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Interview mit HR-Blogger Marcus K. Reif über die Zukunft von HR

HR ist im Wandel: demografischer Wandel, ein Mix unterschiedlicher Generationen, Digitalisierung, Prozessoptimierung, War for Talents und viele weitere Themen beschäftigen Unternehmen, Geschäftsführer und Personalverantwortliche heute. machtfit sprach mit Marcus K. Reif, renommierter HR-Blogger und Personalexperte mit über 20 Jahren Erfahrung in Führungspositionen über die Veränderungen im HR-Management, die Zukunft der HR-Abteilung und dessen Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg. Am 20. März 2018 können Sie Marcus K. Reif live in Berlin auf dem machtfit-Seminar „HR-Management der Zukunft“ erleben.

Herr Reif, sagen Sie doch kurz in 3-4 Sätzen etwas über sich.

Marcus K. ReifMarcus K. Reif: Mein Name ist Marcus Reif. Ich bin seit 20 Jahren im Personalumfeld unterwegs, habe die ersten Jahre als Consultant für Strategie- und Prozessveränderungen im HR-Themenbereich und Change Management gearbeitet. Seit 2004 bin ich als Personaler auf der anderen Seite des Tisches tätig. Hier beschäftige ich mich schwerpunktmäßig mit der Modernisierung von Arbeitsabläufen in den HR-Funktionen, mit der Transformation der HR-Abteilung und mit Wegen, das Recruiting und Employer-Branding zu optimieren. Besonders beschäftigt mich die Weiterentwicklung im Umfeld der Digitalisierung. Denn diese umtreibt natürlich alle Unternehmen und ermuntert zu einer neuen Organisation.

Wie Sie bereits angesprochen haben, ist der HR-Bereich stark im Wandel. Jeder redet über Themen wie #NewWork, Digitalisierung, Arbeit 4.0, da kann man schnell den Überblick verlieren oder in Panik geraten. Was glauben Sie sind die Trends im Personalbereich auf die ein HR-Verantwortlicher jetzt reagieren sollte?

Marcus K. Reif: Ich glaube die Trends sind relativ breit, also wo fangen wir da eigentlich an, wo hört man auf. Ich glaube die Personalarbeit kann sich heute nicht mehr um die Themen wie die der letzten Jahre drehen. Die Personalarbeit hat sich fundamental geändert. Viele Firmen sehen, dass es nicht mehr um die Personalverwaltung geht und dass Human Resources auch nicht mehr der zeitgemäße Begriff in einem mitarbeiterorientierten Markt ist, also versuchen wir, uns selbst ein neues Etikett oder ein neues Klingelschild zu verpassen. Warum tun wir das? Da die Arbeit von früher, das Administrieren der Personalakten und das Ausgeben von Lohntüten heute in der Personalarbeit in dieser Form gar nicht mehr tragbar ist. Ich glaube, dass die Personalabteilung sehr stark Veränderungsprozesse begleiten muss, was bedeutet, dass wir einen viel größeren Fokus auf Führung haben, auf die Art wie Arbeit organisiert wird, auf die Frage mit welcher Kultur wir Mitarbeiter gewinnen und halten und weiterentwickeln wollen – so ist das Portfolio der Personalarbeit von heute ein gänzlich anderes als noch vor 20 oder 40 Jahren.

Gehen wir da noch ein bisschen ins Detail rein. Sie deuten es schon an, der Beitrag der Personalabteilung zum Unternehmenserfolg ist ein großes Thema. Aber wie kann die Personalabteilung einen Beitrag dazu leisten und muss sie das überhaupt?

Marcus K. Reif: Wenn wir die Attitüde und unser Portfolio nicht ändern, dann sind wir in geraumer Zeit einfach nicht mehr notwendig, weil sich der Großteil der bisherigen Tätigkeiten vollständig digitalisieren lässt.

Für eine abschließende und vorbereitende Gehaltszahlung braucht man künftig keine Ressourcen in der Personalabteilung mehr. Für das Ändern von Stammdaten und Bewegungsdaten braucht man keinen persönlichen Ansprechpartner mehr, der telefonisch oder per E-Mail Änderungen aufnimmt und die dann in das System überführt. Personalarbeit rückt raus aus der Nische.

