Willkommen auf dem Blog von Marcus K. Reif | Meine Arbeit gibt Ihnen Zeit für Ihre!

Kaum ein Beitrag in den Medien über Fach- und Führungskräftemangel kommt ohne den Hinweis auf den War for Talent aus. Als 1997 die Strategieberatung McKinsey eine Studie zur Zukunft des Arbeitsmarkts startete, die ein Jahr später veröffentlicht wurde, schrieb einer der beteiligten Partner, Ed Michaels, das allseits bekannte Buch “The War for Talent“. Wer sich die sinnvolle Zeit nahm, um das Buch zu lesen, bekommt einen ziemlich genauen Blick darauf, weshalb wir heute bestimmte Themen auf der Agenda haben. Aus dem Mitarbeiter als Ressource ist das wertvollste Kapital des Unternehmens geworden. Quasi ganz automatisch nach den Gesetzen des Marktes. Und deshalb ist moderne Personalarbeit zur Bewältigung des Fach- und Führungskräftemangels eine strategische Herausforderung und ein wichtiger Treiber für die Leistungsfähigkeit der Unternehmen. 

War for Talent is over. Talent has won!

Wer sind eigentlich Talente? Oft wird das “Talent” ja als Synonym für Akademiker verwendet. Die arbeitende Bevölkerung wird üblicherweise unterteilt in Ungelernte, Berufsausgebildete, Spezialisten, das sind Bachelor-Graduierte und Meister, sowie Experten (noch mit Diplom oder schon Master).

Ich bin sicher, dass der War for Talent vorbei ist. Die Talente haben gewonnen. Was soll dieser Satz denn nun sagen? Nun, wenn wir bei der Terminologie bleiben, dann ist der Krieg um die Talente zu Ende. Gewonnen haben eben genau diese Talente, was nicht weniger bedeutet, als das die Unternehmen verloren haben. Das ist der Wandel hin zum Mitarbeiter als höchstes Gut, welches in der Vergangenheit über Hire and Fire zur Ressource geworden war. Führungskräfte kümmerten sich nicht um das höchste Gut Mitarbeiter, sondern die ganze Mannschaft musste der Führungskraft entsprechen. Wir sind aber heute viel weiter. Schluss mit der Mad Man. Wir leben in einem Zeitalter, wo Mitarbeiter in all ihren Fähigkeiten im Unternehmen eingesetzt werden. 

Demografie

Grafik: www.destatis.de, Bevölkerungsstand 2010. Eigene Ergänzung der Generationen.

Grafik: www.destatis.de, Bevölkerungsstand 2010. Eigene Ergänzung der Generationen.

Was spricht weiterhin für die These? Der demografische Faktor. Der Wandel der aus meiner Schulzeit bekannten Alterstanne zum Altersdöner versinnbildlicht Die demografische Herausforderung sehr deutlich. Die Bevölkerung wird, und das ist die schöne Nachricht, immer älter und bleibt länger gesund. Das hat viel mit der Forschung und Entwicklung im Pharma- und Medizinsektor zu tun, aber auch mit dem Ausbleiben großer Kriege und dem kontinuierlichen Absenken der Alltagsgefahren, wie besserer Schutz in den Fahrzeugen usw. Schauen wir uns mal die Prognose bis zum Jahr 2060 an. Wir erkennen, dass uns in 15 Jahren schon um die sieben Millionen Erwerbstätige in Deutschland fehlen. Bis zum Jahr 2060 landen wir in einem Korridor zwischen 65-70 Mio. deutsche Bevölkerung, was einem Rückgang stand heute um ca. 13-20 % entspricht sowie einer arbeitenden Bevölkerung in Höhe von ca. 34,2 bis 38,01 Mio.

Wichtig bei der Betrachtung der Demografie ist aus meiner Sicht ein Blick auf die Generationen, verweise gerne auf den Beitrag: Generationen: Veteranen, Baby-Boomer, X, Y, Z und bald Alpha

Geburtenrate

Grafik: www.destatis.de. Bevölkerungsvorausberechnung bis zum Jahr 2060

Grafik: www.destatis.de. Bevölkerungsvorausberechnung bis zum Jahr 2060

Darüber hinaus bräuchten wir, um die Population der deutschen Bevölkerung konstant zu halten, eine Geburtenrate von 2,1. Wir liegen heute allerdings nur bei 1,5 im Jahr 2015 und 1,47 im Jahr 2014. Das ist statistisch zwar der höchste Wert der Geburtenrate seit 1982 (1,51), lässt aber immer noch keinen positiven und der Demografie Rechnung tragenden Trend erkennen. Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit haben 0,01 Geburtenrate zugelegt von 1,42 auf 1,43, Frauen in Deutschland mit ausländischer Staatsangehörigkeit etwas mehr, nämlich von 1,86 auf 1,95 Kinder je Frau. Unterschiede gibt es auch zwischen Ostdeutschland, leicht höher (1,56) als in Westdeutschland (1,50).

