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Interview mit dem Fachmagazin HR-Performance  zur Zukunft des Recruitings und Employer-Brandings

bildSchwerpunktthemen der Ausgabe HR Performance 2/2013:

– Personalbeschaffung und -gewinnung gehen neue Wege
– Recruiting von Mitarbeitern mit professionellen Dienstleistern
– Wie sieht ein Employer-Branding-Konzept aus?
– Personalauswahl braucht Online-Assessments
– Die Welt der Personalsoftware wandelt sich
– Vorbericht: SAP-Forum für Personalmanagement
– Nachberichte der Messen LEARNTEC und didacta

Habe gerne meine Sicht auf meinen Beruf und die Herausforderungen rund um Recruiting und Employer-Branding kund getan:

Recruiting im Wandel. Was war Gestern? Was wird morgen sein?

Die Welt des Recruitings hat sich in den letzten 20 Jahren fundamental verändert. Aus einem Arbeitgebermarkt ist ein konzentrischer Arbeitnehmermarkt geworden mit unzähligen Möglichkeiten für motivierte Absolventen. Der einzige Aspekt, der unverändert in dieser Zeit wichtig ist, ist Bildung. Bildung ist alles entscheidend und muss eine hohe Relevanz in der jüngsten Generation haben. Viele Schüler verkennen die Kausalität zwischen der Entscheidung fürs Gymnasium, für ein Hochschulstudium und einer saturierten Zukunft, inkl. deren Bedeutung für die künftige eigene Familie und die spätere Rente. Hier darf gerne mehr und frühzeitiger Werbung und Aufklärung in den Schulen gemacht sowie Beratung hierzu angeboten werden. Wer leitet denn ansonsten die Generation Z in eine gute Zukunft? Facebook?

Ich erinnere gerne an die wilde Zeit des Recruitings in den Jahren 1999 bis 2001. Im April 2000 hatte die F.A.Z. stolze 265 Seiten Stellenanzeigen. Unternehmen spürten den Bedarf an Fachkräften und den von Ed Michaels propagierten „War for Talents“. Heute erreicht die F.A.Z. im Schnitt 10,27 Seiten. Das Schalten von Stellenanzeigen im Internet bei Online-Stellenmärkten oder in sozialen Netzwerken, wie xing.com, sind Standard geworden. Diese Entwicklung in nur rund einer Dekade zeigt eindrucksvoll, wie nachhaltig sich der Bewerbungsmarkt auf der Anzeigenseite änderte. Während in den Neunzigern ein Arbeitgeber pro Anzeige noch 30-100 Papierbewerbungen erhielt, sind es heute nominell weniger Bewerbungen, diese allerdings mehrheitlich in digitaler Form per Onlineformular oder E-Mail. Dies stellt ganz neue Anforderungen an Arbeitgeber. Wie selektiert man positiv? Eine negativ assoziierte Auswahl anhand biografischer Daten ist heute gerade bei Berufseinsteigern absoluter Irrsinn. Und dennoch kujonieren Unternehmen ihre Bewerber mit sehr komplexen und ausführlichen Abfragen biografischer Daten über Online-Bewerbungssysteme. Mit welcher Zielsetzung?

Viele Bewerber sehnen sich danach, nicht mehr durch beschriebenes Papier, sondern durch ihr Potenzial und Talent zu begeistern. Das ist zwar heute schon Fakt, wird für die Mehrheit der hiesigen Arbeitgeber vermutlich erst morgen Realität. Aus meiner Sicht eine unausweichliche Entwicklung.

Welche Defizite stellen Sie in den Unternehmen bei den Themen Employer Branding und Recruiting fest?

Die Megatrends für Arbeitgeber gehen an keinem Unternehmen vorbei. Viele, vermutlich die meisten Arbeitgeber reagieren allerdings unvorbereitet auf diese Trends und handeln erst auf die bereits eingetretene Wirkung dieser im eigenen Unternehmen. Ergo also viel zu spät. Diese Trends – demografischer Wandel, verändertes Werteverständnis der heutigen Absolventengeneration sowie die technologische Entwicklung, insbesondere durch soziale Netzwerke, Smartphones und Tablets sowie das geänderte Mediennutzungs- und Informationskonsumverhalten – wirken in einer Geschwindigkeit, bei der die meisten Arbeitgeber nicht Schritt halten können.

