Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Auf Einladung von Beiersdorf war ich am Dienstag auf dem “Talent Relationship Management Expert Day” in Hamburg. Eine Vielzahl an altbekannter und honoriger Persönlichkeiten gaben sich die Ehre. Die Personaler- und Recruiterwelt ist eben doch ein Dorf. Diskutiert wurde unter anderem über die Aufgabe “Active Sourcing” durch den Recruiter. Die Debatte führte eine kleinere Gruppe des Nachts an der Hotelbar weiter. Das hatte mich motiviert, mal dazu zu bloggen.

Was versteht man unter “Active Sourcing”?

Kurz zum Begriff “Active Sourcing”. Damit ist die Suche/der Research, die Identifizierung und eigeninitiative Ansprache von potenziellen Kandidaten (w/m) in sozialen Netzwerken, Lebenslauf- und eigenen Talentnetzwerk-Datenbanken sowie weiteren zielgruppenspezifischen Plattformen gemeint. Ob man dies als “Direktansprache”, “Active Sourcing” oder Inhouse-Headhunting bezeichnet, bleibt dem geneigten Anwender vorbehalten.

So, zurück zum Expert-Day:

Für mich bezeichnend war die Debatte, ob und in welchem Umfang ein Recruiter (w/m) die Direktansprache durchführen sollte. Ins Feld geführt wurden die üblichen Bedenken: Personen nicht in der Lage, aktiv auf potenzielle Kandidaten zuzugehen, kein Verkäufer-Talent, mehr Farmer als Hunter, keine originäre Aufgabenfokussierung des Recruiters, weil generalistische Tätigkeit und vieles weitere mehr. Die Antwort ist eigentlich recht trivial.

Neben den Standards, die ein Recruiter (w/m) beherrschen muss, kommen noch besondere Aufgaben auf ihn zu. Der Recruiter (w/m) ist prozessverantwortlich für die gesamte Wertschöpfungskette der Personalauswahl beginnend vom Sourcing über die Selektion, das Interview, die Einstellungsentscheidung, Vertragsverhandlung und das Onboarding. Zu den besonderen Aufgaben gehören bspw. Kommunikator und Übersetzer sein zwischen dem Fachbereich und dem Kandidaten, weil Fachbereiche oft in interne Fachtermini formulieren, spricht dies weder in einer Stellenanzeige, noch im persönlichen Dialog einen Kandidaten an. Hier hilft der Recruiter schon zu Beginn des Prozess – nämlich beim Sourcing. Der Recruiter (w/m gilt hier fortfolgend als Sammelbegriff!) steuert externe Dienstleister, wie z. B. Agenturen, Media-Schaltagenturen, Personaldienstleister, Personalberatungen usw. und agiert als zentraler Ansprechpartner für die Bewerberinnen und Bewerber. Das Controlling und ein Blick auf die relevanten KPIs gehört ebenso zum Profil, wie eine objektive und professionelle Begleitung des kompletten Einstellungsprozesses von A bis Z. Nicht selten gehört die Beratung, Betreuung und das Coaching der Fachbereiche zu den wichtigen Aufgaben des Recruiters.Der Graduate-Recruiter ist oftmals auch Berufsberater für die heutigen Absolventen – mehrheitlich der Generation Y zugehörig – und agiert somit völlig anders als ein prozessorientierter HR-Generalist.

Durch den Bologna-Prozess sind die Bachelor-Absolventen von heute biografisch nahezu unvergleichbar. Auch die Noten als selektionsrelevantes Kriterium sollte man nicht mehr singulär heranziehen, da die Noten der Hochschulen eher unvergleichbar sind und wenig über Potenzial und Talent aussagen, sondern eher über den Umgang mit theoretischem Wissen. Ergo wird Eignungsdiagnostik als HR-Instrumentarium einen viel höheren Stellenwert einnehmen. Bei Großunternehmen und Beratungen ist dies heute schon der Fall.

Bleiben wir auf der Meta-Ebene und schauen, für welche Recruiter-Profile welche Rollen-Fokussierung nötig sein könnte. Nachfolgend der Blick auf die Disziplinen Sourcing, Eignungsdiagnostik und Interview-Technik:

Rollen-Fokussierung der Recruiter-Profile

Rollen

Rollenfokus auf Sourcing

Rollenfokus auf Eignungsdiagnostik

Rollenfokus auf Interview-Technik

Praktikanten-Recruiter (w/m) geringer Fokus hoher Fokus hoher Fokus
Graduate-Recruiter (w/m) geringer Fokus hoher Fokus hoher Fokus
Experienced-Recruiter (w/m) hoher Fokus mittlerer Fokus hoher Fokus

