Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

… oder weshalb Sie sich für den Falschen entscheiden!

Was ist das eigentlich? Unconscious Bias? Ich will Ihnen gleich die Angst nehmen. Jeder ist konditioniert auf seine Erfahrungen und Routinen. Jeder ist “biased”. Sie sind nicht krank! Sie unterliegen unbewusster Vorannahmen, denn so wird das Phänomen Unconscious Bias bezeichnet. Der renommierte US-Forscher Michael Kimmel, den ich vor gut einem Jahr in Düsseldorf bei einer Veranstaltung kennenlernen durfte, erklärt, welche persönlichen Einschränkungen und wirtschaftlichen Schäden Vorurteile und überholte Rollenklischees bewirken können.

Die verschiedenen Übertragungs- und Partizipationseffekte hatte ich ja schon thematisiert: “Ich erkenne Potenzial nach zwei Minuten”. Diese Aussage kommt mir hin und wieder unter. Gerade bei sehr sendungsbewussten Persönlichkeiten erlebt man doch den Dunning-Kruger-Effekt häufiger. Also das Reden über – in diesem Fall – Recruiting und die Personalselektion, ohne allerdings in dieser Frage ausreichend kompetent zu sein. Die Personen verlassen sich auf ihr Bauchgefühl. Das ist auch wirklich richtig, das Bauchgefühl als eine der Betrachtungsfacetten zu berücksichtigen. Aber es darf nicht die einzige Facette bleiben. 

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Interview-Bias

Gerade in Vorstellungsgesprächen kann man leicht Opfer seiner Erfahrungen und Überzeugungen werden. Die “Interviewer Biases” sind eben die Normen und Kontrollen, die eine Persönlichkeit unterbewusst prägen. In der Beurteilung von Potenzial und Talent, somit von der Eignung einer Bewerberin oder eines Bewerbers in einem Interview, sind diese Biases allerdings hinderlich. Man urteilt aufgrund unterbewusster Filter. 

Das Erfolgsprinzip Ähnlichkeit – oder auch im Fachterminus homosoziale Reproduktion genannt – ist ein weitverbreiteter Effekt bei Personal- und insbesondere Einstellungsentscheidungen. Und nochmals: Sie sind nicht krank, wenn Sie “biased” sind. Menschen sind im Alltag gefordert, schnell Situation zu bewerten und zu beurteilen. Wir packen auch komplexe Themen gerne schnell in Schubladen. Dies erfolgt auf Basis unserer Erfahrungen, Prägungen, auch der Erziehung, unserer Werte und Routinen. Das sind Ihre durchaus erfolgreichen und nützlichen Filter! Und gerade diese bringen uns allerdings in der Beurteilung von Bewerbern in die Situation, dass wir unterbewusst die falsche Messlatte anlegen. Eben nicht neutral nach Potenzial und Talent urteilen, sondern auf Basis unserer Überzeugungen und Erfahrungen, eben auf den Dingen, von denen wir sicher sind, dass das dann “richtig” ist. 

Diese Übertragungseffekte/Partizipationseffekte sind populär:

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  • Unconscious Bias
  • Spill-over-Effekt
  • Carry-over-Effekt
  • Halo-Effekt
  • Kannibalismus-Effekt
  • Umbrella-Effekt
  • Order-Effekt 
  • Primary-regency-Effekt
  • fundamentaler Attributionsfehler 

 

Unconscious Bias

Wir tragen sie alle in uns. Die unbewussten Stereotypen. Unser Unterbewusstsein ist da eine verlässliche Beurteilungsquelle. All unser Handeln wird ziemlich zuverlässig von unserem Unterbewusstsein gesteuert, fußt dabei auf Erfahrungen – guten und schlechten – und den daraus abgeleiteten Überzeugungen und Sichtweisen. 

