Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Wir kommen mit dem Personalwesen aus einer Zeit, in der die klassischen Produktionsfaktoren Boden, Kapital und Arbeit waren. Der Faktor Arbeit war meist eine Belastung in der Bilanz und wurde mit Argusaugen betrachtet. Aus dieser Taktik heraus entstand das “Hire & Fire” zur Bilanzverbesserung, auch ein Gedankengang der Manager aus der Generation von Jack Welch. Menschen galten als Ressource, diese wurden in Excel erfasst und auch als Ressource behandelt. Die Demografie mit dem demografischen Wandel, die Globalisierung und die Digitalisierung haben neben dem Wertewandel zu einem Paradigmenwechsel bei der Personalarbeit geführt. Der Arbeitsmarkt ist leer an Arbeitskräften, daran ändert auch die Corona-Pandemie nichts. Wir haben keinen originär engen Fachkräftemarkt oder engen Führungskräftemarkt, wir haben mittlerweile eine breite und flächendeckende Knappheit an Arbeitskräften in allen Bereichen. Aus dieser Situation heraus sind die ehemals als Ressourcen bezeichneten Mitarbeiter, die immer als Kostenfaktoren galten, zu unserem wichtigsten Produktionsfaktor geworden. Der Mensch ist wieder im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns. Das beschreibt übrigens der Terminus New-Work

HR wird traditionell geschätzt für das Minimieren von Risiken, Einhalten von Regeln (Gesetzen, Verordnungen, Vereinbarungen), schneller Reaktionszeit und der Zufriedenheit unserer internen und in vielen Fällen auch externen Kunden. Das flexible Reagieren auf Zuruf ist ebenfalls in unserer DNA und somit in der Wertschätzung unserer Kunden weit oben. Wir haben diese Komfortzone nie richtig verlassen. Doch der Anspruch an die Tätigkeit im Personalwesen und der erwünschte Wertbeitrag durch die Personalabteilung ist in den letzten 50 Jahren massiv gestiegen. Während man zu Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit um 1900 rum die Personalabteilung noch als administrative Einheit verstand, die im Wesentlichen Entgelt-Themen (Entgeltpolitik; Lohnformen, Entgelt-Auszahlung) betreute, ist der Anspruch und Wirkungsgrad heutiger HR-Bereiche deutlich über diesen Ansatz hinaus gewachsen. In nicht wenigen Unternehmen ist die Payroll, die eben vor vielen Jahrzehnten noch der Kern der Aufgabe war, heute an einen externen Dienstleister outgesourct. In der Theorie und wissenschaftlichen Lektüre besteht die Hauptaufgabe des Personalwesens in der Bereitstellung, dem Einsatz und der Entwicklung des Personals. In der Realität haben sich die Aufgaben doch massiv verbreitert und die Verantwortung für die Handlung des HR-Bereichs deutlich weiterentwickelt. Das gibt stets Anlass, über die Entwicklung der Aufgaben der Personalabteilung zu schreiben. 

Ob man die Personalverwaltung nun Personaladministration, Personalabteilung, Human-Resources, People-Management oder Talent-Management im weitesten Sinne bezeichnet: deutlich wird hierbei, dass sich die traditionellen Tätigkeiten massiv verbreitert und erweitert haben. Auch das Profil des HRlers ist evolutioniert. Weg vom Verwalter und hoch serviceorientierten Prozesserfüller hin zum ergebnisorientierten Prozessgestalter und Wertbeitragsbringer. Dafür stand das Dave-Ulrich-Modell bei seiner Einführung. Den strategisch notwendigen Beitrag des Personalwesens zur Unternehmensstrategie zu ermöglichen. Wir haben nicht nur in der Personalgewinnung, Personalentwicklung, Nachfolge-Planung und Führungskräfteentwicklung viele Aufgaben übernommen, die Kultur sowie die Führungsstile und -prinzipien sind ebenso elementar, wie die Gleichberechtigung und der sinnvolle Mix unterschiedlicher Sichtweisen und Überzeugungen, was mit Diversity-Management en vogue geworden ist, aber über die Geschlechterbalance deutlich hinausgeht.