Mit dieser sehr strukturellen Einteilung wird allerdings klar, dass eine einseitige Fokussierung zum Beispiel ausschließlich auf Active-Sourcing bzw. die Direktansprache am tatsächlichen Personalselektionsbedarf vorbei geht. Active-Sourcing und die Direktansprache ist Teil einer Sourcing-Strategie und somit Bestandteil des Sourcing-Mixes für den spezifischen, zu rekrutierenden Bedarf. In der Regel gibt es weniger als 50 verschiedene Sourcing-Kanäle je nach Position. Der Schwerpunkt sind weiterhin die Internetseite respektive Karriere-Internetseite der Unternehmen, Stellenanzeigen im Internet, auf externen Online-Stellenmärkten sowie Print-Stellenmärkten. Immer wichtiger werden die Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programme und eben die Direktansprache.

Die Einteilung der Sourcing-Kanäle kann anhand der Risch-Reif’schen Matrix erfolgen:

Die Matrix zeigt also auf, in welcher Korrelation welche Sourcing-Kanäle wie wirken, in welchem Aufwand und Geschwindigkeit und zu welchen Kosten. Als Beispiel: Personalberater sind ergo offline-aktiv und wirken zwar sehr effektiv, aber benötigen mehr Zeit und haben hohe Brutto-Kosten zur Folge. Oder das Active-Sourcing: ergo aktiv (online, aber auch offline) hoher Aufwand, geringe Kosten, hohe Geschwindigkeit, hohe Effektivität, geringe Effizienz. Das Beispiel Print-Anzeigen: ergo offline-passiv mit geringer Effektivität, geringer Effizienz, hohen Kosten, höherer Geschwindigkeit, hohem Aufwand, insb. über zusätzliche Media-Agentur etc. Die Internetseite oder Karriereinternetseite ist ergo online-passiv und so weiter.

Also die Einteilung in online, aktiv, passiv und offline führt zu einer wirkungsvollen Korrelation der einzelnen Sourcing-Kanäle. Diese Matrix entstand 1998 bei Jobpilot, daher auch die Betitelung mit den handelnden Personen ;).

Anforderungen an die Rolle “Recruiter”

Ich formuliere mal alle Aspekte als Frage, denn eine pauschale Antwort wäre aus meiner Sicht nicht zielführend. Jedes Unternehmen sollte eine eigene Definition der Recruiter-Rolle schaffen anhand der nachfolgenden Kriterien und Fragen:

  • setzen Sie einen akademischen Abschluss der Recruiter (w/m) voraus?
  • erwarten Sie erste oder mehrjährige Erfahrung in der Rekrutierung von Fach-/Führungskräften?
  • ist aufgrund des Mentalitätswechsels der Recruiter der Zukunft Erfahrung innerhalb einer Personalberatung wünschenswert?
  • erwarten Sie Berater-Mentalität und Verkaufstalent? Und wie prüfen Sie diese Persönlichkeitsmerkmale ab?
  • wie gehen Sie mit den notwendigen eignungsdiagnostischen Kenntnissen um? Erarbeiten Sie ein internes Trainingsprogramm für Recruiter (w/m), zum Beispiel analog der DIN 33430 “Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen”?
  • wie prüfen Sie die notwendige Kommunikationskompetenz ab? Recruiter (w/m) müssen auf Augenhöhe sowohl mit den Entscheidungsträgern als auch den Bewerbern kommunizieren
  • welche Kenntnisse und Zertifizierung sind weiterhin wünschenswert? Zum Beispiel Gesprächsführungskompetenz speziell in Interviewsituationen, verantwortliches Handeln und Entscheidungskompetenz?

Aufgaben eines Recruiters (w/m)

Übernimmt Ihr Recruiter (w/m) den Auswahlprozess von A bis Z? Die klare Betreuung und Zuschneidung der Rolle auf den End-to-End-Prozess der Personalauswahl, inkl. des Onboarding-Prozesses, hat eindeutige Vorteile gegenüber einer generalistisch orientierten Organisationsform. Der Recruiter ist Partner und Berater der Fachbereiche und trifft eine Empfehlung zur Einstellung auf Basis des Anforderungsprofils und der eignungsdiagnostischen Instrumente. Die reine Auswahl nach dem Mini-Me-Prinzip endet damit hoffentlich.

Eine Erkenntnis bleibt allerdings auch weiterhin evident und wichtig: Fachkräftemangel ist größte Herausforderung für Personalverantwortliche. Dies zeigt auch die diesjährige Kienbaum-HR-Trendstudie von Kienbaum. Mit einer Modernisierung und Revitalisierung Ihrer Recruiting-Einheit machen Sie Ihr Unternehmen fit für die Herausforderungen dieser Zeit.

Beste Grüße

Marcus Reif

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