedeuten. Für uns People-Manager eine gute Nachricht. Auch das gibt Schwung für das eigene Recruiting.
Beste Grüße
Ihr Marcus K. Reif
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