Leider muss man zu diesem Trend hinzufügen, dass die Schere aus weniger Geburten und der immer älter werdenden Bevölkerung die arbeitende Population von zwei Seiten aus unter Druck setzt. 

Kinder unter 14 Jahren und Studierende

Die Zahl der Studierenden an deutschen Hochschulen ist erfreulich stark gestiegen, nämlich auf 2.757.799 Studierende im Semester 2015/2016. Dafür sinkt im Zeitraum 1991 bis 2014 die Zahl der Kinder unter 14 Jahren kontinuierlich von 13.099.792 Kinder im Jahr 1991 auf 10.941.201 Kinder im Jahr 2014.

Auf der einen Seite erfreuen wir uns einer nie da gewesenen hohen Anzahl an Studierenden, auf der anderen Seite beklagt das Handwerk und die Industrie- und Handelskammern eine wiederum hohe Zahl an unbesetzter Lehr- und Gesellenstellen. Der Trend zum Studium führt heute schon bei normal qualifizierten Job-Familien zu einem eklatanten Mangel an Experten und Fachkräften. 

Moderne Kultur?

Unternehmen haben diese Erkenntnis, dass der War for Talent vorbei ist, auf unterschiedliche Wege versucht zu lösen. Der einfach klingende, aber sehr komplexe und aufwändige Prozess wäre: Implementieren einer modernen Unternehmens- und Führungskultur. Denn genau darauf achten die nachfolgenden Generationen bei der Wahl ihrer Arbeitgeber. Die Bedürfnisse sind seit Jahren identisch, verändern sich von Kohorte zu Kohorte weiter. Die nachfolgenden Generationen suchen nach dem Sinn der Tätigkeit, einem übergeordneten “Purpose”. Sie erwarten ein positives Arbeitsklima 45 %, flexible Arbeit 33 % (bspw. Homeoffice), flexible Zeiten 26%, siehe Beitrag in der Wirtschaftswoche auf Basis der Universum-Absolventenstudie 2017.

Was geschehen ist, sind Kultur-Scharaden, Einführung von Glücklichkeitstagen, Chief Happiness Officer und einige Sachen mehr. Das ähnelt ein wenig dem Thema New-Work und Workplace-of-the-Future, bei diesem Thema es doch unter anderem um die Ausgestaltung der Arbeit, Freiheiten und Flexibilisierungsmöglichkeiten, Verkürzung der Hierarchie und Abstimmungsprozesse, mehr Autorität für jeden einzelnen geht. Doch viele Beispiele zeigen, dass es eine Quadratmeterdiskussion ist und die Menschen auf weniger Platz in offene Bürobereiche gesetzt werden. 

Hiring-Manager glauben an Mythos, wenn Kandidaten nicht durch jeden Reifen springen, verdienen sie den Job nicht Klick um zu Tweeten

Oft können wir das in den expliziten Interview-Situationen betrachten. So mancher Hiring-Manager glaubt noch an den Mythos, wenn Kandidaten nicht durch jeden Reifen springen, verdienen sie den Job nicht. Wir Personaler achten ja sehr genau auf eine positive Candidate-Experience, doch leider noch wird diese – auch durch uns selbst – ins Negative umgekehrt. Das ist ein Unfall mit dem Kandidaten, den wir uns nicht leisten können: Candidate Accident – Kandidaten müssen sich beim Interview unterwerfen.

Unternehmen investieren. Machen wir den Prozess richtig oder den richtigen Prozess? Wenn aber der Weg, mehr Geld für Personalmarketing zu nutzen und Employer-Branding auszubauen als der erfolgreichere angesehen wird, anstelle die Beschwerden der Mitarbeiter über sinnfreien Tätigkeit ernst zu nehmen, zeigt das, wohin die Reise geht. Typischerweise löst man den Fachkräftemangel nicht dadurch, die Tapete zu wechseln. Wir Personaler müssen mehr dafür werben, die Ursache zu lösen, nicht an der Wirkung dieser rumzudoktern. Darin liegt die Chance, unsere internen Kunden zu informieren, was außerhalb der Firma an Trends, Strömungen und Bedürfnisse zu finden ist. Seien wir Berater auf Augenhöhe, um unseren Kunden zu helfen, nicht den Anschluss zu verlieren. 

Realität ist, nehmen wir mal das Beispiel der Tarifverhandlungen der Deutschen Bahn mit einer Art Kiosksystem. Will man mehr Gehalt oder weniger Arbeiten. Denn die rund 130000 Beschäftigten des Konzerns bekommen ab Januar 2018 2,6 Prozent mehr Gehalt – oder sechs zusätzliche Urlaubstage. 56 % der Mitarbeiter entschieden sich für die Urlaubstage. Ein gutes Beispiel für die Veränderung des Zeitgeists. Vor 15 Jahren noch wäre das nahezu undenkbar gewesen. Da galt noch, dass die Karriere weh tun muss. 