Spill-over-Effekt 

Von diesem Effekt spricht man, wenn ein der Ausstrahlungseffekt sachlich auf ein Ereignis wirkt. Der Begriff hat nicht nur wirtschaftstheoretische und wirtschaftspolitische Bedeutung, sondern auch gesellschaftspolitische oder wissenschaftliche Entscheidungen, Trends oder andere Entwicklungen werden hierbei abgedeckt. Der Spill-over-Effekt kann zum Beispiel erfolgen, wenn eine bestimmte Marke in der Werbung ihre Wirkung auf eine andere Marke überträgt. Als Beispiel wird in der Marketingliteratur gerne die Allianz mit der Marke Dresdner Bank genannt. Das ist zwar Geschichte, weil die Commerzbank nun Eigner ist, aber das trifft es doch ziemlich gut.

Carry-over-Effekt

Dieser Effekt beschreibt die zeitliche Ausstrahlungseffekte. Zum Beispiel, wenn Maßnahmen und Ereignisse in der Untersuchungsperiode zeitlich nachwirken, beeinflussen sie die Wahrnehmung. Zum Beispiel: eine Umfrage zur Qualität von Eiern wird in der Regel positiv beantwortet. Findet eine ähnliche Umfrage eine Woche nach Bekanntwerden eines Dioxinskandals durchgeführt, erscheint das Ergebniss völlig anders. Dieser Effekt findet sich auch im klassischen Marketing, wenn zeitlich versetzte Geschehnisse eine Wirkung auf einzelne Marken entfalten.

Halo-Effekt 

Der Halo-Effekt gehört hier eigentlich nicht wirklich rein, ist allerdings im Recruiting – und dieser Überschrift widmet sich dieser Bericht – den Wahrnehmungseffekt, dass einzelne Eigenschaften einer Person den Gesamteindruck unverhältnismäßig beeinflussen. Zum Beispiel, wenn man mit einem Freund oder einer Freundin ein Vorstellungsgespräch führt, ist man nicht mehr objektiv in der Beurteilung der Qualifikation. Oder das Gegenüber ist attraktiv, hat die gleichen Interessen oder Leidenschaften, hat ggf. auch negative Aspekte – all das beeinflusst die Wahrnehmung und damit die Beurteilung. Der Halo-Effekt wurde besonders von Edward Thorndike und Gordon Allport beschrieben Quelle: wikipedia.de.

Umbrella-/Kannibalismus-Effekt

Wird das Image einer Marke auf ein neues Produkt übertragen, hat dies einen Übertragungseffekt. Wird das positive Image einer Marke auf eine andere beschrieben, bezeichnet man das als Umbrella-Effekt. Der negative Effekt ist der deutlich bekanntere Kannibalismus-Effekt.

Primary-Regency-Effekt

Dieser Effekt beschreibt, dass die Wahrnehmung aus vielen Informationen nur Bezug nimmt auf die ersten und letzten. Somit kann man mit einem guten Eingangsinformation und einem guten Ende Unzulänglichkeiten dazwischen übertünchen. Das psychologische Gedächtnisphänomen, welches dazu führt, dass früher (primacy) und später (recency) erfasste Information gegenüber anderer eingehender Information bevorteilt wird.

fundamentaler Attributionsfehler

Ist die Tendenz von Beobachtern, Personen als Ursache für ihre Handlungen zu sehen. Damit kommt es zu einer Überbewertung von dispositionalen Faktoren bei gleichzeitiger Unterbewertung von situationalen Faktoren. Also neigen Beobachter oft dazu, den Einfluss der Persönlichkeit auf das beobachtete Verhalten in einer Situation zu überschätzen und äußere Einflüsse und Umstände zu unterschätzen. 

Wie damit umgehen?

Denken Sie doch mal an die “Blind auditions” von “The Voice of Germany”. Was fällt Ihnen dazu ein? Die Künstler in der Jury haben allesamt einen wirklich wichtigen Effekt aus der Beurteilung herausgenommen. Den persönlichen Eindruck durch das Sehen! Alle Juroren haben den Stuhl weg von der Bühne gedreht. Sie sehen nicht die Künstler, sie hören nur ihre Performance. Machen Sie das doch bei der nächsten Session einfach selbst mit. Ihnen fehlt natürlich der Vergleich, wie wäre es, wenn ich den Künstler gesehen hätte. Wir lassen uns aber alle beeinflussen. Ob auf der Party, in ersten Kennenlerngesprächen. Der Händedruck wird stark bewertet und entscheidet, wie viel Chance Ihr Gegenüber nun noch hat, um objektiv bei Ihnen zu punkten. 