Es war einmal ein HR-Referent

Früher – und auch heute noch in vielen Unternehmen – gab es den HR-Generalisten. Diese Referentin bzw. dieser Referent in der Personalabteilung übernimmt im Wesentlichen die Mitarbeiterbetreuung. In diesem Profilset wird allgemeines Wissen erfordert. Man findet in gängigen Stellenanzeigen die Anforderung, diese Person möge über Arbeitsrecht Bescheid wissen, gute Erfahrung im Umgang mit Vertragsrecht, Betriebsverfassungsgesetz sowie in der gesetzlichen Mitbestimmung besitzen. Diese Generalisten betreuen die Personaleinstellung ebenfalls, wie Leistungsbeurteilungs- und Gehaltsentwicklungsprozesse. Auch Learning- und Development-Prozesse fallen in vielen Beispielen in das Verantwortungsgebiet des HR-Generalisten. In seltenen Fällen fallen Payroll-, Gehaltsabrechnungs- oder Pensionsthemen an. Der HR-Generalist ist also Ansprechpartner von der Wiege – Recruiting – bis zur Bahre – Kündigung oder Austritt –. Das Profil kennzeichnete einen guten HR-Referenten durch das generelle Tätigkeitsfeld sowie immanente Serviceorientierung. 

Die meisten ausgeschriebenen Stellen als HR-Business-Partner gelten eigentlich Personalreferenten. Es sind umetikettierte HR-Generalisten mit einem pseudo-strategischen Anstrich.

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Und deshalb haben wir keine Stimme! Wir People-Manager werden oft aufgerieben zwischen den Entscheidern in der Geschäftsführung/im Vorstand, den mittleren Führungskräften und der Belegschaft. Und oftmals fehlt es an unserer Stimme im Board, die Vielschichtigkeit des Personalwesens und die Instrument unserer Personalarbeit entsprechend zu würdigen.

Geänderte Anspruchshaltung an HR

Viele Personalchefs in Europa sind überzeugt, dass ein Wechsel zu einer mitarbeiterzentrierten Personalpolitik längst überfällig ist. Die Pandemie dient hierbei als Beschleunigung und oftmals auch als Brennglas, um das Wesentliche zu erkennen. Die COVID-19-Pandemie ist für den nötigen Wandel ein wichtiger Faktor. Überlegen Sie doch mal. Seit Jahrzehnten ringen Personaler darum, die Präsenzorientierung aus den Köpfen der Führungskräfte zu bekommen, flexiblere Möglichkeiten der Arbeitsorganisation in puncto Arbeitszeit und Arbeitsort zu etablieren. Dann hielten die Mitarbeiter aus dem Pandemie-Office von zu Hause aus die Firma am Laufen. Und nun drehen viele Bosse genau diese Errungenschaft der Neuzeit zurück. Damit steigt nicht Ihre Produktivität oder Innovationsfähigkeit, aber Ihre Fluktuationsrate mit Sicherheit.

Selbst in den Bereichen des Personalwesens, die traditionell mit einer hohen Anerkennung und innerer Relevanz ihres Wertbeitrags durchdrungen sind, liegt der Schwerpunkt auf dem Operativen, der Produktivität und deren Messung. Der hohe Fokus auf operativer Exzellenz ist eigentlich Tradition der klassischen HR-Organisationen. Doch genau diese Ausprägung oder auch Daseinsberechtigung stehen uns im Weg zu einer wertschöpfungs- und Change-orientierten Personalarbeit, die stärker auf den Menschen ausgerichtet ist.

McKinsey befragte mehr als 70 CHROs in einigen der größten europäischen Unternehmen und untersuchte, wie Personalleiter dazu beitragen können, ein dynamischeres Talent- und Arbeitsmodell für die Zukunft zu schaffen. Die überwiegende Mehrheit der CHROs gab an, dass sie gerne zu einem mitarbeiterzentrierten Modell wechseln würden. Die COVID-19-Pandemie hat die Bedürfnisse und Anforderungen der Mitarbeiter erhöht. Beispielsweise steht die physische und psychische Gesundheit viel stärker im Vordergrund, aber auch der technologische Fortschritt der Abläufe. Und beides entmantelt, dass wir in den Unternehmen keine mitarbeiterzentrierte Arbeitskultur pflegen, sondern eine KPI- und risikominimierende Managementattitüde.

Agil oder hybrid?