Heute kann man das alles über Tablets und Smartphones managen und das viel besser und schneller selbst machen und dann auch genau zu dem Zeitpunkt, an dem man das gerne möchte. Als Mitarbeiter bin ich heute noch an die Verfügbarkeitszeiten der Personalabteilung gebunden. Das muss sich ändern, denn nicht nur das Business unserer Kunden ändert sich, sondern auch unsere Kunden und Mitarbeiter selbst. Die Unternehmen ändern sich. Produktion und Verwaltung fallen heute oft nicht mehr am gleichen Ort an. Es wandelt sich. Und deswegen muss die Art, wie wir den Wandel mit unterstützen sich auch verändern.

Das Recruiting ändert sich auch: vor 30 Jahren war es noch der typische Fall, dass jemand im Unternehmen einsteigt, mit einem gewissen Stereotyp & Profil und dann wahrscheinlich 20 Jahre im Unternehmen bleibt und während der gesamten Karriere ein/zwei Mal den Arbeitgeber wechselt. Damals lautete das Profil eines Studenten folgendermaßen: 28 Jahre alt, fünfeinhalb Jahre studiert, zwei Praktika zu je sechs Monaten, eins davon im Ausland, Wehrdienst oder Ersatzdienst wurde geleistet. Heute ist das Profil eher so: Wir haben den Bachelorabsolventen als Bewerber. Das ist der akademische Grad für diejenigen, die sofort in den Beruf einsteigen können. Diese Personen sind 21 Jahre alt, haben ein Praktikum für vielleicht acht Wochen absolviert, das auch noch zwischen den Semestern, sie waren nicht im Ausland, haben keinen Wehr- und Ersatzdienst geleistet und sind deswegen sieben Jahre jünger als der Diplomstereotyp von damals. Statistisch gesehen bleiben diese Mitarbeiter für durchschnittlich 550 Tage bei ihrem ersten Arbeitgeber (siehe Graduate Survey, Universum Communications). Das bedeutet, dass diese Bewerber über ihre gesamte Karriere hinweg 15 bis 25 verschiedene Arbeitgeber haben werden.  Der Arbeitgeber wird eher nach dem Projekt, als nach Art der Tätigkeit ausgewählt, während früher doch sehr stark nach Renommee der Arbeitgebermarkt bewertet wurde und eine Karriere einer Lebensentscheidung glich. Heute ist es eher die sinnhafte Tätigkeit, die einen Mitarbeiter den Arbeitgeber wechseln lässt.

Also hat sich neben der Definition wie Arbeit erbracht wird auch der Faktor Arbeit selbst verändert. Früher ging man auf die Arbeit, in klassischer Aussprache und Duktus und heute ist man selbst der Faktor Arbeit und es spielt nicht mehr so eine große Rolle, wo sie erbracht wird. Die gesamte Präsenzorientierung hat deutlich nachgelassen. Und überall dort stehen jetzt Führungskräfte da, die mit diesen Veränderungen Schritt halten müssen. Wie können diese Führungskräfte in der Führung, der Kulturentwicklung und der Personalentwicklung Schritt halten – wie geht das?

Und genau jetzt kommt die Personalabteilung ins Spiel, weil sie diejenigen sind, die sich seit jeher um den Menschen gekümmert haben und jetzt in dieser komplexen, digitalen und sehr schnell getakteten Welt wahrscheinlich diejenigen sein werden, die die besten Antworten auf die neuen Herausforderungen haben – deswegen muss das Portfolio des HR-Managers umgestellt werden.

Heute ist es ja fast schon so, dass die Unternehmen sich bei den Talenten bewerben müssen: Employer Branding wird immer wichtiger. Wenn alles schneller und sprunghafter wird – wie lange kann man als Arbeitgeber ein Talent überhaupt noch binden und welche Mittel gibt es dafür?

