Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Die Wirtschaftswoche titelte: Arbeitgeber fürchten Wegfall von Praktikumsplätzen durch Mindestlohn-Gesetz. Wenn eine solch ehrwürdige Institution, wie die Wiwo, schon drastische Worte findet, sollte man das Thema mal beäugen. Gut, eines ist auch klar, die Wirtschaftswoche ist linker Politik recht unverdächtig. Dennoch! Der Mindestlohn in dieser Form ist ein wichtiger Meilenstein für mehr Gerechtigkeit, keine Frage. Die Details dabei sind aus meiner Sicht aber weder rationell noch stimmig zu Ende gedacht worden. Hier wird derzeit viel Polemik betrieben, gerade insbesondere was den Mindestlohn für Praktika angeht. Da möchte ich gerne meinen Senf dazu geben. 

Man merkt hier wieder mal sehr deutlich, dass die Politik sich in ein Themenfeld vorwagt – übrigens über eine Gesetzesvorlage, das geht ja über übliche Empfehlungen deutlich hinaus – und dabei keine Ahnung hat. Das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, das den gesetzlichen Mindestlohn enthält, soll übrigens am 4. Juli vom Bundestag verabschiedet werden und ab 1. Januar 2015 gelten. Ausnahmen in einzelnen Branchen sollen aber bis Ende 2016 erlaubt bleiben. Aber zurück zur mangelnden Ahnung. Woher sollte sie auch kommen? Frau Ministerin Nahles hat noch nie in der Wirtschaft gearbeitet und entscheidet nun: “Die Generation Praktikum ist vorbei”. Tolle Aussage, nur leider unendlich gekennzeichnet von Unwissenheit! Die Generation Praktikum war eine Phase der Berufseinsteiger, die fertig studiert auf den Arbeitsmarkt strömten und keinen direkten Berufseinstieg fanden. Dies war vornehmlich in den Jahren 2001-2006 und umfasste den Wirkungsbereich zweier nicht ganz so weit auseinander liegenden Wirtschaftskrisen. 

Ich verweise auf einen aktuellen Beitrag auf Spiegel.de zu diesem Thema:

8,50 Euro für alle: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles erteilt Forderungen aus der Union nach Ausnahmen vom geplanten gesetzlichen Mindestlohn eine Absage. Auch mit der “Generation Praktikum” soll Schluss sein.

Quelle: spiegel.de | Arbeitsministerin: Nahles schließt Ausnahmen bei Mindestlohn aus

Wenn ich mir beruflich solch einen reduzierten und an der Wirklichkeit vorbeigehenden Blickwinkel erlauben würde, wäre ich nicht mehr lange im Job!

Hier ein weiteres Zitat:

Auch ein Abrücken vom Mindestlohn für Praktikanten schloss Nahles aus. “Ich werde das Modell der ‘Generation Praktikum’ beenden”, kündigte die Ministerin an. Wer eine Ausbildung oder ein Studium absolviert habe, werde nicht mehr “monatelang für lau ausgenutzt” werden.

Quelle: wiwo.de/politik/deutschland/nahles-will-keine-ausnahmen-8-50-euro-mindeslohn…/…html

Die Generation Praktikum ist überholt und vorbei. Dafür gibt es eine wunderbare Selbstverpflichtung der deutschen Unternehmen. Aber bei so viel Populismus ist es vermutlich schwierig, eine ordentliche Differenzierung vorzunehmen. Werfen wir mal einen Blick auf die Fair Company: 

Fair Company

Die deutschen Unternehmen hatten übrigens auf die Generation Praktikum mit einer Selbstverpflichtung reagiert – die Fair Company! Alle Arbeitgeber von Rang und Namen sind dort Mitglied und verpflichten sich, dass das Praktikum nur als Teil der praktischen Ausbildung gesehen wird und nicht als Ersatz für eine befristete oder unbefristete Festanstellung dienen darf. Diese Differenzierung ist wichtig, denn der Mindestlohn für Praktikanten trifft genau diesen Teil und wirkt logischerweise kontraproduktiv. Die meisten Praktika in Deutschland werden mit einem Betrag von 250-1.500 Euro honoriert. Laut Absolventa liegt der aktuelle Schnitt des Praktika-Gehalts in Deutschland bei 748,25 Euro. Die großen Beratungen und Konzerne pendeln sich zwischen 800 und 1.200 Euro pro Monat ein. Der Mindestlohn wird also diese bewährte Praxis verteuern. Denn der Mindestlohn macht rechnerisch bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro (und 21 Arbeitstagen pro Monat) ein Monatsgehalt von 1.428 Euro aus. Das liegt deutlich über den heute gewährten Gehaltsbandbreiten für ein Praktikum. Das wird für die Beratungen und Konzerne kein Problem darstellen. Aber das umfasst nur ein paar Tausend Praktika pro Jahr. Das Gros der Praktika werden aber im Mittelstand und bei aufstrebenden Start-ups geleistet. Für diese kann ein Mindestlohn in dieser Höhe für ein Praktikum als Teil der Ausbildung nur in eine Limitierung oder Reduzierung der Praktikantenstellen bedeuten. Und damit hilft Frau Nahles leider nicht den Praktikanten! 

