Personaler im Finanzsektor stehen im Spannungsfeld aus zuverlässiger operativer Personalarbeit, aus Regulatorik und moderner HR-Strategie. Insbesondere die Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV oder kurz IVV) sind dabei wichtige regulatorische Anforderungen an die Vergütungspraxis in Banken oder Versicherungen. Wer nicht weiß, was ein Risktaker ist, der hat viel Freude bei der regulatorischen Arbeit verpasst. Die IVV wurde im Jahr 2017 überarbeitet. Für HRler ist die Auslegungshilfe vom 16. Februar 2018 zur geänderten Institutsvergütungsverordnung maßgebend (Stand 15. Februar 2018), die seitens der BaFin herausgegeben wurde. Durch diese Novelle wurden umfangreiche Neuerungen und Detaillierungen bei den Vergütungsanforderungen geschaffen.
In der dynamischen Welt des Personalmanagements stehen wir als HR-Profis häufig an der Schnittstelle zwischen strategischer Ausrichtung, rechtlicher Rahmengebung und gelebter Unternehmenskultur. Besonders in regulierten Branchen wie dem Finanzsektor kommt der Personalabteilung eine zentrale Rolle zu – nicht zuletzt, wenn es um die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben wie der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) geht. Die Vergütungsstrategie und Vergütungspraxis sind bei den meisten Unternehmen nicht so komplex, wie bei Banken, die mit höheren Bonusanteilen operieren. Aus den Erfahrungen der Bankenkrise des Jahres 2007 ff., bei der viele Banken instabil wurden, führte die Bankenaufsicht neue Regelungen aus. Dies sind neben neuen Eigenkapitalrichtlinien eben auch Vergütungsleitlinien, um aus den ursächlichen fehlgeleiteten Vergütungssystemen der Bankenkrise für mehr Stabilität in der Finanzbranche zu sorgen. Die IVV regelt bspw. die Abgrenzung von variabler und fixer Vergütung, weitere Regelungen zu Abfindungen, Auslands- und Funktionszulagen, Halteprämien, Organisationsrichtlinien und Dokumentationspflichten, Offenlegungspflichten sowie zu Rückforderungsvereinbarungen in Bezug auf variable Vergütungen, bspw. Malus- sowie Clawback-Klausel oder Rückgewähr- oder Rückforderungsvereinbarung sind ebenfalls enthalten.
Deshalb sind HRler in der Finanzbranche gerade in Regulatorik besonders gefordert, hier eigenes Wissen und Kompetenz aufzubauen. Die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden, BaFin, Bundesbank, EZB bei bedeutenden Instituten sowie den Abschlussprüfern kennzeichnet ein gutes Profil eines Personalers.
Was ist die Institutsvergütungsverordnung?
Die InstitutsVergV regelt die Vergütungssysteme in Banken, Finanzdienstleistungsinstituten und Wertpapierinstituten. Ziel ist es, Fehlanreize zu vermeiden, die zu übermäßigen Risiken führen könnten – eine der Lehren aus der Finanzkrise 2008. Die Verordnung basiert auf der EU-Richtlinie CRD V (für Kreditinstitute) und MiFID II (für Wertpapierfirmen) und wird in Deutschland durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin umgesetzt.
Für uns in der Personalarbeit bedeutet das: Wir tragen Verantwortung dafür, dass Vergütungssysteme rechtssicher, anreizgerecht und risikoadäquat gestaltet sind. Das betrifft nicht nur Vorstände und Geschäftsleiter, sondern auch sogenannte Risktaker – also Mitarbeiter, die wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil des Instituts haben. Eine formelbasierte Findung der angemessenen variablen Vergütung sind ebenso Bestandteil, wie die aufgeschobene Vergütung mit risikoadäquater Überprüfung (Deferred Compensation Model). Nicht zu verwechseln mit der Ansparung von Pensionszusagen bei der betrieblichen Altersvorsorge, das ist ein anderes Thema.
HR im Spannungsfeld von Regulatorik und Unternehmenskultur
Die größte Herausforderung in der Praxis: Compliance sicherstellen, ohne dabei die Motivation und Leistungsorientierung unserer Mitarbeitenden zu verlieren. Denn ein starres, rein regulatorisch geprägtes Vergütungssystem kann schnell demotivierend wirken – vor allem dann, wenn variable Vergütungsbestandteile stark eingeschränkt werden.
Hier sind wir Personaler gefragt, klug zu moderieren:
- Variable Vergütung muss an nachhaltige Leistung gekoppelt sein. Sie muss messbar und formelbasiert festgelegt werden.
- Zielvereinbarungen sollten qualitative und quantitative Elemente beinhalten.
- Rückforderungs- und Zurückbehaltungsmechanismen (Clawbacks & Deferrals) sind für Risktaker zu etablieren – ohne die Mitarbeiterbindung zu gefährden.