Marcus K. Reif: Ich glaube, dass sich das unterm Strich gar nicht so wahnsinnig geändert hat, also z.B. die Frage nach: „Was ist eine ideale Betriebszugehörigkeit“. Als Beispiel nenne ich gerne meinen Vater. Er sagte mir damals: „Beim ersten Arbeitgeber bleibst Du sieben Jahren, ansonsten sieht‘s schlecht aus auf dem Lebenslauf“. Mit dieser Empfehlung sind viele in die Karriere gestartet und wenn man selbst auf seinen eigenen Lebenslauf zurückschaut, sieht man, dass man sich größtenteils an die Empfehlung von Vater und Mutter gehalten hat. Heute ist das unterm Strich nicht anders. Ich glaube, dass heute eine ideale Zugehörigkeit in einer Rolle fünf Jahre beträgt und zu einem Arbeitgeber wahrscheinlich etwas um die sieben Jahre.

Das heißt, man ist heute gezwungen, up-to-date zu bleiben, um attraktiv für den Arbeitsmarkt zu sein. Auch um ein interessanter Trüffel für Personalberatungen zu sein, muss man jemand sein, der eine gewisse Stringenz in der persönlichen und fachlichen Entwicklung zeigen kann und die wird heute sehr oft dadurch unterstrichen, dass man zielgerichtet und strukturiert logische Karriereschritte macht. Das kann innerhalb eines Unternehmens mit einer gewissen Größe geschehen, wenn es die Größe hat dort auch entsprechende Schritte zu machen, aber auch außerhalb. Ich glaube, dass sich diese zwei Elemente, also fünf Jahre auf der Rolle zu sein und sieben Jahre im Unternehmen zu arbeiten in den letzten 30 Jahren nicht wesentlich geändert haben.

Generation Y Recruiting

Was sich geändert hat, ist die Leidensfähigkeit der Kandidaten. Wenn heute jemand aus der Generation Y oder der Generation Z in das Unternehmen kommt und dort eine Struktur vorfindet, die total anachronistisch und überholt ist, die aus Command und Control besteht und aus übertriebenen pyramidalen Kontrollsystemen besteht und auch die Aufgabe nicht so ist, wie sie in der Stellenanzeige verkauft wurde, dann ziehen diese Talente sofort die Konsequenz und kündigen – das hätten andere Generationen früher nicht gemacht. Die hätten gesagt: „Ok. Ich habe mich dafür entschieden, dann mach ich das jetzt und dann warten wir mal ab was passiert, vielleicht wechselt ja der Chef oder mir wird in ein paar Jahren eine Chance gegeben woanders hinzuwechseln“.

Die Furcht vor Arbeitsplatzverlust ist in der Generation X und Baby Boomer deutlich ausgeprägter, als bei den jungen Generationen Y und Z. Diese ziehen viel schneller aus Unzulänglichkeiten den Arbeitsvertrag und den Arbeitgeber betreffend die Konsequenz.

Studien belegen, dass in den letzten 20 Jahren die Arbeitsbelastung, insbesondere die psychische Arbeitsbelastung gestiegen ist. Die Digitalisierung sorgt dafür, dass die Mitarbeiter immer erreichbar sind, E-Mails lesen können, und ständig reagieren und handeln können. Wenn man immer erreichbar ist, immer Gas geben kann und muss, wie kann oder muss ein moderner Arbeitgeber hier einen Ausgleich schaffen?

Marcus K. Reif: Diese Aussage muss man genau betrachten und unter die Lupe nehmen. Jeder redet von Burnout und von Burnoutprävention. Schlage ich Mainstreampublikationen oder Fachmagazine auf, dann steht dort überall das Gleiche drin. Wenn man sich jetzt mal den IC-Code der Krankheit Burnout anschaut, dann stellt man fest, dass das die gleiche medizinische Kodierung wie für die Erschöpfungsdepression ist und die gibt es schon seit 150 Jahren. Das einzige was wir geändert haben, ist die Semantik, die Krankheit ist die gleiche. Deswegen glaube ich, dass wir einmal aus einer neutralen Betrachtungsweise herausschauen sollten: Wie hat sich denn die Krankheit an sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Der gefühlte Stress und der soziale Druck auf die permanente Erreichbarkeit treiben das Gefühl der Erschöpfung. Aber es gilt: Niemand wird dafür bestraft, wenn er das Telefon ausschaltet. Das ist zum Teil hausgemacht und daraus entstehen psychische Gesundheitssituationen. Die kann man nur in den Griff bekommen, wenn man eine Kultur entwickelt, die Verständnis hat und Flexibilität zeigt und im Gegenzug aber auch Respekt vor den persönlichen Interessen des Arbeitnehmers hat – und andersrum. Oder man macht es so wie BMW und SAP, die dann rigide sagen, ab einer bestimmten Uhrzeit schalten wir die Zustellung von E-Mails ab. Das persönlich halte ich für einen ganz großen Frevel. Denn wir brauchen heute flexible Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung und nicht solch vorgegebenen Strukturen wie „ihr dürft nur arbeiten zwischen x und y Uhr“.

