Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Jeder kennt die Situationen die rund um Kündigungen entstehen. In den Unternehmen gibt es allseits gültige Thesen, weshalb Menschen kündigen. Meist ist dann zu vernehmen, Menschen gingen wegen des Gehalts. Die Aussagen dazu sind dann im Stile: “Kollege XYZ hat gekündigt, weil sie/er bei dem neuen Arbeitgeber mehr Gehalt bekommt“. Das kennen wir alle. Doch diese “Erkenntnisse” führen zu einer teuflisch-subjektiven Analyse der Wirklichkeit. Und die Personalabteilung bringt dies in eine rein reaktive Maßnahmenbearbeitung. 

Führungskräfte sind in den meisten Fällen nicht besonders kritikfähig was ihre eigene Rolle angeht. Auch die Fehlerlernkultur ist selten ausgeprägt. Ein Ergebnis daraus ist, dass persönliche Verfehlungen meist keine große Bühne genießen, weswegen die Kündigung eines Mitarbeiter, um beim Beispiel zu bleiben, in der Regel mit externen Beweggründen erläutert wird. Wie oft kommt es denn vor, dass ein Mitarbeiter kündigt und dessen Führungskraft nach den Gründen gefragt wird und dieser antwortet: “wir beide kamen nicht gut miteinander zurecht, weswegen mir das kommunikative Mittel fehlte, um zielgerichtet zu führen. Das ist der Grund, weshalb Kollege XYZ nun für sich die Konsequenz gezogen hat und uns verlassen wird“. Haben Sie das schon mal gehört? Nein, ich auch nicht.

Übrigens sind in Unternehmensberatungen die Führungskräfte viel offener für Feedback und Kritik. Sie ist Teil der DNA und Nukleus der Kultur. Man ist sehr kollegial, auch wenn man “in der Peergroup” quasi im kontinuierlichen Wettbewerb um die Ratings steht. Immer am Ziel orientiert, schnell auf die Lösung fokussiert und extrem handlungsorientiert. Ich mag das sehr.

Talente kommen wegen der Reputation, sie bleiben wegen der Aufgabe und sie gehen wegen Führung

Leadership ist der Katalysator für Fluktuation

Oft bekommen wir HRler zu hören, dass das Recruiting ein Problem wäre. Zu wenig Kandidaten, zu wenig gute, zu viel schlechte Bewerbungen etc. Doch das Problem – das stellen wir recht schnell fest – ist nicht das Recruiting, sondern die unerwartet hohe Fluktuation. Die entsteht ja nicht im luftleeren Raum. Fluktuation ist meist ein Ergebnis aus geringer Mitarbeiterzufriedenheit und -Commitment, hoher Belastung und schlecht wahrgenommenem Leadership. Und wo genau ist hier das Recruiting-Problem?!

Führungskräfte sollten Verantwortung übernehmen, insbesondere für Fluktuation. Die Gründe dafür liegen eben meist in der Führung. Und HR kann hier das Problem nicht alleine auflösen. Kein Benefit dieser Welt gleicht die Schwächen einer Führungskraft aus. Führungskräfte müssen sich von Egoismen distanzieren und mehr das große Ganze im Blick behalten. Was sind die Werte, die Kultur und die tradiert-wertvollen Merkmale einer Firma, deren Ziele und Strategie? Dieses “System” wird stets Hoheit behalten müssen über dem eigenen System, landläufig als bisherige Karriere beschrieben. Kultur ist entscheidend!

Mitarbeiter kündigen also, weil die Arbeitswelt 4.0 nicht mit der Unternehmenskultur 1.0 funktioniert. Wollen wir uns die Mühe machen, einen kleinen Blick auf die Realität zu werfen. Menschen verlassen Menschen. Natürlich spielt auch der Karrierewunsch nach einem Sprung nach oben eine große Rolle, doch bevor dieser kommt, muss ja jemand die Initialzündung geben.

Ursache und Wirkung?