Doch wohin soll die Reise gehen? Viel wurde in den letzten Jahren über Agilität in der Arbeitsorganisation geschrieben und gesprochen. Natürlich betraf das auch die HR-Organisation, die aus Sicht mancher Vordenker agiler werden sollte. Im Pandemie-Krisenmanagement gilt es, die strategische Zukunftsfähigkeit mit den operativen Notwendigkeiten in Einklang zu bringen. Und die Realität zeigt, dass eine rein theoretische Arbeitsorganisation sich nicht in Reinform etablieren lässt. Viel näher an der Wirklichkeit sind hybride Modelle, bspw. die Ambidextrie, wo wir die transaktional geprägten Tätigkeiten ebenso beherrschen, wie die strategischen Themen des Wandels und der Ausrichtung der Zukunftsfähigkeit. Kurzum: die Krise hat uns wendiger gemacht. Und das ist sicherlich etwas, was wir beibehalten sollten.

People-Management: Von Prozessen zu Menschen

Digitalisierung und Technologie im HR-Alltag sind die wesentlichen Treiber, die uns erst wieder ermöglichen, uns den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stärker zu widmen. Klingt das nicht paradox? Nein, denn die Beherrschung von Technologie zur Verbesserung von Standard-HR-Prozessen und die Entwicklung von Erkenntnissen durch fortschrittliche Analysen aus Basis der gewonnenen Daten wird uns erst in die Lage bringen. Die Befragung von McKinsey brachte auch die Erkenntnis, dass nur durch den Wechsel auf eine menschenzentrierten Personalpolitik es den Unternehmen gelingen wird, künftig Talente anzuziehen, an Bord zu halten und zu entwickeln.

Zurück zum Menschen – HR am Limit und vor einem Wendepunkt

Wir stehen unter Druck – mehr denn je. Die Anforderungen an das Personalwesen steigen stetig: Digitalisierung, zunehmende Regulatorik und ein neues Verständnis von Führung fordern uns in unserer täglichen Arbeit heraus. Gleichzeitig werden wir im operativen Alltag oft übergangen – wichtige Entscheidungen zur HR-IT oder Administration treffen andere, während wir am Spielfeldrand zusehen.

Was besonders schmerzt: Der Wertekompass gerät aus dem Gleichgewicht. Zwischen Homeoffice, steigender Arbeitslast und dem Anspruch, empathische Ansprechperson zu sein, entsteht eine emotionale Schieflage. Wer zu früh vom Gespräch mit der Linie aufsteht, weil der Pendenzenberg ruft, spürt: Da passt etwas nicht mehr.

Ein Paradoxon tut sich auf: Gerade die Technologien, mit denen wir Prozesse effizienter machen wollten, entfremden uns von den Menschen, für die wir da sind. Viele CHROs erkennen das und schlagen nun eine andere Richtung ein – weg von reiner Selbstbedienung, hin zu echter Verbindung. Onboarding, Coaching, Performance-Dialoge: All das braucht wieder Nähe und Präsenz.

„Back to human“ – so bringen es viele europäische HR-Leiter:innen auf den Punkt.

Doch diese Rückbesinnung ist nicht nostalgisch. Sie ist strategisch. Wer seine Leute nicht kennt, kann keine Kultur gestalten. Wer Kultur nicht gestaltet, hat keinen Einfluss auf Leistung. Und wer keinen Einfluss auf Leistung hat, bleibt austauschbar.

Der Weg führt also über echte Beziehungspflege – über alle Beschäftigtengruppen hinweg. Es reicht nicht mehr, nur auf Tech-Talente zu schielen. Gefragt ist ein breiterer Blick auf die gesamte Belegschaft, inklusive Freelancern, Hidden Champions und künftigen Führungspersönlichkeiten, die sich nicht auf der Bühne, sondern im Maschinenraum beweisen.

HR muss sich neu aufstellen: weniger als Verwaltung, mehr als Bewegungsmelder und Kulturarchitekt. Dazu braucht es Daten, aber auch Bauchgefühl. Technologie, ja – aber mit Fokus auf den Menschen. Prozesse, ja – aber mit Sinn. Führung, ja – aber mit Haltung.

Das Ziel? Eine HR, die nicht nur mitläuft, sondern mitgestaltet. Die nicht nur reagiert, sondern führt. Die nicht nur „People Operations“ betreibt, sondern echte „People Leadership“.

Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Sie ist so wichtig.

Mit meinen besten Grüßen

Ihr Marcus K. Reif

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