Nachdem wir jetzt mehrere Herausforderungen für die HR-Abteilung angesprochen haben, würde ich gerne genauer auf das Recruiting eingehen. Was würden Sie denn Ihren HR-Kollegen für das Jahr 2018 empfehlen in Bezug auf Recruiting und die Nachfolgeplanung?

Marcus K. Reif: Ich habe letztens eine ähnliche Frage gestellt bekommen, da ging es um den disruptivsten Gedanken beim Nachfolgemanagement, den ich den Leuten mitgebe. Und ich sagte: „Lassen Sie nie den Amtsinhaber über seinen Nachfolger entscheiden“. Warum? Weil Menschen die Welt durch ihre eigenen Filter betrachten und jemand der genauso ist wie man selbst, der wird fälschlicherweise als kompatibler und besser wahrgenommen. Das hat auch sehr viel mit Routinen, Überzeugungen und einem ähnlichen Werteverständnis zu tun, denn man umgibt sich lieber mit Menschen, die einem ähnlich sind. Und dieses Erfolgsprinzip der Ähnlichkeit der Generation Babyboomer hat sich über Generationen hinweg verstetigt. In der Psychologie spricht man da von der homosozialen Reproduktion. Das ist der Drang sich mit Menschen zu umgeben, welche einem ähneln, das lässt aber keine Vielfalt zu. Und genau das passiert bei der Nachfolgeplanung. Da wird eher darauf geachtet, dass mein Erbe gewahrt wird als die Chance zu nutzen durch Vielfalt, neue Perspektiven, Überzeugungen und Werte, Ideen neuen Raum zu geben. Deswegen glaube ich, Nachfolgeplanung sollte immer von jemanden übernommen werden, der nicht fachlich eingebunden ist.

Kommen wir schon zu unserer letzten Frage. HR 2030: Wie sieht das für Sie aus?

Ich glaube, dass wir eine sehr starke Trennung zwischen „run the business“ und „change the business“ haben werden. Run the business werden eher transaktionale Themen sein, die in großen Teams betreut werden, die eine hohe Verlässlichkeit, eine geringe Fehlertoleranz und eine große Geschwindigkeit haben werden. Also wo ich einfach hochvolumige Prozesse ansiedeln werde und dort werde ich einen Teil der Personalabteilung nicht in der Personalabteilung finden, sondern beim Kunden sitzend. Diese werden dann die Veränderungsprozesse, die Personalentwicklung, die Führungsentwicklung, die Kulturentwicklung und die Arbeit mit den Menschen an sich direkt vor Ort bei den Kunden machen.

Ich glaube die Personalabteilung wird sich dahingehend weiterentwickeln, dass wir nicht alle auf einen Haufen sitzen, sondern eben nach Stärken und nach Zielrichtung getrennt und dort, wo wir gebraucht werden.

Herzlichen Dank für das Interview und Ihre Zeit. Erschienen unter https://blog.machtfit.de

MARCUS K. REIF

ist HR-Blogger (www.reif.org) und verfügt über 20 Jahre Beratungserfahrung, u. a. in Stationen als Chief People Officer der Kienbaum Consultants International GmbH, Leiter Recruiting und Employer-Branding für die Länder Deutschland, Schweiz und Österreich bei EY (Ernst & Young), bei der Unternehmensberatung Accenture, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, TMP Worldwide und jobpilot. Er hat zahlreiche Publikationen zu Themen Personalmanagement, Arbeitswelt, Recruiting, Employer-Branding und Changemanagement veröffentlicht und ist Sprecher zu HR-Transformationsthemen auf ausgewählten Events.

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