Zwischen Präsenzpflicht, Performance-Fokus und sinkender Toleranz für Komfort: Eine neue Unternehmenskultur greift um sich – und sie hat Folgen.
In vielen Unternehmen zeichnet sich eine klare Trendwende ab: Die Zeit der maximalen Flexibilität scheint vorbei. Stattdessen erleben wir eine Renaissance der Präsenzpflicht, kombiniert mit einem verschärften Fokus auf messbare Leistung. Was manche als Rückfall in alte Muster sehen, deuten andere als notwendige Reaktion auf wirtschaftlichen Druck und kulturelle Erosion. Das ist heute ein Spannungsfeld zwischen Unternehmenskultur, New Work und Leistungserwartung.
AT&T, Amazon, Meta: Die neue Direktheit im Top-Management
Ein internes Memo des AT&T-CEOs John Stankey machte zuletzt Schlagzeilen. Der Tenor: Wer im Unternehmen bleiben will, muss sich an veränderte Spielregeln gewöhnen. Weg von familiären Strukturen, hin zu Performance-Kultur. Stankey fordert volle Büroanwesenheit, klare Beiträge und spürbares Engagement. Und wer sich damit nicht identifizieren kann, solle bitte gehen.
Ähnlich äußerte sich Amazon-CEO Andy Jassy: Die Präsenz im Büro sei notwendig, um die Unternehmenskultur zu stärken. Auch bei Meta wurden die Leistungserwartungen spürbar erhöht. Und selbst Microsoft gibt sich inzwischen weniger wie ein „Country Club“ – und mehr wie ein fokussiertes, geschäftsorientiertes Unternehmen.
Was bedeutet das für HR und Leadership?
Für HR-Führungskräfte und Entscheider stellt sich eine zentrale Frage: Wie viel Flexibilität ist künftig noch möglich – und wie viel Kontrolle nötig? Die Vorstellung, dass jeder selbstbestimmt, ortsunabhängig und im eigenen Rhythmus arbeitet, stößt zunehmend an Grenzen. Die neue Härte lautet: Leistung geht vor Lifestyle.
Zugleich wird das Thema Unternehmenskultur neu vermessen. Nicht mehr das Wohlbefinden allein, sondern die Verbindung aus Leistungsbereitschaft und Kulturzugehörigkeit wird zum Maßstab. Wer sichtbar Wirkung erzeugt, rückt auf. Wer sich entzieht, verliert Anschluss.
Was Bewerber jetzt verstehen müssen
Für Talente bedeutet das: Die Zeiten haben sich geändert. In Bewerbungsgesprächen dominieren zunehmend wieder geschäftliche Anforderungen. Wer sich gut positionieren will, muss zeigen, dass er oder sie versteht, wie Leistung und Beitrag in das große Ganze einzahlen.
Gleichzeitig raten Karriereexpertinnen wie Jasmine Escalera: Hört genau hin, wie über Kultur gesprochen wird. Wenn das Thema Wohlbefinden kaum vorkommt, ist das ein Indiz für eine leistungsgetriebene Organisation – die für manche genau das Richtige sein kann, für andere eben nicht.
Zwischen Anpassung und Klarheit: Was jetzt zählt
Was bleibt, ist die Notwendigkeit zur Selbstklärung: Was ist mir wirklich wichtig? Wo kann ich mitgehen – und wo ziehe ich Grenzen? Karriereexpertin Jennifer Moss empfiehlt, bewusst Mikroausgleiche zu schaffen – etwa durch echte Kollegialität oder kleine Alltagsrituale, die Resilienz fördern.
Und auch wenn der Wunsch nach Veränderung wächst: Wer jetzt kündigt, sollte einen Plan haben. Der Arbeitsmarkt ist komplexer geworden, die Spielregeln härter. Wer langfristig zufrieden arbeiten möchte, braucht mehr denn je strategische Klarheit – über sich selbst, über sein Umfeld und über die eigenen Kompromisslinien.
Fazit
Die Arbeitswelt 2025 ist aus Sicht einiger Arbeitgeber wohl kein Wohlfühlort per Default mehr. Sie verlangt Präsenz, Leistung und Haltung. Das ist unbequem – aber auch eine Chance zur Schärfung der eigenen Position. Für Unternehmen heißt das: Wer Leistung fordert, muss auch kulturelle Klarheit bieten. Und für Talente: Wer Wirkung erzeugen will, braucht mehr als nur gute Argumente – er oder sie muss bereit sein, sich zu zeigen. Ich hoffe, dass sich die Flexibilität von Arbeitszeit und -ort, damit auch das Maß an Autorität und Selbststeuerung nicht aushöhlen lassen wird. Es liegt nun auch an uns Personalern, für die Dinge zu kämpfen, die wir als essenziell betrachten.
Unterhalb noch aus meiner Sicht die Schwerpunkte für eine moderne Personalarbeit im Jahre 2025 und 2026.
Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Sie ist so wichtig.
Mit meinen besten Grüßen
Ihr Marcus K. Reif
