Laut Einschätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) droht Deutschland bis zum Jahr 2035 ein Verlust von rund 7 Millionen Arbeitskräften, wenn keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Was bedeutet das konkret?
- 7 Millionen weniger Erwerbspersonen: Ohne Reform bei Zuwanderung, Erwerbsquoten und beruflicher Integration würde bis 2035 etwa ein Siebtel der aktuellen Arbeitskräfte fehlen
- Der Mangel zeigt sich nicht nur mengenmäßig, sondern auch strukturell: Viele dieser fehlenden Kräfte wären besonders stark in MINT-Berufen, im Gesundheitswesen und im Bildungssektor spürbar
- Eine PwC-Studie prognostiziert allein im Gesundheitswesen 1,8 Millionen unbesetzte Stellen im Jahr 2035

Das Diagramm zeigt eine realistische Projektion der Fachkräftelücke in Deutschland bis 2035:
- Die gelbe Linie stellt den voraussichtlichen Bestand an Erwerbspersonen dar – mit einem Rückgang von 45 auf 38 Millionen.
- Die orange Linie symbolisiert den geschätzten Bedarf, der aufgrund von Wirtschaftswachstum und Alterung sogar leicht steigt.
- Die schattierte Fläche dazwischen ist die entstehende Fachkräftelücke – bis zu 10 Millionen Menschen könnten bis 2035 fehlen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Der Krieg um Talente ist Realität – und Deutschland verliert
Als Ed Michaels Ende der 1990er-Jahre in seiner vielzitierten McKinsey-Studie vom „War for Talent“ sprach, hielten das viele für übertrieben. Heute wissen wir: Er hatte recht – und wie. Der Krieg um die besten Köpfe ist längst entfacht, und Deutschland steht dabei nicht auf der Gewinnerseite. Der demografische Wandel, unflexible Bildungssysteme, und eine unzureichende Migrationspolitik haben eine Gemengelage geschaffen, in der immer mehr Unternehmen händeringend nach Fachkräften suchen – und sie nicht finden.
Der Mangel beginnt an der Spitze der Qualifikation
Während der Begriff „Fachkräftemangel“ oft mit Handwerk, Pflege oder Gastronomie assoziiert wird, ist die Situation bei akademisch ausgebildeten Fachkräften mindestens genauso angespannt – wenn nicht schlimmer. Besonders betroffen sind MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), die Gesundheitsbranche, die Bildungswissenschaften und zunehmend auch die Wirtschaftsinformatik.
Die Zahl der unbesetzten Stellen für hochqualifizierte Arbeitskräfte steigt kontinuierlich. Laut Bundesagentur für Arbeit dauert es inzwischen im Durchschnitt über 180 Tage, bis eine offene Stelle für einen Ingenieur oder IT-Spezialisten besetzt wird. In manchen Regionen ist die Lage sogar dramatischer. Der Fachkräftemangel ist längst kein strukturelles Randproblem mehr – er wird zu einem der größten Wachstumsbremsen der deutschen Wirtschaft.
Was tun? Fünf Empfehlungen gegen den Fachkräftemangel
Statt weiter über Ursachen zu klagen, sollten Unternehmen und Politik konkrete Maßnahmen ergreifen. Hier sind meine Top 5 Empfehlungen, um dem Fachkräftemangel strategisch zu begegnen:
- Bildungssystem reformieren und praxisnäher gestalten
Studiengänge müssen stärker mit der realen Arbeitswelt verknüpft werden. Mehr duale Studiengänge, Kooperationen mit Unternehmen und praxisnahe Curricula sind entscheidend. - Internationale Fachkräfte gezielter anwerben
Deutschland muss attraktiver werden – sprachlich, kulturell und administrativ. Ein schlankeres Visaverfahren, schnellere Anerkennung von Abschlüssen und echte Willkommenskultur sind zentrale Hebel. - Frauen und ältere Erwerbstätige besser integrieren
Mehr Teilzeitmodelle, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Weiterbildungsmöglichkeiten für 50+ könnten gewaltige Potenziale heben, die derzeit brachliegen. - Employer Branding strategisch aufbauen
Unternehmen müssen sich klar positionieren: Warum sollte jemand bei diesem Arbeitgeber arbeiten wollen? Die Antwort muss in der Kultur, im Purpose und in der Führung liegen – nicht nur im Gehalt. - Technologie und Automatisierung sinnvoll nutzen
Fachkräftemangel sollte auch ein Innovationsbeschleuniger sein. KI, Robotik und smarte Prozesse können helfen, menschliche Ressourcen gezielter und effizienter einzusetzen.
Fazit: Wer Talente will, muss bereit sein, zu investieren
Der Kampf um Talente ist kein kurzfristiger Trend, sondern die neue Normalität. Es reicht nicht mehr, Stellen auszuschreiben und auf Bewerbungen zu warten. Wer auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein will, muss Arbeitskräfte nicht nur finden, sondern auch binden und entwickeln. Der Fachkräftemangel ist eine Herausforderung – aber auch eine Chance, unser Arbeits- und Bildungssystem neu zu denken.
Ed Michaels hatte Recht – und wir haben es verschlafen. Höchste Zeit aufzuwachen.
Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Sie ist so wichtig.
Mit meinen besten Grüßen
Ihr Marcus K. Reif









