Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Trotz des Fach- und Führungskräftemangels allenthalben und der immensen Versuche, eine ordentliche Arbeitgeberattraktivität bei bester Candidate-Experience aufzubauen, ist der klassische Bewerbungsprozess noch immer eine Blackbox. Man schickt eine Bewerbung ab, wartet Wochen lang auf eine Antwort und erhält eine recht nichts sagenden Absage. Die Transparenz und Objektivität der Vorgänge zwischen dem Absenden der Bewerbung und eben dieser Absage sind nicht vorhanden. Und über die Qualität der Absagen an sich habe ich mich schon ausgelassen: Candidate-Experience: “Ein anderer Kandidat entsprach mehr den Anforderungen”

Versuchen wir es mal mit einem Versuch der Erklärung, was hinter einer Absage stecken könnte. 

Ihr Profil passt einfach nicht

Bringt mich zu einer wichtigen Empfehlung. Bewerben Sie sich nur auf diese Stellen, für die Sie mit Ihrem Lebenslauf, Ihren Kompetenzen und Ihren Vorstellungen für Ihre nächste Aufgabe und nächsten Arbeitgeber auch wirklich gut passen. Alles andere ist nicht sinnvoll. Passt Ihr Profil nicht? Ersparen Sie sich die Frage nach Absagegründen. Sie haben den Grund gefunden. 

Dazu gehört auch, aus welcher Rolle kommen Sie und für welche Rolle bewerben Sie sich? Ist das schlussfolgernd richtig? Oder klingt das wie ein geplanter Abstieg? Sie führen jetzt mehrere Mitarbeiter, die neue Rolle hat aber keine Führungsspanne? Das kann in Ordnung sein, Sie müssen das nur in Ihrer Bewerbung thematisieren. Dass Sie sich voll bewusst darüber sind und evtl. auch Gründe nennen, bspw. Führung ist nicht mein Ding. Ansonsten überlassen Sie die Interpretation den Recruitern und Hiring-Managern, was die Absage dann ebenso erklärt. 

Und natürlich sind die ganzen AGG-Kriterien auch noch da. Vielleicht sucht man jemandem in einem bestimmten Alter wg. der soziokulturellen Passung oder es muss jetzt eine Frau sein. Alles valide Gründe, meist auch strategisch argumentiert. Darüber reden wird niemand. 

Gehalt

Sie sind entweder zu billig oder zu teuer. Beides ist schlecht. Sie müssen ein Gefühl entwickeln, wo der ideale Gehaltskorridor bei Ihrer präferierten Stelle liegt. Liegen Sie drüber, sind Sie leider raus. Es gibt nur wenige Beispiele, wo Ihr Profil so spannend gesehen wird, dass das Gehalt zur Verhandlungsmasse wird. In der Regel sind die Mehrheit aller Vakanzen in ein Gehaltsband eingruppiert. Liegen Sie unterhalb des Korridors, verkaufen Sie sich unter Wert. Ebenso schlecht. Also sprechen Sie mit Menschen in der Firma, die Sie kennen. Und Sie kennen immer jemanden, der jemanden kennt … (Kleine-Welt-Phänomen). Geben Sie kein Gehalt an, interpretieren die Recruiter und Hiring-Manager Ihr Gehaltsgefüge. 

Stellenanzeige ist unkonkret 

Die Stellenanzeige ist meist schon ein nicht perfekt formulierter Kompromiss. Meist haben die Hiring-Manager ein ideales Bild eines Kandidaten im Kopf, die Recruiter vielleicht sogar ein leicht anderes. Die Stellenanzeige versucht als Instrument natürlich auch, das “ungewollte Geschäft” fernzuhalten. Unternehmen bekommen immer Bewerbungen, die man nicht berücksichtigen kann. Zweifelsfrei Anforderungsprofil-ferne Bewerbungen, Bewerber ohne die notwendigen Sprachkenntnisse oder ohne Arbeitserlaubnis. Lesen Sie auch: SCHLECHTE STELLENAUSSCHREIBUNGEN: Denn sie wissen nicht, wen sie suchen!

Es gibt gar keine Stelle 

Ich hielt das über Jahre hinweg für eine Mär, aber es scheint wirklich Firmen zu geben, die – aus welchen Gründen auch immer – Positionen ausschreiben, die sie nicht extern besetzen wollen.   Eine düstere Legende kam aus der Automobilhersteller-Branche: der eine Hersteller schaltet Ingenieursanzeigen, damit die anderen denken, eine neue Produktreihe würde vorgezogen. Aus meiner Sicht Humbug.