Das bedeutet: Wir brauchen eine strategisch durchdachte, transparente Vergütungspolitik, die den rechtlichen Anforderungen genügt und gleichzeitig die Attraktivität des Arbeitgebers erhält.
Die Rolle der HR-Abteilung
Die Umsetzung der InstitutsVergV ist keine rein juristische oder finanztechnische Aufgabe – sie ist eine genuine HR-Verantwortung.
Wir sollten die Chance nutzen, gemeinsam mit der Geschäftsleitung, dem Risikomanagement und der Compliance-Abteilung interdisziplinäre Vergütungsausschüsse zu gestalten, Vergütungsberichte proaktiv zu begleiten und in der Kommunikation mit Führungskräften und Mitarbeitenden als Brückenbauer zu wirken.
Einige strategische Ansatzpunkte:
- Risikoorientierte Karrierepfade: Entwicklungschancen für Risk Taker transparent gestalten.
- Weiterbildung: Führungskräfte zu regulatorischen Themen befähigen.
- Kommunikation: Den Purpose der Vergütungspolitik verständlich und motivierend vermitteln.
- Digitalisierung: Tools und Systeme nutzen, um Reporting- und Dokumentationspflichten effizient zu erfüllen.
Risikoträger
Die IVV hat auch die Identifizierung der Risktaker angepasst. Die IVV 4.0 (Auslegung BaFin vom 16.02.2028, siehe oben) sowie die Vorgaben aus dem Kreditwesengesetz (KWG) besagen, dass künftig nicht nur bedeutende Institute, sondern zusätzlich auch alle CRR-Kreditinstitute (nichtbedeutende und teilbedeutende Banken) eine Risikoträgeranalyse durchführen müssen. Dies ist neu und stellt uns HRler sowie unsere Arbeitgeber, die nun erstmals verpflichtet sind, eine Risikoträgerermittlung durchzuführen, vor Herausforderungen. Die Analyse ist komplex auf der einen Seite, bietet aber die nötige Transparenz und Nachvollziehbarkeit auf der anderen, die den Aufsichtsbehörden am Herzen liegt.

Fazit
Die Institutsvergütungsverordnung ist kein „notwendiges Übel“, sondern ein Gestaltungsrahmen, den wir als HR-Professionals aktiv nutzen können. Ja, sie bringt Komplexität. Aber mit der richtigen Haltung – strategisch, kooperativ und lösungsorientiert – können wir nicht nur für eine gute HR-Compliance sorgen, sondern echte Mehrwerte schaffen.
Gerade in Zeiten von Talentknappheit und kulturellem Wandel ist eine sinnvolle Vergütungspolitik kein Randthema, sondern Kern moderner Personalarbeit.
Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Sie ist so wichtig.
Mit meinen besten Grüßen
Ihr Marcus K. Reif
Checkliste
Umsetzung der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) in der Personalarbeit
1. Analyse der bestehenden Vergütungsstrukturen
- Überprüfung der aktuellen Vergütungssysteme auf Compliance mit der InstitutsVergV.
- Identifikation von Risikoträgern gemäß den Kriterien der Verordnung.
- Bewertung der Angemessenheit und Transparenz der Vergütungspraktiken.
2. Entwicklung und Dokumentation einer Vergütungsstrategie
- Festlegung klarer Vergütungsgrundsätze, die mit der Risikostrategie des Instituts übereinstimmen.
- Dokumentation der Vergütungsrichtlinien und -verfahren.
- Sicherstellung der geschlechterneutralen Ausgestaltung der Vergütungssysteme gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 InstitutsVergV.
3. Implementierung von Governance-Strukturen
- Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses gemäß § 12 InstitutsVergV.
- Benennung eines Vergütungsbeauftragten zur Überwachung der Vergütungssysteme.
- Regelmäßige Schulungen für Führungskräfte und HR-Mitarbeitende zu den Anforderungen der InstitutsVergV.
4. Gestaltung variabler Vergütungskomponenten
- Festlegung von Kriterien für die Gewährung variabler Vergütung, die risikoadäquat und leistungsbezogen sind.
- Einführung von Zurückbehaltungs- und Rückforderungsmechanismen (Deferrals und Clawbacks) gemäß §§ 20 und 22 InstitutsVergV.
- Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien (ESG) in den Vergütungssystemen.
5. Überwachung und Anpassung der Vergütungssysteme
- Regelmäßige Überprüfung der Vergütungssysteme auf ihre Angemessenheit und Wirksamkeit.
- Anpassung der Vergütungssysteme bei Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen oder der Geschäftsstrategie.
- Dokumentation aller Überprüfungen und Anpassungen für Prüfungszwecke.
6. Transparenz und Kommunikation
- Erstellung eines jährlichen Vergütungsberichts gemäß § 16 InstitutsVergV.
- Offenlegung der Vergütungssysteme gegenüber Mitarbeitenden und relevanten Stakeholdern.
- Förderung einer offenen Kommunikation über Vergütungsprinzipien und -entscheidungen.
 
				 
												