Menschen kommen an einen Punkt, wo sie vom “passiv Suchenden”, der nicht offen ist für ein Jobangebot, auf die Seite der “latent Suchenden” wechseln. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig, haben in der Regel mit Einzelsituationen zu tun, die Mitarbeiter über diese Schwelle bringen. Das ist ein quasi konstant ansteigendes Niveau – der “fuck off indicator” -, welches durch gute Führung niedrig gehalten werden kann. Doch mit vielen schlechten Beispielen aus Führung und aus der gelebten Kultur im Unternehmen steigt das Niveau nach oben an bis zu dem Punkt, wo man beim Anruf eines Headhunters auf die Frage “können Sie gerade frei sprechen?” oder beim Anblick einer performancetargetierten Werbung auf Facebook oder Twitter innerlich ja sagt. Ja, zur Option, dass man unter Umständen wechseln würde. Also man ist neugierig und möchte erfahren, um was es denn geht. Zufriedene Mitarbeiter hören sich das selten an.

Der Mitarbeiter geht also einen Schritt weiter. Hört sich das Für und Wider der neuen potenziellen Stelle an, führt Gespräche und wägt Pro und Contra ab. Natürlich ist Teil des Deals, dass der neue Arbeitgeber ein Plus auf das Gehalt draufschlägt. Das ist normale Routine und nicht sonderlich kritisierbar. An einem gewissen Punkt in der Zukunft einigt man sich vielleicht. Oder man greift nicht bei der ersten, sondern bei einer besser passenden weiteren Möglichkeit zu, den Arbeitgeber zu wechseln. Dann schreitet man zur Kündigung und sagt in etwa: “ich wechsle, weil ich auf der neuen Stelle mehr Verantwortung übernehmen kann, ein breiteres Aufgabengebiet habe und auch mehr Gehalt erhalte“. Von Unzufriedenheit redet man selten, man will ja nicht im Streit wechseln. Und da ist er aber, der rettende Anker “Gehalt”, also der externe Treiber für Fluktuation.

Wir haben also einen Punkt der inneren Kündigung identifiziert. Das ist keine faktische Kündigung, das geschieht ohne Signallampe und ohne äußeres Anzeichen. An diesem Punkt wirkt die Kultur und Führung bereits auf die Loyalität ein und befördert die Wechseloffenheit. Doch Führungskräfte bewerten einen ganz anderen Punkt. Nämlich die Antworten, die sie auf ihre Frage “warum” bei der faktischen Kündigung erhalten. Gehalt eben! Mit der Antwort geht ein Kreislauf einher. Führungskräfte melden ihren Führungskräften (und uns HRlern) die Kündigung, erklären, dass Gehalt hinter der Wechselabsicht steht und “HR endlich mal was für marktfähige Gehälter tun muss”.

Indeed hat ermittelt, dass 85 % aller Beschäftigen sich Stellenanzeigen anschauen. Wer auf Facebook ist, weiß, wie oft einem da durchaus spannende Jobtitel angezeigt werden. Und wenn etwas neugierig macht, klickt man natürlich drauf. Dabei fand Indeed heraus, dass die Beschäftigten, die im letzten Jahr ihren Arbeitgeber wechselten, dennoch weiterhin latent ansprechbar waren. Die lebenslangen Karrieren neigen sich dem Ende zu!

Reaktion bei Kündigungen: HR muss endlich mal was für marktfähige Gehälter tun! Klick um zu Tweeten

Den ganzen Rattenschwanz des Kreislaufs kennen Sie, liebe HRler. Und wir machen munter mit. Und bedienen dabei auch noch den gängigen Markt der Gehaltsbenchmark-Anbieter, weil wir Argumente suchend in dem HR-typischen Rechtfertigungsmodus sind. Wir bedienen die Wünsche der Fachbereiche und vergessen eine der Kernkompetenzen von HR: den richtigen Prozess machen. Nicht, wie vom Fachbereich gewünscht, irgendeinen Prozess richtig machen. Wir vertauschen Ursache und Wirkung. Wir müssen die Ursache lösen!

Wir frickeln an der Wirkung, nicht an der Ursache

Wir arbeiten in weiten Teilen unseres HR-Instrumentariums an der Wirkung der Probleme, nicht an der Ursache. Beispiel gefällig? Die Ursache für hohe Fluktuation ist schlechte Führung. Die strategische Maßnahme der Unternehmen ist die Stärkung des Recruitings, damit die Lücken besser und schneller gefüllt werden können. Die Wirkung wäre doch so einfach: Kultur und Führung! Vielleicht auch gepaart mit New Work, denn wir organisieren Arbeit immer noch analog der sechziger Jahre, die den Schwerpunkt in der Produktion und Industrialisierung hatte. Heute, im tertiären Wirtschaftsbereich, sind Wissen und Dienstleistung hervorstechend und eben überhaupt nicht mehr an feste Arbeitszeiten und Arbeitsorte gebunden.