Employer-Branding ist stark beeinflussbar durch die richtige Personalpolitik, zentrale und moderne Werkzeuge und Programme rund um Flexibilität, Gesundheitsvorsorge und persönliche Entwicklungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gezeigte Wertschätzung des Unternehmens für aktuelle, ehemalige und zukünftige Mitarbeiter. Alles, was wirkt, beeinflusst die Arbeitgeberattraktivität.

Sie fragten nach den Defiziten. Diese sind die Adaptionsfähigkeit der Megatrends auf die eigene personalpolitische und personalprogrammatische Arbeit. Die hiesigen Unternehmen agieren noch immer aus der Situation eines Arbeitgebermarkts. Als Ergebnis agieren sie am Markt vorbei und rekrutieren weniger nach Potenzial und Talent. Viele der Führungskräfte haben kein ausgeprägtes Verständnis für die Bedürfnisse der heutigen Absolventen. Sie agieren aus der eigenen Empirie heraus. Was für sie selbst richtig war, kann heute nicht falsch sein. Und das ist eines der zentralen Defizite – nicht zielgruppenorientiert agieren.

Mangelt es an guten Instrumenten?

Geeignete und bewährte Instrumente gibt es zu Hauf. Die konkrete Anwendung in Unternehmen lässt noch auf sich warten. Nehmen wir mal den Trend des knapper werdenden Arbeitsmarktes zur Hand. Man kann darauf unterschiedlich reagieren, z. B. mit höheren Marketingausgaben. Da die Personalabteilungen aber ebenfalls kostenbewusst handeln, sind die Möglichkeiten nicht ganz so vielfältig. Intelligente Instrumente sind gefordert, zum Beispiel die aktive Ansprache potenzieller Bewerberinnen und Bewerber in sozialen Netzwerken oder Lebenslaufdatenbanken. Dieses Instrument ist einfach umzusetzen, kapazitär gut zu planen, die Trainingsmaßnahmen sind zügig etabliert und erfordern keine hohen Investitionen. Weshalb also warten die Arbeitgeber so lange damit, trotz niedriger Anwendungsbarrieren? Vermutlich weil die Transparenz und Objektivität für „neue“ Instrumente fehlt. Die Bemerkung sei mir gestattet, dass das Instrument der Direktansprache auch schon seit 1997 mit Produkten deutscher Anbieter, wie z. B. die Lebenslaufdatenbanken der Online-Stellenmärkte, praktiziert wird. Ist also kein impraktikables Novum.

Brauchen wir mehr Professionalität im Bereich Recruiting?

Definitiv! Ich danke für die Vorlage. Unternehmen und Konzerne sollten aufhören, die Personalarbeit und insbesondere die Disziplin Recruiting stiefmütterlich zu behandeln. Man begegnet sehr oft der Maxime, dass in der HR-Abteilung Generalisten für alle Disziplinen und Prozesse zuständig sind. Gerade das Recruiting erfordert Spezialisten und Experten! Das ist kein Plädoyer gegen prozessorientierte HR-Generalisten, sondern für eine Konzentration der Kernprozesse in der HR-Abteilung. Die Bedenken für eine Veränderung/Konzentration sind immer die gleichen: generalistische Personen nicht in der Lage, aktiv auf potenzielle Kandidaten zuzugehen, kein Verkäufer-Talent, mehr „Farmer“ als „Hunter“, keine originäre Aufgabenfokussierung des Recruiters (w/m), weil generalistische Tätigkeit und vieles weitere mehr.

