Wir sind wirklich gut bei Employer-Branding. Im fortlaufenden Prozess über Onboarding, Retention, Development und auch der Exit werden wir deutlich schwächer. Fast schon wie in einer Ehe. Rosa Limerenzphase, tolle erste Monate, dann schwächt es ab. Und irgendwie ist der Exit sehr vergleichbar mit einem Beziehungsaus. Man vermutet ab und an, dass dort die Wut höher ist als die Zufriedenheit. Schauen wir uns das an.
Was ist der Score des Austrittsgesprächs? Aus meiner Sicht ist es ein wertschätzendes Element seitens des People-Managements. Das Gespräch dient ebenfalls impliziert und explizit der Klärung der Erwartungen an den Arbeitgeber, ob diese über das Angestelltenverhältnis hinweg erfüllt wurden und insbesondere, an welcher Stelle eben nicht. Das Einschätzen der Passung ist natürlich ebenfalls wichtig und sollte dokumentiert werden, denn ein Bumerang kommt auch wieder und Rehires sind keine Seltenheit. Die Frage, die Sie beantworten sollten ist, ob diese Person denn wieder willkommen ist. Natürlich sollten Sie Feedback einholen. Wie war der Job, wie war der Arbeitgeber, wie war das Team, der Vorgesetzte, das Management usw. Generieren Sie einen guten Überblick. Damit erreichen Sie den Beziehungsaufbau zu Ihrem neuen Alumnus oder Alumna.
Beispiele gefällig? Gerne
- was war Ihre größte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?
- wo erhofften Sie sich einen größeren Wertbeitrag durch die Firma, Ihren Vorgesetzten oder durch das People-Management?
- was können wir in der Zusammenarbeit besser machen?
- was waren Ihre Erwartungen an die Firma, Ihren Vorgesetzten oder durch das People-Management?
- wie beschreiben Sie rückblickend die Unternehmenskultur? Welche positiven und negativen Aspekte bleiben Ihnen in Erinnerung?
- wie beschreiben Sie die übergeordnete Führung mit ihren Werten sowie Ihre direkte Führung?
und sicherlich fallen Ihnen noch eine Menge weiterer guter Fragen ein. Denn wir vertauschen bei der Analyse der Kündigung oft Ursache und Wirkung, wie ich in dem nachfolgenden Video erläutere.
Wie Sie Ihre Austrittsgespräche effektiv gestalten
Warum der letzte Eindruck genauso wichtig ist wie der erste. Austrittsgespräche sind weit mehr als eine reine Formalität. Richtig durchgeführt, liefern sie wertvolle Erkenntnisse über die Unternehmenskultur, Führung, Arbeitsbedingungen und Entwicklungspotenziale. Gleichzeitig ermöglichen sie einen professionellen Abschluss der Zusammenarbeit – im besten Fall in beiderseitigem Respekt.
Warum Austrittsgespräche wichtig sind
Mitarbeitende verlassen Unternehmen aus unterschiedlichsten Gründen: bessere Karrierechancen, Unzufriedenheit, persönliche Umstände oder strukturelle Veränderungen. In all diesen Fällen bietet das Austrittsgespräch die Möglichkeit, die Sichtweise des ausscheidenden Mitarbeitenden zu verstehen – und daraus zu lernen.
Nutzen gut geführter Austrittsgespräche:
- Aufdecken systematischer Schwachstellen (z. B. Führungsstil, Kommunikation, Prozesse)
- Verbesserung des Employer Brandings
- Erhöhung der Bindung verbleibender Mitarbeitender durch signalisierte Lernbereitschaft
- Mögliche Rückgewinnung als “Boomerang-Mitarbeitende”
Der richtige Zeitpunkt
Führen Sie das Gespräch möglichst kurz vor dem Austritt, aber nicht am letzten Arbeitstag. Der/die Mitarbeitende sollte bereits innerlich Abstand gewonnen haben, aber noch im Austausch mit dem Team stehen. Ein Zeitraum von 1 bis 2 Wochen vor dem letzten Tag hat sich bewährt.
Wer sollte das Gespräch führen?
Idealerweise wird das Austrittsgespräch von einer neutralen Person aus dem HR-Bereich oder dem direkten Vorgesetzten in Kooperation mit HR durchgeführt. Wichtig ist, dass eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre entsteht, die Offenheit fördert.
Leitfaden für ein effektives Austrittsgespräch
Ein strukturierter Gesprächsleitfaden hilft, alle relevanten Themen systematisch zu beleuchten. Mögliche Fragen:
- Was hat Ihnen an Ihrer Arbeit/Abteilung gefallen?
- Was hätte verbessert werden können?
- Wie war die Zusammenarbeit mit Führungskräften und Kollegen?
- Haben Sie sich ausreichend gefördert und wertgeschätzt gefühlt?
- Was hat Ihre Entscheidung zum Wechsel beeinflusst?
- Würden Sie das Unternehmen als Arbeitgeber weiterempfehlen?
- Können Sie sich eine Rückkehr zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen?
Dos & Don’ts im Austrittsgespräch
Dos:
- Neutralität bewahren – keine Rechtfertigung, keine Diskussion
- Aktives Zuhören und echtes Interesse zeigen
- Feedback dokumentieren und (anonymisiert) auswerten
- Konkrete Verbesserungspotenziale intern weitergeben
Don’ts:
- Verteidigende Haltung einnehmen
- Feedback bagatellisieren oder relativieren
- Gespräch als Pflichtübung behandeln
- Persönliche Konflikte erneut aufrollen
Fazit: Der letzte Eindruck zählt
Ein professionell geführtes Austrittsgespräch ist ein Zeichen von Wertschätzung und Unternehmensreife. Es zeigt, dass das Unternehmen bereit ist zuzuhören, dazuzulernen und seine Kultur weiterzuentwickeln. Auch wenn Mitarbeitende gehen – ihre Stimme zählt. Nutzen Sie aggregierte Erkenntnisse aus Austrittsgesprächen für Ihre HR-Strategie, z. B. in Mitarbeiterbefragungen, zur Optimierung von Onboarding-Prozessen oder bei Führungskräfteentwicklungen.
Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Sie ist so wichtig.
Mit meinen besten Grüßen
Ihr Marcus K. Reif