Oder reflektieren Sie doch mal stark, was Ihr Bauchgefühl mit Ihnen macht. Gewichten Sie das Verhalten, welches Sie gerade beobachtet haben, oder erinnert Sie das Verhalten an eine Situation in Ihrer Vergangenheit? Holen Sie eine zweite (oder auch dritte) Meinung ein. Gehen Sie nicht alleine in ein Interview, nehmen Sie jemanden mit, einen Recruiter beispielsweise, und lassen Sie sein Feedback zu. Im Übrigen sind Personalentscheidungen lediglich auf Basis von Fakten getroffen zu eindimensional, sagt Sven Zeising.

Social Styles

Bei den letzten großen Unternehmensberatungen, bei denen ich arbeiten durfte, wurde ein Modell zur Einschätzung und zum Umgang mit Menschen geschult: Social Styles. Das Modell von Tracom hat sich tief in mein Handeln eingefügt. Ich finde es sehr logisch und sehr hilfreich. Merkmale des beobachtbaren Verhaltens von Menschen werden in vier Kategorien eingeordnet, die wiederum vier Quadranten haben. Auf der Webseite von Tracom Corp. finden Sie die folgenden vier Persönlichkeitsorientierungen:

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There are four unique behavioral patterns recognized in the SOCIAL STYLE Model:

  • Analytical Style people control their emotions but tend to ask questions rather than give orders. They are focused on accuracy, and they act deliberately to achieve that end. Others see them as slow-paced and detail-oriented.
  • Amiable Style people show their emotions openly and prefer to ask questions rather than give orders. Relationships, feelings and personal security are important to Amiable Style people. Others see them as friendly and warm.
  • Expressive Style people show their emotions and speak assertively. They enjoy sharing their ideas and perspectives openly with others. Others see them as creative, but unfocused.
  • Driving Style people control their emotions and speak assertively. They prefer to control a situation and are focused on big-picture results. They are often seen by others as highly efficient and not concerned about relationships or feelings.

Hier in diesem Beitrag bleibt zu wenig Platz, um alle Facetten, insb. Versatility, umfangreich zu beschreiben. Lesen Sie selbst auf tracomcorp.com/social-style-training/model

Das Social-Styles-Modell hilft, Konflikte zu vermeiden, die Kommunikationserwartungen des anderen zu erfüllen und damit schneller und besser zum Ergebnis zu kommen. Beispielsweise brauchen Sie einem Analytical-Style-Menschen nicht mit der Gesprächseröffnung “ich spüre, dass da etwas nicht gut ist” kommen. Wenn Sie Ihr Gespür nicht mit Fakten untermauern können, wird das Gespräch nicht in die richtige Richtung laufen. Und einem Driving-Styler mit ellenlangen Hin- und Herleitungen zu kommen, wird ihn nur nach 2 Minuten aus dem Gespräch aussteigen lassen. 

Was hat das nun mit Biases zu tun? Menschen in einem Quadranten schätzen natürlich Menschen im gleichen Quadranten oder zumindest die gleiche Ausprägung auf den Achsen.

Intuition ist ein wichtiger Ratgeber!

Ich möchte Ihnen Ihr großes Plus Ihrer Überzeugungen nicht absprechen. Nur den Weg, wie Sie diese nutzen. Nehmen Sie als wichtigen und letzten Ratgeber Ihre Intuition, Ihr Bauchgefühl. Bleiben Sie bei der Beurteilung von Kandidaten, von Situationen und Momenten auf der Sachebene. Bewerten Sie nach einem Kompetenzmuster, was Ihnen Stabilität in der faktischen Kompetenz gibt. Und alle weichen Faktoren, inkl. der Soft-Skills, beurteilen Sie separat. Und zu guter Letzt darf Ihr Bauchgefühl hinzu kommen. Nichts bewertet den sozio-kulturellen Fit eines Kandidaten zu Ihrem Unternehmen besser als die Intuition. Diese alleine sagt aber nichts aus über Potenzial und Talent. 

Hoffe, ich konnte Ihnen einen Anlass zum Denken geben. Es wäre mir ein Fest. 

Beste Grüße 

Marcus Reif 

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