Neben den Standards, die ein Recruiter beherrschen muss, kommen noch besondere Aufgaben auf ihn zu. Der Recruiter ist prozessverantwortlich für die gesamte Wertschöpfungskette der Personalauswahl beginnend vom Sourcing über die Selektion, das Interview, die Einstellungsentscheidung, Vertragsverhandlung und das Onboarding. Zu den besonderen Aufgaben gehören bspw. Kommunikator und Übersetzer sein zwischen dem Fachbereich und dem Kandidaten, weil Fachbereiche oft in interne Fachtermini formulieren, spricht dies weder in einer Stellenanzeige, noch im persönlichen Dialog einen Kandidaten an. Hier hilft der Recruiter schon zu Beginn des Prozess – nämlich beim Sourcing. Der Recruiter steuert externe Dienstleister, wie z. B. Agenturen, Media-Schaltagenturen, Personaldienstleister, Personalberatungen usw. und agiert als zentraler Ansprechpartner für die Bewerberinnen und Bewerber. Das Controlling und ein Blick auf die relevanten KPIs gehört ebenso zum Profil, wie eine objektive und professionelle Begleitung des kompletten Einstellungsprozesses von A bis Z. Nicht selten gehört die Beratung, Betreuung und das Coaching der Fachbereiche zu den wichtigen Aufgaben des Recruiters. Der Graduate-Recruiter ist oftmals Berufsberater für die heutigen Absolventen – mehrheitlich der Generation Y zugehörig – und agiert somit völlig anders als ein prozessorientierter HR-Generalist.

Was halten Sie von der Auslagerung des Recruiting an Dienstleister?

Kern-Prozesse und Schlüssel-Disziplinen sollte ein Unternehmen stets selbst betreiben und im Haus behalten. Für Bedarfsschwankungen und spezialisierte Bedarfe ist die Mandatierung eines externen Dienstleisters ein wichtiger Teil der Sourcing-Taktik, der allerdings von den zuständigen HR-Experten gemanaged und gesteuert werden sollte. Generell rate ich von einer vollständigen Auslagerung des Recruitings ab. Ich habe noch kein Unternehmen kennengelernt, wo ein Komplettoutsourcing zur Zufriedenheit geführt hätte. Die allermeisten Auslagerungen geschahen aus Budget- und Kostendruck und wurden wieder zurückgeholt, als der Druck geringer wurde. Eine reine Schwarz-Weiß-Betrachtung ist hier – wie immer im Leben – nicht sinnvoll. Wir müssen lernen, dass es Abstufungen gibt. Und dafür sind externe Dienstleister immens wichtig – an den richtigen Stellen, im richtigen Prozessschritt, zur richtigen Zeit und der richtigen Qualität mit der nötigen Wertschöpfung.

Wie viel Employer Branding hilft oder schadet?

Die richtige Botschaft für den eigenen Arbeitgeber zu erzählen, hat noch nie geschadet. Mehr Planung und Strategie, weniger Willkür und Zufall. Employer-Branding ist so betrachtet recht einfach. Employer-Branding lebt von einer wirklichkeitsnahen und authentischen Kommunikation zwischen Arbeitgeber und zukünftigen Mitarbeitern. Wenn die bunten Bilder mit Leistungsversprechen bei erster Überprüfung in der Probezeit nicht standhalten, geht dies zu Lasten des Engagements, der Zufriedenheit und steigender Fluktuation.

Was empfehlen Sie mittelständischen Unternehmen?

In meiner Beraterzeit führte ich viele Diskussionen mit Mittelständlern, die sich über die Markendurchdringung und -bekanntheit der Konzerne, Großunternehmen und Unternehmensberatungen/Wirtschaftsprüfungen beschwerten. Sie kämen dagegen nicht an, kämen nicht zur Geltung. Und es ist doch so einfach. Man muss sich und seinen Kollegen die Frage stellen, weshalb sie dort in diesem mittelständischen Unternehmen arbeiten. Nach einigen Gesprächen erreichen Sie schon etliche Argumente für eine Employer-Value-Proposition und sind auf dem besten Weg, eine bewusste Arbeitgebermarkenstrategie zu formulieren. Authentizität und Wirklichkeit zählen hier. Jeder weiß, im Leben und somit auch beim Arbeitgeber gibt es immer zwei Seiten einer Medaille. Das Für und Wider entscheidet! Jedes Unternehmen hat die Chance, aus dem Kontrast seiner Branche herauszukommen.

Worauf müssen Unternehmen bei den eingehenden Bewerbungen besonders achten?