Ginge es hier um Werkstudententätigkeiten, die folgerichtig nicht Teil der praktischen Ausbildung sind, wäre die Diskussion gar keine. Der Stundenlohn liegt hier aktuell bei Beratungen und Großkonzernen bei 12-15 Euro. Aber um richtige Politik geht es hier ja nicht, sondern um “Signale” und Klientelpolitik. Na, danke! 

Die Regeln der Fair Company

Damit ein Unternehmen zu einer Fair Company wird, muss es sich dazu verpflichten, bestimmte Regeln einzuhalten. Sie sorgen beim Berufseinstieg für faire Arbeitsbedingungen. 

  • Fair Companies ersetzen keine Vollzeitstellen durch Praktikanten, Volontäre, Hospitanten oder Dauer-Aushilfen. 
  • Fair Companies vertrösten keine Absolventen, die sich auf eine feste Stelle beworben haben, mit einem Praktikum. 
  • Fair Companies ködern keine Praktikanten mit der vagen Aussicht auf eine anschließende Vollzeitstelle. 
  • Fair Companies bieten Praktika zur beruflichen Orientierung vornehmlich während der Ausbildungsphase an. 
  • Fair Companies zahlen Praktikanten eine adäquate Aufwandsentschädigung. 
  • Fair Companies informieren ihre Praktikanten über das Regelwerk und machen sie auf die Feedback-Adresse aufmerksam. 
  • Fair Company-Unternehmen sind transparent und kommunizieren ihre Teilnahme an der Initiative.  

Ich durfte bei einem meiner letzten Arbeitgeber die Fair-Company-Mitgliedschaft angehen, mein aktueller Arbeitgeber ist bereits seit Jahren Mitglied dort und folgt diesem Kodex. Das ist eine wirklich gute Maßnahme und hilft, die Balance aus Bologna, praktischer Erfahrung und künftigem Berufseinstieg zu halten. Klasse! 

Enteierung des Praktikums als Teil der Ausbildung

Der Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer sagte hierzu letzte Woche „Die Pläne werden nach jetzigem Stand dazu führen, dass freiwillige Orientierungspraktika von Unternehmen so gut wie nicht mehr angeboten werden, weil sie zu teuer sind“. Laut Gesetzentwurf sollen nur Pflichtpraktika und solche von maximal sechswöchiger Dauer vom Mindestlohn ausgenommen werden. 

Ohne Nachbesserung drohen ernste Folgen. Weshalb? Studenten wählen ihr Praktikum üblicherweise zwischen den Semestern, was im Mittel derzeit eine Dauer von 8-12 Wochen umfasst. Die Hochschulreform/Bologna-Reform sieht einen Bachelor und konsekutiv darauf folgenden Master vor. Beide bestehen im Wesentlichen aus reiner Theoriezeit ohne ein Praktikumssemester. Viele Hochschulen, zuallererst die Fachhochschulen/Universities of Applied Sciences und die Business-Schools haben diese Unzulänglichkeit erkannt und Praxissemester wieder eingeführt. Doch das Gros der Studien findet heute ohne dieses Praxissemester statt. Die Praktika werden vor allem als wichtige Arbeitserfahrung gesehen, die möglichst nahe am späteren Berufswunsch liegen soll. Damit verschaffen sich die Studierenden eine wichtige Praxis-Relevanz für ihren Berufseinstieg in den präferierten Unternehmen. Dass heute noch Berufseinstiege über unbezahlte Praktika erfolgen, erachte ich in der Fläche für eine Mär. Einzelfälle wird es sicher geben, muss man einzeln klären. Doch die großen Arbeitgeber sind bereits mehrere Schritte weiter. Auch beispielsweise Werkstudententätigkeiten liegen heute schon deutlich über dem Mindestlohn von 8,50 Euro. Das, was leiden wird, sind die Praktika für immatrikulierte Studentinnen und Studenten als Teil der praktischen Ausbildung über die Dauer von 6 Wochen hinaus. Und das ist jedoch die Mehrheit aller Praktikanten! Durch die Mindestlohn-Initiative von Frau Nahles wird das Angebot hier seitens der Arbeitgeber verknappt werden, so viel Blick in den Kaffeesatz traue ich mir zu. Das ist das Gegenteil von gut! Damit enteiert Frau Nahles einen wichtigen Teil der praktischen Erfahrung vieler Studierender in einem zur Homogenität neigenden Ausbildungsprogramm “Bologna” und “Master”. Und das wird als schwere Hypothek beim Berufseinstieg nochmals wirken. Ob das alles so gewollt ist? Bei so viel Populismus über die Generation Praktikum sollte man das Wesentliche hierbei nicht aus dem Auge verlieren! 

Beste Grüße

Marcus Reif  

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