Oder gehen wir auf die Metaebene Workforce-Management in den Unternehmen. Das Workforce-Management ist wie ein Fass voller Wasser. Im Boden ist ein Loch. Dieses Loch wird Jahr für Jahr größer. Das ist die sinkende Loyalität und steigende Fluktuation. Die strategische Entscheidung der meisten Unternehmen auf diese Herausforderung? Mehr Wasser! Die strategisch richtige Antwort darauf ist: stopfen Sie das Loch, also ändern Sie im Unternehmen die Führungs- und Unternehmenskultur. Schaffen Sie ein Klima, wo sich alle Generationen mit ihren Bedürfnissen entfalten und entwickeln können. Schaffen Sie kein pauschales Führungskonzept, sondern agieren Sie zielgruppenorientiert. Stellen Sie die Mitarbeiter ins Zentrum Ihrer Personalpolitik.

Weshalb verantwortliche Manager diesem logischen Ansatz nicht folgen, ist vermutlich pauschal kaum zu beschreiben. Unternehmen wandeln sich schnell. Doch den Wandel auch aktiv gestalten? Das kann kaum jemand. Das ist DIE Chance für uns Personaler! Und wir erkennen sie nicht. Die digitale Transformation ist zuvorderst eine soziale Transformation und benötigt eine Beziehungsqualität, die wir liefern können.

HR muss sich quasi neu erfinden

HR ist im Wandel: demografischer Wandel, ein Mix unterschiedlicher Generationen, Digitalisierung, Prozessoptimierung, War for Talents und viele weitere Themen beschäftigen Unternehmen, Geschäftsführer und Personalverantwortliche heute. HR ist so notwendig wie noch nie zuvor. Doch wenn wir die Attitüde von HR nicht ändern, sind wir in wenigen Jahren obsolet. Neben den übergreifenden Megatrends  Globalisierung und Internationalisierung, dem demografischen Wandel, dem Wertewandel und der Digitalisierung müssen sich Arbeitgeber, Unternehmen und Personaler noch auf einige andere Trends einstellen. Kultur- und Führungswandel – New Work! – und die Frage, wie wir Arbeit morgen organisieren wollen.

Wir müssen uns deutlich mehr Professionalisieren und den Nachweis der Leistungsfähigkeit und unseres Wertbeitrags erbringen. Dabei gilt es insbesondere, die Personalentwicklung 2025  mit Learning-Konzepten, teilstrukturierten Circles und Coaching als zentralen Bausteinen der Mitarbeiterentwicklung zu sehen. Wissensmanagement spielt eine herausgehobene Rolle, denn die hohe Fluktuation und die Verrentung der Generation Baby Boomer führt zu einem Brain-Drain. Das Wissen muss organisiert werden. Die volatile Workforce muss daran partizipieren. Das sind völlig neue Arbeitsformen, bei der uns künstliche Intelligenz im Rahmen der Digitalisierung weitaus hilfreicher sein kann, als die meisten heute bereits auf der Agenda haben. Und letztlich müssen wir neue Rollen etablieren. Gibt es ein Dave-Ulrich-Modell 10.0? Recruiter bspw. gab es vor 30 Jahren noch gar nicht. HR-Business-Partner waren der Versuch, mehr Wertbeitrag und Augenhöhe zu liefern. Vermutlich müssen wir unsere Expertise ändern, mehr an die Seite der Fachbereiche gehen, mehr beraten, coachen und enablen. Diese Evolution trifft alle Disziplinen im Unternehmen. Neue Rollen müssen entwickelt, implementiert und erfolgreich gechallengt werden! Wir sind also mitten im Leben. Machen wir was draus!

Beste Grüße

Ihr Marcus K. Reif

Und hier noch mein Beitrag für Christoph Athanas’ HR-Total-Show zum gleichen Thema.

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