Durch den Bologna-Prozess und Hochschulreform sind die Bachelor-Absolventen von heute biografisch vergleichbar. Die Regelstudienzeit auf 6 Semester eingekürzt, die Praxisteile während des Studiums sind stark zurückgegangen. Die Auslandssemester sind komplizierter, die Wehrpflicht und der Zivil-/Ersatzdienst sind entfallen, das Abitur auf G8 beschleunigt. Auch die Noten als selektionsrelevantes Kriterium sollte man nicht mehr singulär heranziehen, da die Noten der Hochschulen eher unvergleichbar sind und wenig über Potenzial und Talent aussagen, sondern eher über den Umgang mit theoretischem Wissen. Heute bewirbt sich eine im Vergleich zum damaligen Diplom-Absolventen ganz andere Persönlichkeit bei Unternehmen. Andere Lebenserfahrung, andere Bildung, andere akademische Prägung, andere Praxiserfahrung und vieles weitere mehr. Also sollten die Unternehmen nicht weiter den Fokus auf falsche Validität der Eignung anhand der Biografie und Noten legen. Ergo wird Eignungsdiagnostik als Recruiting-Instrumentarium einen viel höheren Stellenwert einnehmen. Bei Großunternehmen und Beratungen ist dies heute schon der Fall.

Sehen Sie, nach heutiger Selektions-Lesart der Mehrheit der deutschen Unternehmen wären herausragende Persönlichkeiten, wie Steve Jobs, Bill Gates, Günther Jauch, René Obermann, Mark Zuckerberg, Helmut Kohl, Michael Dell oder Jürgen Schrempp bei der negativ assoziierten Auswahl nie den Fachbereichen vorgestellt worden. Sie entsprechen biografisch nicht dem allgemeinen Ideal. Wir müssen umdenken! Diese Beispiele zeigen es.

Wie müssen sich Unternehmen verändern um auf dem Kandidatenmarkt erfolgreich zu sein?

Für die Unternehmen gilt, dass sie passgenaue Instrumente der allgemeinen HR-Arbeit und im Besonderen für die moderne Rekrutierung entwickeln und betreiben. Gerade die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen im Unternehmen stellen die Arbeitgeber vor große Herausforderungen. Heutzutage arbeiten in den Unternehmen rund vier verschiedene Generationen zusammen. Die Führungsgeneration besteht hierbei noch mit großer Mehrheit aus der Generation Baby-Boomer. Für diese Generation stehen die volle Leistungsorientierung und wenig Freizeitorientierung über allem. Die heutigen Absolventen der Generation Y sind sich durchaus bewusst, dass Leistung eine große Rolle spielt, dennoch ist Flexibilität für sie an erster Stelle. Und zwar Flexibilität ob der Arbeitszeit und des Arbeitsortes bis hin zum erwarteten Respekt des Arbeitgebers vor den persönlichen Interessen und Bedürfnissen. In einer multipolaren Welt entgrenzen und entkoppeln sich Freizeit und Beruf mit dem starken Bedürfnis, die Flexibilität dazwischen eigenverantwortlich zu bestimmen. Wer diese Gegenwart nicht versteht, agiert an den zukünftigen Führungskräften vorbei, motiviert heute nicht die Top-Absolventen für das eigene Unternehmen zu arbeiten und riskiert damit den zukünftigen Erfolg des Unternehmens.

Welche Rolle spielt heute das Thema Social Media und wie schätzen Sie die Bedeutung der Instrumente ein?

Die Nutzung von Social-Media-Plattformen ist eine zentrale Säule in unserer Planung. Nicht nur was die Media-Planung angeht, insbesondere schätzen wir den Dialog mit unserer Zielgruppe extrem hoch ein. Ob Facebook, Twitter oder Diskussionsforen – überall dort, wo Dialoge stattfinden und Meinungen gebildet werden, muss ein modernes Unternehmen vertreten sein. Aus meiner Sicht hat Social-Media eine ausgesprochen hohe Priorität.

Die Webseite des Magazins HR-Performance finden Sie hier: datakontext.com. Mein Artikel können Sie hier als PDF anschauen:

Beste Grüße

Marcus Reif

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