Was ist digitale Führungskultur?

Ich glaube, dass moderne Führung unabhängig vom Digitalisierungsgrad ist. Doch erfordert die Führung im Jahre 2017 eine zusätzliche Beschreibung. Wir haben uns ja entfernt von der Basta-Mentalität und der Top-Down-Führung hin zu einem Miteinander, mehr Nähe und mehr Freiraum, mehr Eigenverantwortung für die Mitarbeiter. Geleitet von der Frage, wie funktioniert “Führung” im digitalen Zeitalter? Welche Werte und Attribute sind zeitgemäß und führen zu besten Resultaten? Aus gerade diesen Überlegungen heraus finde ich den Begriff der digitalen Führungskultur treffend. Mehr zur digitalen Führungskultur und zur Differenzierung zum New-Worker lesen Sie hier.

Robos kommen

Die Algorithmen kommen. Nun sprechen viele davon, das Recruiting zu automatisieren. Der Vorteil wäre, nebst der Effizienz und Effektivität, dass Übertragung- und Partizipationsfilter in der Beurteilung von Eignung ausgeschaltet werden. Natürlich hat eine Automatisierung auch Nachteile, insbesondere eben, weil die Beurteilung von Menschen nicht ohne die Beteiligung von Menschen erfolgen sollte. Eine Personalauswahl sollte niemals eindimensional sein. Wir brauchen eine breite Perspektive an Selektionsaspekten. Denn in viel zu vielen Beispielen wird Recruiting wie Religion angesehen. Das Recruiting basiert oft auf Glauben und nicht auf Wissen. 

Recruiting ist wie Religion. Es basiert oft auf Glauben und nicht auf Wissen Klick um zu Tweeten

Was macht den Unterschied?

Wir müssen besser werden. Im Grunde ist es ganz einfach. Habe ich eine voll motivierte, kompetente und Kultur-feinfühlige Mannschaft an Bord, hat mein Unternehmen die besten Chancen auf einen nachhaltigen Erfolg. Die Menschen, die wir gewinnen, müssen durch den Sinn Ihrer Tätigkeit Lust verspüren, beim Unternehmen zu bleiben. Den Unterschied machen ihre Führungskräfte und die Kollegen. Ist das Klima gut, stimmt die Kultur, wird Führung als partizipatives und logisches Miteinander empfunden, bei dem alle Seiten mit Offenheit, Wertschätzung und dem Gefühl, sich permanent weiterzuentwickeln, gemeinsam die Karriere begehen, werden Sie die Fluktuation deutlich reduzieren. Dafür muss auch HR wachsen. Wir dürfen nicht mehr Zynismus erzeugen durch die in weiten Teilen selbst gewählte Bürokratie. Wir müssen auf Augenhöhe kommen und relevant werden. HR-Arbeit von morgen bedeutet, mehr Mut zum Unkonventionellen haben. 

Dafür müssen wir verstehen, was die Bedürfnisse, Erwartungen und Hoffnungen, aber auch die Eigenschaften und Ziele der verschiedenen Generationen im Unternehmen sind. Diese müssen im Zentrum unserer Agenda liegen. Die Menschen müssen verstehen, dass sie als Mensch im Unternehmen zählen. Gehen Sie weg vom Managen der “Human Resources”. Und helfen Sie unseren Kunden, genau diese Sichtweisen täglich zu praktizieren. Das muss in die DNA jedes Unternehmens. 

Halten Sie Ihre Prozesse einfach, “lean” und weniger komplex. Dafür sorgen wir mit transparenten und logischen Gehaltsmodellen, Performance-Modellen, Kompetenzmodellen. Das gilt auch für die Auswahl an neuen Mitarbeitern. In leider noch zu vielen Firmen verwenden Führungskräfte 2 % ihrer Zeit aufs Recruiting, dafür aber 75 % aufs Managen ihrer Einstellungsfehler. Nehmen Sie alle Filter aus dem Prozess, nutzen Sie eine Teilstruktur. Bedarf an mehr Infos zu den Filtern? Hören Sie meinen Podcast “Pinguine rekrutieren Pinguine” oder lesen Sie Unconscious Bias: “Ich erkenne Potenzial nach zwei Minuten”.

Haben Sie sich schon mal Gedanken dazu gemacht, wie Ihr Leistungsbeurteilungsprozess ausgestaltet ist? Ist er fair? Ist er objektiv? Sind Sie in der Lage, den kompletten Betrachtungszeitraum objektiv und transparent zu bewerten? Können Sie alle strukturierten Aspekte fair bewerten? Haben Sie die Stärken und Schwächen gleichermaßen im Blick? Glauben Sie, dass Ihre Mitarbeiter den Prozess ebenso bewerten, wie Sie das gerade taten?  

Der War for Talent ist vorbei. Machen wir was draus! 

Beste Grüße 

Marcus Reif 

 

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