In vielen Personalabteilungen herrscht noch die Meinung vor, dass wg. der Mitbestimmung die interne Stellenanzeige zwei Wochen vor der externen erfolgen muss. Darüber hinaus existiert der Glaube, dass eine externe Stellenausschreibung erfolgen muss. Und in manchen Fällen haben die Hiring-Manager einen internen Aspiranten im Blick, was den externen Besetzungsprozess ad absurdum führt. Ihre ganze Mühe für die Bewerbung sind vergebens. Als Personaler sollten wir diesen Quatsch einstellen. Gibt es einen internen Bewerber, stellt ihn einfach ein. Machen wir aber nicht die Bewerber verrückt und nutzen deren Interesse aus. 

Sie sind überqualifiziert

Und das ist echt kein Grund. Die Befürchtungen, die hinter diesem Argument liegen, sind meist: Disharmonie im Team, keine erwartbar lange Zeit in der Rolle, weil man nach Höherem strebt, Konflikte im Team, zu hohes Gehalt (zumindest vermutet), Motivationsschwierigkeiten, weil Ihnen langweilig wird etc. Man prüft eben immer den Schnitt aus der operativen Verantwortung und den strategischen Elementen. 

Biases

Menschen betrachten Menschen durch Filter … nicht nur bei der Personalauswahl. Auch bei der Führung, Beurteilung von Mitarbeitern, bei der schnellen Reaktion und bei unseren Entscheidungen. Wir sind voreingenommen durch die verzerrte Wahrnehmung. Die kognitive Voreingenommenheit oder Verzerrung führt zu Fehlern in den Urteilen der Menschen als Folge der fehlerhaften Wahrnehmung von eingehenden Informationen. Und unsere Biases: “Ich erkenne Potenzial nach zwei Minuten”. Damit will ich sagen, dass Menschen schnell Entscheidungen treffen. 

Eintrittstermin

Gefühlt fragt nur jedes fünfte Bewerbungsformular eine Verfügbarkeit ab. Sind Sie mit einer Kündigungsfrist von mehreren Monaten gesegnet, konkurrieren Sie durchaus mit Kandidaten, die von der fachlichen Seite her hinter Ihnen gelegen hätten, aber deutlich früher verfügbar sind. Denn immer mehr entstehen Stellenanzeigen aufgrund von Fluktuation und Recruiting muss schnell die Lücken füllen. Entspricht zwar wenig der strategischen Funktion Recruiting, dafür aber der Realität. 

Mein Tipp

Fragen Sie immer nach den Absagegründen. Und lassen Sie sich nicht abwimmeln. Ich frage auf jeden Fall nach. Man muss manchmal auch mit solchen Antworten darauf leben: 

Sie haben uns über unser Bewerberportal gebeten, Ihnen die Hintergründe zu der Absage mitzuteilen, da Ihr Lebenslauf den geforderten Anforderungen entspreche.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir aufgrund der Vielzahl von Bewerbungen, die insgesamt – ebenso wie Ihre Bewerbung – von einer sehr guten Qualifikation zeugen, keine detaillierteren Angaben zu den Hintergründen im Einzelfall machen können.

Und das von einem börsennotierten DAX-Konzern mit über 300.000 Mitarbeitern weltweit. Schlimm, oder? 

Nutzen Sie Ihre Kontakte! Wie oben schon geschrieben. Kontaktieren Sie Menschen, die Sie kennen oder die jemanden kennen, der dort arbeitet. Bitten Sie diese Person, Ihre Bewerbung intern zu platzieren. Das erspart Ihnen das Pre-Screening, weil diese Hürde oftmals eine schwierige ist. 

Schreiben Sie Ihre Bewerbung und Ihren Lebenslauf auf die ausgeschriebene Stelle bezogen! Sie können eine Menge in den Formulierungen tun, damit Ihre Bewerbung wie geschaffen für die gesuchte Stelle klingt. Und damit meine ich wirklich nur Semantik! 

Sie brauchen keinen Ansprechpartner! Aus meiner Recruiting-Zeit weiß ich, dass ein Drittel der Telefonanrufe der Nachfrage nach dem Ansprechpartner galt. Vergessen Sie es. Wird in der Stellenanzeige kein Ansprechpartner genannt, schreiben Sie “sehr geehrte Damen und Herren”. Daran scheitert keine Bewerbung. 

Erzählen Sie eine Geschichte! Das alte Lebenslauf-Modell, welches einfach nur die Stationen auflistet, ist tot. Deutsche Bewerbungen tendieren zu Vollständigkeit, ohne dabei herüberzubringen, wieso der Bewerber genau die richtige Person für die Vakanz ist. Erläutern Sie, worin Ihre Tätigkeiten bestanden, welches Ihre Leistungen und Erfolge waren und was Ihnen besonders gefallen hat. Am Ende muss sich eine Geschichte ergeben, die für den Recruiter interessant ist, zu dem entsprechenden Suchprofil passen und optimalerweise einen roten Faden durch den Lebenslauf zum Jobprofil führen.

Und am Ende glaube ich, dass der Lebenslauf tot ist. Aber das ist eine andere Geschichte ;)

Beste Grüße und viel Erfolg! 

Ihr Marcus Reif 

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